"Unterschied zwischen Wetter und Klima": Renommierter Klimaforscher entlarvt Aiwangers Aussagen

Bayerns Wirtschaftsminister Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sorgt mit einem Tweet zum Klimawandel für Wirbel. Klimaforscher und Politiker sind entsetzt.
Lisa Marie Albrecht
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Tobias Lill |
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Freie-Wähler Chef Hubert Aiwanger provozierte mit einem Tweet, in dem er den Klimawandel verharmlost.
Freie-Wähler Chef Hubert Aiwanger provozierte mit einem Tweet, in dem er den Klimawandel verharmlost. © picture alliance/dpa

Für Hubert Aiwanger ist die Sache klar. "Der im Frühjahr vorausgesagte/vermutete Hitzesommer in Deutschland ist bisher ausgeblieben. Die letzten Tage vermehrt trüb/Regen, nachts für Juli relativ kühl", schrieb er am Dienstag bei Twitter. Dann schlussfolgert er: "Systematisch an den Klimaherausforderungen arbeiten, aber keine Panik verbreiten!"

Gut 1,3 Millionen Nutzern des Kurznachrichtendiensts wurden die Aussagen des dem Populismus nicht abgeneigten Chefs der Freien Wähler bis Mittwochnachmittag ausgespielt.

Hitzesommer und Klimawandel: Warum Aiwangers Schlussfolgerung falsch ist

Also alles halb so wild mit dem Klimawandel? Wer mit Experten spricht, merkt schnell, dass Aiwangers Aussage schlicht falsch ist.

Denn obwohl gerade so manche Grillfeier wegen Regens abgesagt wird, ist, anders als vom bayerischen Wirtschaftsminister behauptet, der Hitzesommer hierzulande keineswegs ausgeblieben.

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Deutscher Wetterdienst: "Ungewöhnlich warmer Juni"

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) war der Juni "ungewöhnlich warm". Mit 18,4 Grad lag das Temperaturmittel bayernweit im Schnitt 3,5 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Nur 2019 wurden bislang mehr Sonnenstunden im Freistaat verzeichnet. Und bundesweit war der Juni viel zu trocken.

Lothar Bock vom DWD-Klimabüro München zufolge wird auch der Juli überdurchschnittlich warm. "Ich rechne damit, dass dieser in Bayern fast drei Grad wärmer wird als im Langzeitvergleich", sagt er der AZ. Die derzeitigen Regentage würden nichts daran ändern, dass der Niederschlag in diesem Monat geringer sei als üblich.

Klimaforscher Latif: "Es geht um den Unterschied zwischen Wetter und Klima"

Weltweit war der Juni sogar der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen – in Südeuropa wüten derzeit extreme Waldbrände. Dass der menschgemachte Klimawandel eine große Rolle für die zunehmenden Hitzewellen spielt, ist unter Experten unstrittig.

Der Hamburger Klimaforscher Mojib Latif zeigt sich im AZ-Gespräch entsetzt über Aiwangers Tweet. Es gehe schlicht und ergreifend um "den Unterschied zwischen Wetter und Klima", sagt er. Das eine sei kurzfristig, das andere langfristig. Keinesfalls könne man allein aufgrund von ein paar kühleren Tagen auf die langfristige Entwicklung des Klimas schließen. "Herr Aiwanger ist in keiner Weise Experte und hat nie im Bereich der Klimaforschung gearbeitet", sagt Latif und stellt klar: "Die Daten sind alarmierend."

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Er verweist auf die Waldbrände in Südeuropa und die deutliche Zunahme von Hitzetagen in Bayern. "Wer sich hier lustig macht, und das tut Aiwanger letztendlich, handelt verantwortungslos." Zudem spiele er Klimawandelleugnern in die Hände und suche damit den "Schulterschluss mit der AfD". Die habe derlei Erzählungen im Wahlprogramm stehen.

Hitzewellen in Deutschland führten 2022 zu 4.500 Hitzetoten

Klar ist: Die Hitzewellen von 2022 führten zu einer geschätzten Übersterblichkeit von etwa 4.500 Menschen hierzulande. Ludwig Hartmann, Chef der Grünen-Landtagsfraktion, geht hart mit Aiwanger ins Gericht.

"Die Klimakrise ist real und wir müssen jetzt handeln. Was uns jetzt nicht hilft, ist ein bayerischer Wirtschaftsminister, der von Panikmache redet und wegen ein paar Regenschauern die Klimakrise verharmlost", sagt er der AZ.

"Klimahysteriker": Hubert Aiwanger legt mit Kritik nach

Es werde Zeit, dass Aiwanger "die Fakten endlich richtig liest, und entschlossen gegen die Klimakrise vorgeht". Kathrin Flach Gomez, Landessprecherin der Linken, kritisiert in der AZ: "Aiwanger verharmlost den Klimawandel. Er sollte sich die Fakten anschauen."

Aiwanger nennt auf AZ-Anfrage die Kritiker "Klimahysteriker". Und weiter: "Wenn man bei kühlem Regenwetter sagt, dass es momentan kühl ist und regnet, drehen diese Herrschaften am Rad."

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77 Kommentare
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  • Himbeergselchts am 28.07.2023 11:51 Uhr / Bewertung:

    Jaja. Die Klimahysteriker. Im Landtag läßt sich gut der Kopf in den Sand stecken, was Waldsterben und flächige, kaum zu löschende Waldbrände, Dürre und Fluten betrifft.
    Wie schön, dass „bloß“ Griechenland, Italien, Spanien, die Türkei, Brandenburg, Kanada und Brasilien betroffen sind. Die sollen nicht so hysterisch sein, wenn das Land brennt. Ja Herr Aiwanger, der Nutzen von Bäumen ist überbewertet, gell?! Vielleicht erklärt uns der Herr Aiwanger den Klimawandel näher. Hat ja mit der Erörterung der Corona- Schutzverordnungen auch wunderbar geklappt, „wenn ein Kumpel am Tisch sitzt und es kommt ein anderer dazu, darf der eine Kumpel dem anderen Kumpel….“.

  • Bongo am 28.07.2023 16:38 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Himbeergselchts

    Warum gehen Sie nicht in diePolitik. Sie habenauch die Möglichkeit, eine Partei zu gründen und diese soweit in der Wählergunst nach oben zu hieven, daß Sie in Bayern mitregieren und alles besser machen können. Merke: Stänkern und Unsinn schreiben kann jeder!

  • Lump am 27.07.2023 15:56 Uhr / Bewertung:

    Da Juli war scho immer der Sommermonat. Und pünktlich zum Beginn der Sommerferien wirds kalt. Zumindest in den letzten 40 Jahren.

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