Merz in der Merkel-Falle? Warum der Israel-Waffenstopp die Union jetzt spaltet

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Eigentlich wäre der Vergleich mit Angela Merkel schon schwer genug für Friedrich Merz. Aber dann ist es ausgerechnet die Flüchtlingspolitik. Merz, so der Vorwurf aus Kreisen der Union, agiere wie Merkel nach 2015.
Den Vergleich muss sich der Kanzler gerade aus zwei Gründen anhören. Erstens, weil er die Entscheidung, Israel vorerst keine Waffen mehr für den Krieg in Gaza liefern zu wollen, weitgehend allein getroffen habe. So sieht es zumindest die CSU, die nach eigenen Angaben nicht eingeweiht war – ein bisschen also wie 2015.
Und zweitens, weil die Stimmung im eigenen Lager – und vor allem das Verhältnis zur Schwesterpartei CSU – nach dieser einsamen Entscheidung angespannt ist wie lange nicht.
Israel-Waffenstopp: Nach Richterwahl steckt Merz erneut in der Zwickmühle
Also ist Merz um Schadensbegrenzung bemüht. "Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber es ist dann am Ende des Tages eine Entscheidung, die ich allein verantworten muss. Und ich verantworte sie auch allein", sagte Merz am Sonntagabend in den Tagesthemen.
Am Montag dann legte der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer nach: "Gehen Sie davon aus, dass rund um dieses Thema ein enger Austausch war." Gut und vertrauensvoll habe man sich beraten, sagte Meyer.
Frei übersetzt heißt das so viel wie: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Nur ist es selten ein gutes Zeichen, wenn man in einer Pressekonferenz gleich doppelt nach dem Stand der Koalition gefragt wird – einmal im Verhältnis zur SPD (Thema Richterwahl) und dann noch zur Zusammenarbeit mit der CSU (Thema Israel).
Das Sechs-Punkte-Papier des Kanzlers
Etwas interessanter als die "Alles gut"-Kommunikation nach außen ist da schon die nach innen. Mit einem Sechs-Punkte-Papier, das der AZ vorliegt, hat sich der Kanzler an den CDU-Bundesvorstand gewandt. Besonders interessant ist darin der fünfte Punkt. Er trägt den Titel "Was hat der Bundeskanzler angekündigt?"
Dort heißt es beispielsweise: "Schon bisher sind Waffen und Munition, die im Gazastreifen genutzt werden, an Israel nicht geliefert worden." Die Formulierung legt nahe, dass Merz mit seinem Statement von Freitag lediglich den Status quo beschrieben habe.
Tatsächlich hat die Bundesregierung in den vergangenen Monaten deutlich weniger Rüstungsgüter an Israel geliefert als noch im Jahr zuvor. Und das, obwohl Merz noch im Januar als Oppositionsführer versprochen hatte, "das faktische Exportembargo der amtierenden Bundesregierung umgehend zu beenden".
Ist der Vorschlag von Merz nur Symbolpolitik?
Ob der Bundeskanzler mit seinem Vorstoß von Freitag also nur Symbolpolitik betrieben hat, wenn doch ohnehin nicht geliefert wurde? Dazu wollte sich ein Regierungssprecher am Montag nicht äußern. Das Papier ist aber auch insofern interessant, als dass die Bundesregierung darin konkreter wird als zuvor.
Nämlich in der Frage, welche Rüstungsgüter der Exportstopp eigentlich umfasst. "Es gibt Einsatzbereiche, die diese Formulierung nicht abdecken", heißt es da. Und weiter: "Das gilt etwa für Rüstungsgüter der Luft- und Seeverteidigung, die zentral für die Selbstverteidigung Israels sind."
Es kann demzufolge also weiter geliefert werden. Fraglich bleibt, ob sich klar unterscheiden lässt, welche Systeme der Verteidigung dienen – und welche auch in Gaza zum Einsatz kommen könnten. Und noch einen Punkt betont die Bundesregierung in dem Papier ausdrücklich: "Die heute formulierte Linie wird im Lichte der Entwicklungen im Gazastreifen laufend überprüft."
So lässt sich der CDU-Chef eine Hintertür offen
Das zumindest lässt dem Kanzler eine Hintertür offen, um gesichtswahrend seinen Kurs doch noch zu ändern. Dann nämlich, wenn die israelische Regierung zumindest ein Stück weit abrücken würde von ihrem Plan, Gaza vollständig einzunehmen. Die Bundesregierung könnte dann argumentieren: "Die Lage hat sich geändert, wir exportieren wieder Rüstungsgüter."
Die Reaktionen auf die Kommunikationsoffensive des Kanzlers am Montag waren gemischt. Unions-Fraktionschef Jens Spahn, der lange geschwiegen hatte, sprang Merz bei. Auf Instagram sprach er von einer "vertretbaren Entscheidung". Gleichzeitig wagte sich aber mit Boris Rhein der erste CDU-Ministerpräsident aus der Deckung – und kritisierte den Kanzler.
Im Namen der hessischen CDU schrieb er, auch auf Instagram: "Die Sicherheit Israels ist und bleibt deutsche Staatsräson. Wir unterstützen deshalb das Recht Israels, der einzigen Demokratie in der Region, auf Selbstverteidigung gegen den Terror." Und weiter: "Dafür gehört für mich auch sehr klar, Israel militärisch zu unterstützen."