Robin Rösler und die 3 Prozent
BERLIN Neue Zeiten sollen bei der FDP anbrechen: Der designierte Parteichef Philipp Rösler will Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Die FDP soll sich, so Rösler, auf ihren „liberalen Kompass besinnen, neue Antworten auf die Alltagsfragen der Menschen finden” – und sich auch mehr öffnen in Richtung sozialliberaler Themen. Häufig ist im Umfeld der jungen FDP-Garde das Schlagwort vom „mitfühlenden Liberalismus” zu hören. Robin Rösler gegen den bösen Sheriff aus dem Neoliberalismus-Wald – kann das funktionieren?
Klar ist: Ändern muss sich irgend etwas, und zwar schnell. Am Tag nach seiner Ausrufung sieht sich Rösler mit desaströsen Umfrageergebnissen konfrontiert: Laut der aktuellen Forsa-Umfrage kommt die FDP nur noch auf drei Prozent. Damit wäre sie nicht mehr im Bundestag vertreten. Rot-Grün kommt erstmals seit der Bundestagswahl 2009 auf die absolute Mehrheit – aber unter umgekehrten Voraussetzungen: Wäre nächsten Sonntag Bundestagswahl, dann wäre unser nächster Kanzler ein Grüner – oder eine Grüne.
Die Krise der FDP zieht das ganze Regierungsbündnis in den Keller. Allerdings: Die Umfrage wurde geführt, noch bevor feststand, dass Guido Westerwelle als Parteichef aufhört. Forsa-Chef Manfred Güllner glaubt aber nicht, dass der Wechsel an der Parteispitze groß Eindruck auf den Wähler macht: „Westerwelle wird ja als Außenminister so negativ beurteilt. Gibt er nicht auch dieses Amt auf, wird sich wenig ändern”, sagt Güllner. Der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, sieht das ähnlich: „Westerwelle wird als Westerwelle wahrgenommen. Und Westerwelle hat insgesamt konstant negative Punkte. Der kleine Personalaustausch ändert nichts an den strukturellen Problemen der FDP.”
Auch dem FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher reicht der Personalwechsel noch nicht: „Die FDP steckt in der schwersten strukturellen Krise seit ihrem Bestehen”, sagte er dem „Tagesspiegel”. „Da wird es manche in der FDP geben, die selbst zu dem Schluss kommen sollten: Es ist besser, das Profil der neuen FDP durch neue Gesichter prägen zu lassen.”
Auch die Bayern-FDP ist stinksauer auf die kleine Lösung: „Die Unzufriedenheit ist groß”, sagte Fraktionschef Thomas Hacker. Deftige Worte wählte der niederbayerische Abgeordnete Franz Xaver Kirschner: „Ich schicke ein Pfund Lösungsmittel nach Berlin, damit die von den Sitzen wegkommen.”
NRW-Landeschef Daniel Bahr – der wegen Brüderles Betonhaltung kein einziges neues Amt abbekommen hat – verteidigt die abgespeckte Postenrochade: „Auch eine kleine Lösung kann eine sehr gute Lösung sein”, sagt Bahr. Dass jetzt mit Rösler und Brüderle „junge und alte Kräfte” vertreten seien, zeige, dass die Partei im Team geführt würde.
Im Koalitionsausschuss verständigten sich Union und FDP darauf, den Führungswechsel auch zu nutzen, um eigene Positionen zu überprüfen – vor allem bei der Atomkraft. FDP-Generalsekretär Christian Lindner war mit seinem Kopflos-Vorstoß nach einer sofortigen Stilllegung aller Alt-Meiler auf Unverständnis gestoßen. Genau das hat Schwarz-Gelb nach Ansicht von Forsa-Chef Güllner auch die Wahlen gekostet: Die Wähler haben die Energiewende nicht geglaubt. „Unglaubwürdige Parteien werden nicht gewählt.”