"Unterschied zwischen Wetter und Klima": Renommierter Klimaforscher entlarvt Aiwangers Aussagen
Für Hubert Aiwanger ist die Sache klar. "Der im Frühjahr vorausgesagte/vermutete Hitzesommer in Deutschland ist bisher ausgeblieben. Die letzten Tage vermehrt trüb/Regen, nachts für Juli relativ kühl", schrieb er am Dienstag bei Twitter. Dann schlussfolgert er: "Systematisch an den Klimaherausforderungen arbeiten, aber keine Panik verbreiten!"
Gut 1,3 Millionen Nutzern des Kurznachrichtendiensts wurden die Aussagen des dem Populismus nicht abgeneigten Chefs der Freien Wähler bis Mittwochnachmittag ausgespielt.
Hitzesommer und Klimawandel: Warum Aiwangers Schlussfolgerung falsch ist
Also alles halb so wild mit dem Klimawandel? Wer mit Experten spricht, merkt schnell, dass Aiwangers Aussage schlicht falsch ist.
Denn obwohl gerade so manche Grillfeier wegen Regens abgesagt wird, ist, anders als vom bayerischen Wirtschaftsminister behauptet, der Hitzesommer hierzulande keineswegs ausgeblieben.
Deutscher Wetterdienst: "Ungewöhnlich warmer Juni"
Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) war der Juni "ungewöhnlich warm". Mit 18,4 Grad lag das Temperaturmittel bayernweit im Schnitt 3,5 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Nur 2019 wurden bislang mehr Sonnenstunden im Freistaat verzeichnet. Und bundesweit war der Juni viel zu trocken.
Lothar Bock vom DWD-Klimabüro München zufolge wird auch der Juli überdurchschnittlich warm. "Ich rechne damit, dass dieser in Bayern fast drei Grad wärmer wird als im Langzeitvergleich", sagt er der AZ. Die derzeitigen Regentage würden nichts daran ändern, dass der Niederschlag in diesem Monat geringer sei als üblich.
Klimaforscher Latif: "Es geht um den Unterschied zwischen Wetter und Klima"
Weltweit war der Juni sogar der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen – in Südeuropa wüten derzeit extreme Waldbrände. Dass der menschgemachte Klimawandel eine große Rolle für die zunehmenden Hitzewellen spielt, ist unter Experten unstrittig.
Der Hamburger Klimaforscher Mojib Latif zeigt sich im AZ-Gespräch entsetzt über Aiwangers Tweet. Es gehe schlicht und ergreifend um "den Unterschied zwischen Wetter und Klima", sagt er. Das eine sei kurzfristig, das andere langfristig. Keinesfalls könne man allein aufgrund von ein paar kühleren Tagen auf die langfristige Entwicklung des Klimas schließen. "Herr Aiwanger ist in keiner Weise Experte und hat nie im Bereich der Klimaforschung gearbeitet", sagt Latif und stellt klar: "Die Daten sind alarmierend."
Er verweist auf die Waldbrände in Südeuropa und die deutliche Zunahme von Hitzetagen in Bayern. "Wer sich hier lustig macht, und das tut Aiwanger letztendlich, handelt verantwortungslos." Zudem spiele er Klimawandelleugnern in die Hände und suche damit den "Schulterschluss mit der AfD". Die habe derlei Erzählungen im Wahlprogramm stehen.
Hitzewellen in Deutschland führten 2022 zu 4.500 Hitzetoten
Klar ist: Die Hitzewellen von 2022 führten zu einer geschätzten Übersterblichkeit von etwa 4.500 Menschen hierzulande. Ludwig Hartmann, Chef der Grünen-Landtagsfraktion, geht hart mit Aiwanger ins Gericht.
"Die Klimakrise ist real und wir müssen jetzt handeln. Was uns jetzt nicht hilft, ist ein bayerischer Wirtschaftsminister, der von Panikmache redet und wegen ein paar Regenschauern die Klimakrise verharmlost", sagt er der AZ.
"Klimahysteriker": Hubert Aiwanger legt mit Kritik nach
Es werde Zeit, dass Aiwanger "die Fakten endlich richtig liest, und entschlossen gegen die Klimakrise vorgeht". Kathrin Flach Gomez, Landessprecherin der Linken, kritisiert in der AZ: "Aiwanger verharmlost den Klimawandel. Er sollte sich die Fakten anschauen."
Aiwanger nennt auf AZ-Anfrage die Kritiker "Klimahysteriker". Und weiter: "Wenn man bei kühlem Regenwetter sagt, dass es momentan kühl ist und regnet, drehen diese Herrschaften am Rad."