Peter Altmaier: „Die AfD hat sich selbst entlarvt“
Kanzleramtschef und Flüchtlings-Koordinator Peter Altmaier (CDU) spricht im AZ-Interview über den Höhenflug der Rechtspopulisten, das Asylpaket II und die Stimmung im Land
AZ: Herr Altmaier, was erwarten Sie von der Einigung auf das Asylpaket II?
Peter Altmaier: Ich erwarte, dass wir genauer wissen, wer sich in Deutschland aufhält, dass wir verhindern können, dass sich Asylbewerber mehrfach registrieren und Leistungen beziehen und dass die Verfahren schneller werden. Ich gehe davon aus, dass wir viele Verfahren innerhalb von vier Wochen zum Abschluss bringen können. In einigen Erstaufnahmeeinrichtungen, vor allem in Bayern, sind wir bereits bei 35 Tagen angelangt – wir können das noch einmal beschleunigen.
Europa gibt derzeit ein schlechtes Bild ab. Woher nimmt die Bundesregierung den Optimismus, doch noch an eine europäische Lösung zu glauben?
Europa hat in einem Bereich gut gearbeitet: Das sind die Gespräche mit der Türkei. Hier geht es um eine gemeinsame Migrationsagenda, die aus folgenden Punkten besteht: Arbeitserlaubnisse für syrische Flüchtlinge in der Türkei – das sind immerhin 2,5 Millionen Menschen –, das ist umgesetzt. Visaerfordernisse für syrische Flüchtlinge, die über Jordanien und den Libanon in die Türkei einreisen, um nach Europa weiterzureisen, das gilt seit dem 8. Januar. Als Europäer wollen wir zudem einen Beitrag von drei Milliarden Euro leisten, um Flüchtlinge in der Türkei angemessen zu versorgen. Gemeinsam gehen wir gegen Schlepper vor. Im Januar haben wir einen deutlichen Rückgang der Zahlen, mit täglich weniger als 2000 Menschen; im Oktober waren es viermal mehr. Das sind immer noch zu viele, die Zahlen müssen weiter deutlich zurückgehen.
Aber die Verteilung klappt nicht.
Europa hat da bisher keine gute Figur gemacht. Die Lasten haben im Wesentlichen Deutschland, Österreich und Schweden getragen. Wir werden auch hier darauf bestehen, dass Europa seine Solidaritätsverpflichtungen übernimmt und die Hotspots in Griechenland und Italien gebaut werden. Europa hat schon immer einige Zeit gebraucht, um in die Gänge zu kommen. Daher müssen wir den Druck verstärken.
Begibt sich Europa nicht in eine gefährliche Abhängigkeit gegenüber der Türkei?
Alle entwickelten Länder sind untereinander abhängig. Wir beziehen einen großen Teil unseres Gases aus Russland, wir beziehen einen großen Teil unserer Rohstoffe aus anderen Ländern in Afrika und Asien. In unseren Gesprächen mit der Türkei begeben wir uns in keine Abhängigkeit, sondern wollen eine Lösung, die auch im Interesse der Türkei liegt, da das Land derzeit die größte Last trägt. Hier besteht nun eine Chance, dass Deutschland und die Türkei gemeinsam zur Lösung des Problems beitragen.
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Sie wollen straffällige Flüchtlinge in Drittstaaten abschieben, von denen aus sie europäischen Boden erreicht haben. Wie soll das in der Praxis funktionieren?
Wir haben mit vielen Ländern Rückübernahmeabkommen. Mit der Türkei gilt ein solches Abkommen derzeit nicht für Drittstaatler, also Flüchtlinge, die über die Türkei nach Deutschland gekommen sind. Wir wollen alle Staaten in die Pflicht nehmen, die Menschen auch wieder zurücknehmen. Das ist wichtig, um den Schleppern das Handwerk zu legen.
Die Stimmung im Land hat sich gedreht. Wie geht Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dieser ablehnenden Haltung um?
Insbesondere nach den Vorkommnissen in Köln sind bei vielen die Sorgen größer geworden. Das nehmen wir in der Bundesregierung sehr ernst und arbeiten deshalb mit Hochdruck an der Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Zudem ertüchtigen wir unsere Sicherheitsbehörden auf allen Ebenen. Es darf in Deutschland keine rechtsfreien Räume geben. Hier geht es nicht nur um die Verschärfung von Gesetzen. Wir wollen auch den Stellenabbau bei den Sicherheitskräften aufhalten und neue Polizisten einstellen.
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Die rechtspopulistische AfD ist im Höhenflug. Was tun Sie dagegen?
Die AfD ist eine stumpfe Protestpartei, sie hat keine Antworten. Das wissen die Menschen. Deshalb bin ich überzeugt, dass deren Umfragewerte in sich zusammenfallen werden, sobald die Menschen erkennen, dass wir die Flüchtlingsherausforderung erfolgreich bewältigen.
AfD-Chefin Frauke Petry redet vom Waffeneinsatz an der Grenze gegen Flüchtlinge. Gleichzeitig nimmt die AfD in Umfragen zu. Wie sehr besorgt Sie das?
Dieser Vorschlag ist unmenschlich und abstrus. Kein vernünftiger Mensch kann akzeptieren, dass auf unbewaffnete Schutzsuchende oder gar Kinder geschossen wird. Im Übrigen würde das auch kein Soldat oder Polizist in der Bundesrepublik Deutschland tun. Die AfD hat sich mit diesem Vorschlag selbst entlarvt. Das wird man auch an den Umfragen sehen.