Merkel zu Kurzbesuch in Kiew eingetroffen
Kiew - Merkel will sich außerdem mit Bürgermeistern mehrerer Städte austauschen. Es ist ihre ersten Reise in die Ukraine seit dem Beginn der Krise mit Russland.
Die Reise soll angesichts der Konfrontation mit Russland ein Zeichen der Unterstützung für die Regierung in Kiew sein. Deutschland bemüht sich mit anderen westlichen Staaten um einen Waffenstillstand in der Ostukraine. Dort gibt es Gefechte mit prorussischen Separatisten.
Am Freitag war unter scharfem internationalen Protest der russische Hilfskonvoi ohne Erlaubnis über die Grenze in die Ostukraine gerollt. Nach langem Streit wollte der Kreml nicht länger auf das Einverständnis des Roten Kreuzes und der Regierung in Kiew warten. Am Abend erreichten alle 280 Lastwagen die Separatistenhochburg Lugansk, wie ein Sprecher der Stadtverwaltung laut Interfax sagte.
Der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko geißelte dies als eine "direkte Invasion". Poroschenko warf Russland einen Bruch des Völkerrechts vor. Die EU-Kommission bescheinigte Moskau eine "klare Verletzung der ukrainischen Grenze". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "tief besorgt".
Bei Merkel und US-Präsident Barack Obama stieß das Vorgehen Moskaus auf "Unverständnis". Wie Regierungssprecher Steffen Seibert weiter mitteilte, waren sich beide in einem Telefonat am Freitagabend einig, dass der Kreml damit die Verantwortung für eine weitere Verschärfung der Situation trägt. Die Kanzlerin drückte demnach die Erwartung aus, dass sich die russische Regierung zumindest insofern an die getroffenen Absprachen hält, als dass der Konvoi unmittelbar nach der Entladung die Ukraine wieder verlässt.
Wie das US-Präsidialamt zu dem Telefonat mitteilte, sahen es beide Politiker zudem als zwingend an, dass Russland zur Entschärfung der Krise seine Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine sowie Waffen, Fahrzeuge und Personal aus dem Nachbarland abziehen muss.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußerte die Hoffnung, dass der Konvoi unbehelligt bleibt. Würden die Lastwagen beschossen, könne die gesamte Situation eskalieren, sagte Steinmeier in Potsdam beim Sommerfest der Brandenburger SPD.
Vor ihrer Abreise sagte Merkel der Chemnitzer "Freien Presse" (Samstag), der Konflikt müsse friedlich gelöst werden. "Eine rein militärische Lösung wird es nicht geben." Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte der "Welt am Sonntag", Ziel der deutschen Bemühungen sei es, "eine unmittelbare militärische Konfrontation zwischen der Ukraine und Russland unter allen Umständen zu verhindern".
Hinter verschlossenen Türen beriet in New York der UN-Sicherheitsrat über den Hilfskonvoi, allerdings ohne eine Einigung zu erzielen. Mehrere Staaten forderten Moskau auf, die Lastwagen zurückzurufen. Russland wiederum beteuerte, dass es sich nur um Hilfslieferungen handele.
Linksparteichef Bernd Riexinger forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, bei ihrem Besuch auf eine "demilitarisierte Zone" zu dringen. "In der Ostukraine sterben ukrainische Zivilisten durch die Hand der ukrainischen Armee. Das darf nicht akzeptiert werden", sagte er der "Rheinischen Post" (Samstag). Eine weitere Eskalation des Konflikts wäre in seinen Augen auch für Deutschland "brandgefährlich". Merkel müsse auf eine bedingungslose Waffenruhe pochen.
Aus Sicht der Grünen muss Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Ukraine viel verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Es bestehe der Eindruck, dass Deutschland gegenüber Moskau zu viel Verständnis zeige und gegenüber Kiew eher zurückhaltend und weniger sensibel sei, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms, der Deutschen Presse-Agentur.
Auch hätten die Ukrainer das Gefühl, Berlin sei immer erst dann zu eindeutigen Reaktionen bereit, wenn eine nächste Eskalationsstufe erreicht sei und es neue Provokationen durch Moskau gegeben habe. "Merkel muss unheimlich viel zurechtrücken", sagte Harms, die selbst mehrfach in die Krisenregion gereist war.