Rösler: Mehrheit für Mindestlohn-Strategie
Berlin - Die FDP will auf ihrem Sonderparteitag in Nürnberg mehr soziales Profil gewinnen und eine moderate Öffnung für Lohnuntergrenzen ermöglichen.
FDP-Chef Philipp Rösler erwartet eine klare Mehrheit für seine nicht unumstrittene Mindestlohn-Strategie. Röslers Stellvertreter Holger Zastrow brachte auch das nicht minder brisante Thema Steuersenkungen ins Gespräch.
Rösler schloss in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag) erneut einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn Opposition und Gewerkschaften fordern, kategorisch aus. Für Mindestlöhne seien zunächst die Tarifparteien zuständig, sagte er und fügte hinzu: "Ich halte es für falsch, dass der Staat Löhne aushandelt. Also müssen wir jetzt eine Lösung für Lohnuntergrenzen in den Regionen finden, in denen es keine Tarifpartner gibt. Sonst setzen sich diejenigen durch, die staatlich festgelegte Löhne wollen. Das wird die FDP verhindern."
An der Mindestlohn-Strategie des Parteichefs gibt es durchaus auch Kritik aus den eigenen Reihen. FDP-Bildungsexperte Patrick Meinhardt forderte seine Partei auf, Haltung zu bewahren, statt einen laschen Kompromiss zu beschließen. "Wir dürfen nicht eine falsche Baustelle aufmachen, sondern müssen unserem eigenen Weg treu bleiben", sagte er dem "Badischen Tagblatt" (Freitag). Röslers Stellvertreter, Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow, hatte bereits zuvor gewarnt, Röslers Sichtweise werde den Praxistest nicht bestehen.
Zastrow sagte nun der "Leipziger Volkszeitung" (Samstag): "Wir verlangen ein klares Bekenntnis zu Steuersenkungen." Konsolidierung der Haushalte und Steuersenkungen seien keine Gegensätze. In einem ersten Schritt sollte Schwarz-Gelb ab 2014 den Solidaritätszuschlag für Einkommen bis 4800 Euro abschaffen. Die erforderlichen sechs Milliarden Euro habe Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits für die Minderung der kalten Progression im Haushalt eingeplant.
Rösler machte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" erneut deutlich, dass für ihn vorerst die Haushaltssanierung im Vordergrund steht. "Wir alle haben gesehen, dass man eines nicht unterschätzen darf: Die Gefahr, die von einer übermäßigen Staatsverschuldung ausgeht. (...) Wenn wir 2016 Überschüsse erwirtschaften, dann müssen wir an die Entlastung der Bürger herangehen. Zum Beispiel bleibt die Abmilderung der Kalten Progression auf der Agenda der FDP."
Zum Thema Mindestlohn sagte Zastrow der "Leipziger Volkszeitung", Lohngrenzen dürften ausschließlich von den Tarifpartnern festgelegt werden, nicht von der Politik. Ein politisch festgelegter Mindestlohn wäre besonders im Osten ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm.
Wie Zastrow sprach sich auch Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth gegen Röslers Mindestlohn-Kurs aus. Es sei bezeichnend, dass die Forderungen nach Mindestlohn "vor allem aus den Landesverbänden stammen, in denen die Tarifbindung und das Durchschnittseinkommen hoch ist". Im Gegensatz dazu akzeptierten gerade jene Landesverbände vor allem im Osten die Mindestlohnforderungen nicht, die damit beglückt werden sollten.
Außenminister Guido Westerwelle unterstützte dagegen die Mindestlohn-Pläne Röslers. "Es hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts mehr zu tun, wenn jemand mit drei Euro Stundenlohn nach Hause gehen muss", sagte er der Zeitung "Die Welt" (Freitag). "Ich unterstütze die Parteiführung deshalb dabei, Missstände bei den untersten Lohngruppen anzupacken." Leistungsgerechtigkeit sei kein Privileg derer, die gut verdienen.
Auch der Spitzenkandidat der Liberalen, Rainer Brüderle, unterstützt den Mindestlohnkurs Röslers. Der "Bild"-Zeitung (Samstag) sagte er: "Mit unserem Konzept zu Lohnuntergrenzen verhindern wir einen politischen Lohnwettbewerb." Lohnuntergrenzen könnten dort sinnvoll sein, wo es keine Tarifpartner gebe, die Löhne verhandeln.
Die Liberalen wollen am Wochenende das Programm für die Bundestagswahl beschließen. Am Freitagnachmittag wollte die FDP-Spitze letzte Vorbereitungen für den Parteitag treffen. Gewählt wird in Nürnberg nicht. Rösler war bereits auf einem Parteitag Anfang März für zwei weitere Jahre als Bundesvorsitzender bestätigt worden.