Nato-Spitze ringt um Konsens zu Afghanistan

Die Frage um eine gerechte Lastenverteilung in Afghanistan sorgt in der Nato für Unruhe. Verteidigungsminister Jung hat einen Einsatz der Bundeswehr im Süden des Landes erneut ausgeschlossen.
von  Abendzeitung
Die Bundeswehr stellt ab Sommer eine Quick Reaction Force
Die Bundeswehr stellt ab Sommer eine Quick Reaction Force © dpa

Die Frage um eine gerechte Lastenverteilung in Afghanistan sorgt in der Nato für Unruhe. Verteidigungsminister Jung hat einen Einsatz der Bundeswehr im Süden des Landes erneut ausgeschlossen.

Der Streit in der Nato um eine gerechte Lastenverteilung beim Kampfeinsatz im Süden Afghanistan spitzt sich weiter zu. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) widersprach der Einschätung seines amerikanischen Amstkollegen Robert Gates, der kurz vor dem Nato-Gipfel in Vilnius (Litauen) vor einer Spaltung des Bündnisses gewarnt hatte. Auch Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer teilte die Einschätzung Gates' nicht.

Die «Washington Post» hatte berichtet, Gates fürchte eine zweigeteilte Allianz, in der es Partner gebe, die bereit seien für die Sicherheit anderer zu sterben, und solche, die diese Bereitschaft nicht hätten. Wenn dieser Zustand anhalte, würde dies einen Schatten auf die Zukunft der Allianz werfen. Die USA richten ihre Kritik auch an Deutschland. Jung hielt entgegen, dass die Nato «eine Gesamtverantwortung für Afghanistan» habe. Die regionale Aufteilung des Afghanistan-Einsatzes sei «klug». Sie weist den maximal 3500 deutschen Soldaten die Verantwortung für den vergleichsweise ruhigen Norden des Landes zu. Auch der Norden sei im vergangenen Jahr gefährlicher geworden. «Ich denke, dass wir unseren Beitrag in Afghanistan voll und ganz leisten», sagte Jung unter Hinweis auf den am Vortag mitgeteilten Einsatz einer deutschen Kampfeinheit im Norden. «Wir haben eine gemeinsame Verantwortung und die werden wir gemeinsam wahrnehmen», so Jung.

Führungswechsel in Südafghanistan

De Hoop Scheffer lobte ausdrücklich das Engagement der rund 3200 deutschen Soldaten. «Ich glaube, die Deutschen machen sehr gute Arbeit in Afghanistan», sagte er. «Ich bin Realist. Ich weiß, dass der Deutsche Bundestag enge Beschränkungen möchte.» Es sei dennoch wichtig, dass die Nato in Afghanistan möglichst flexibel operiere. Der Kommandeur der Nato-geführten Internationalen Schutztruppe in Afghanistan (Isaf), Dan McNeill, schlug vor, über einen Führungswechsel in Südafghanistan nachzudenken. Es gebe inoffizielle Vorschläge, die Leitung der Mission im umkämpften Süden Afghanistans eigenverantwortlich zu übernehmen, sagte der General laut «Washington Post». Hintergrund seien unter anderem die eingeschränkte Einsatzbereitschaft einiger Nato-Partner und unzureichende Kapazitäten.

Größeres Engagement nicht gewollt

Mit der jetzt beschlossenen Entsendung eines Kampfverbandes nach Afghanistan stößt die Bundeswehr nach Ansicht des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Fähigkeiten. Forderungen aus den Reihen der Nato, den Bundeswehr-Einsatz auf den Süden Afghanistans auszudehnen, erteilte der SPD-Politiker in der «Neuen Presse» eine Absage. «Weder im Bundestag noch bei der deutschen Bevölkerung ist eine Mehrheit gewillt, ein größeres Engagement zu übernehmen», sagte Robbe. Deutschland stelle eine der stärksten Armeen in der Nato, könne aber nicht «alle Probleme dieser Welt lösen». In Afghanistan forderten die Partner beispielsweise mehr Transporthubschrauber an. «Das sind Fähigkeiten, die uns selbst schon jetzt fehlen.» Robbe wies erneut auf Mängel bei der Ausrüstung der Truppe hin. Er habe solche Defizite bei seinen Truppen immer wieder festgestellt, wolle aber keine Details nennen, «weil dies die Sicherheit der Soldaten noch zusätzlich gefährden würde». Noch immer fehlten etwa für Bundeswehr-Fahrzeuge Schutzsysteme gegen Sprengfallen. «Hier besteht dringender Handlungsbedarf.»

Auch Litauen fordert mehr Truppen

Nach den USA, Großbritannien und Kanada fordert auch Litauen mehr Nato-Truppen für Südafghanistan. Vor dem Nato-Verteidigungsministertreffen in Vilnius erklärte der gastgebende litauische Ressortchef Juozas Olekas am Donnerstagmorgen: «Ich hoffe, dass uns im Süden mehr Länder unterstützen werden.» Litauen hat im besonders umkämpften Süden Afghanistans Spezialkräfte im Einsatz. Zu der am Mittwoch von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung angekündigten Entsendung einer 200 Mann starken Kampftruppe in den Norden Afghanistans sagte Olekas: «Soldaten werden im Süden, im Zentrum, im Westen und auch im Norden gebraucht - es gibt keine vollkommen stabile Region in Afghanistan. Aber natürlich ist der Süden der gefährlichste Teil.» (nz)

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