Nun doch Pro-Kiffen? Freie Wähler wollen Gras legalisieren – Hubert Aiwanger reagiert

München – Zusammen mit Markus Söder (CSU) gilt Bayerns Vize-Ministerpräsident als Gegner der Cannabis-Legalisierung. Mehrmals betonte Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler in Bayern und im Bund, dass die Freigabe von Cannabis "schnellstmöglich" gestoppt und spätestens zur Bundestagswahl 2025 wieder "einkassiert" werden müsse.
Wie er das umsetzen will, ist unklar, denn aus der Bundesvereinigung der Freien Wähler erklingen andere Töne. Wenn es um Gras geht, hat man dort ein völlig anderes politisches Verständnis als in Bayern: Die Bundespartei steht einer Legalisierung grundsätzlich offen gegenüber, bestätigt Generalsekretär Gregor Voht auf AZ-Anfrage.
"Drogenführerschein": Bundesvereinigung der Freien Wähler will "Suchtpolitik" modernisieren
Der Politiker aus Schleswig-Holstein könnte sich den Verkauf von Cannabis in zugelassenen Geschäften vorstellen. Allerdings unter der Bedingung, dass Konsumenten einen sogenannten "Drogenführerschein" vorlegen. Diesen Identitäts-und Sachkundenachweis solle man auch verlieren können, wenn man zum Beispiel Drogen an Minderjährige abgibt.
Vohts Ziel: die "Suchtpolitik zu modernisieren". Dabei dürfe auch über die Entkriminalisierung weiterer Drogen diskutiert werden. "Hilfe besteht eben nicht aus einer möglichst harten Bestrafung", sagt der Generalsekretär zur AZ. Stattdessen will Voht genau hinsehen: Wichtig sei, zwischen Konsumenten und Dealern zu unterscheiden.
Es käme darauf an, welche Substanzen die Menschen einnehmen und ob sie sich helfen lassen. "Okay" sei Drogenkonsum nicht, es sollen auch nicht alle Drogen legalisiert werden, doch wichtig ist Voht, dass man "primär nicht mit Strafen auf Suchterkrankungen reagiert, sondern mit Hilfsangeboten".
Streit bei den Freien Wählern? "Keine Zweifel daran, dass Hubert Aiwanger das mitträgt"
Laut der neuesten Forsa-Umfrage vom Dienstag stehen die Freien Wähler deutschlandweit aktuell bei drei Prozent. Sie wollen den Einzug in den Bundestag schaffen. Ob die gegensätzlichen Sichtweisen von Aiwanger und Voht dann in einen Streit um das Parteiprogramm münden könnten?
Voht hat eine klare Antwort: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass Aiwanger das mitträgt." Deshalb gebe es auch keinen Konflikt. Wenn sich Aiwanger gegen die Freigabe von Cannabis ausspricht, dann aufgrund der unzureichenden Pläne der Ampelregierung. "Das ist eine Zuspitzung in der Debatte", meint Voht. "Ein klares Sicherheitskonzept fehlt komplett." Der Eigenanbau und die hohen Freimengen würden nicht zu mehr, sondern zu weniger Kontrolle führen.
"Wir werden im Wahlkampf einen Bundesvorsitzenden erleben, der sich mit der bis dahin geschaffenen Realität der Ampel auseinandersetzt und sicher Verbesserungsvorschläge leisten wird." Grundsätzlich werde man die Freigabe von Cannabis weiter befürworten, wie sie bereits seit 2021 im Bundeswahlprogramm der Freien Wähler steht. "Das war damals eine Initiative der jungen Freien Wähler, die das auf dem Bundesparteitag eingebracht haben und eine Mehrheit dafür gefunden haben."
Kein Wort zur Haltung der Bundespartei: Aiwanger lässt Anfrage teilweise unbeantwortet
Eine Anfrage der AZ zur Haltung der Bundespartei lässt ihr Vorsitzender Aiwanger teilweise unbeantwortet: "Es muss alles getan werden, um den Konsum der gefährlichen Droge zu minimieren, vor allem auch durch frühzeitige Aufklärung und Strafverfolgung der Dealer." Die Vorgehensweise der Ampelregierung erleichtere den Zugang zur Droge und den Dealern ihr "schmutziges Geschäft". Zum Wahlprogramm der Bundespartei äußert sich Aiwanger nicht.

Von der Generalsekretärin der Freien Wählern in Bayern, Susann Enders, gibt es ähnliche Töne wie von Aiwanger zu hören. Auf AZ-Anfrage weist sie lediglich auf die gesundheitlichen Risiken von Cannabiskonsum, insbesondere für Jugendliche, hin. "Deshalb hätten wir uns eine kontrollierte Abgabe – etwa über Apotheken und beim Vorliegen entsprechender medizinischer Gründe – vorstellen können."
Debatte erreicht die Bayerische Staatsregierung: Markus Söder freut sich über Koalitionspartner in Bayern
Die widersprüchliche Position der Freien Wähler wird auch in der Bayerischen Staatsregierung wahrgenommen. Markus Söder sagte dazu am Donnerstag im AZ-Interview: "Ich freue mich übrigens, dass unser Koalitionspartner in Bayern unsere harte Linie mitträgt – denn auf Bundesebene fordern die Freien Wähler die Freigabe für Cannabis."
Auch im Internet wird die Debatte zwischen den Koalitionären offen ausgetragen. Die CSU wirft den Freien Wählern auf der Plattform X vor, den gleichen Kurs wie die Ampelregierung einzuschlagen. Aiwangers Partei schießt mit einem sechs Jahre alten Videointerview von Markus Söder zurück.
Deutscher Hanfverband: Freie Wähler und CSU spielen "Bullshit-Bingo"
Dem TV-Sender Welt sagte der Spitzenpolitiker damals in Bezug auf die Grünen: "Es gibt einen Punkt, wo sie positiv argumentieren: Das ist die Freigabe von Cannabis. Das ist das einzige, was ich auch nicht ablehne." Das soll allerdings ein Versprecher gewesen sein, stellte Söder vor knapp zwei Wochen bei Caren Miosga klar.

Was die Onlinedebatte dann überhaupt bezweckt? Für Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband ist sie "kompletter Blödsinn". Die Parteien in Bayern würden gerade "Bullshit-Bingo" spielen. Und das, obwohl beide Parteien laut Wurth im Freistaat eigentlich dasselbe Ziel verfolgen: Gras soll verboten bleiben.