Merkel gegen Schulz: Der Kampf ums Kanzleramt

Während von SPD-Mann Martin Schulz mehr Inhalte gefordert werden, wünschen sich in der CDU immer mehr Stimmen eine Kampfansage von Angela Merkel.
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Duell um die Kanzlerschaft: Martin Schulz (SPD) und Angela Merkel (CDU).
Olivier Hoslet/EPA/dpa Duell um die Kanzlerschaft: Martin Schulz (SPD) und Angela Merkel (CDU).

Die Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD bereiten sich auf's Wahljahr vor. Die AZ vergleich den aktuellen Stand und ihr weiteres Vorgehen.

Schulz, der Unkonkrete

Sozialer und gerechter soll Deutschland werden, verspricht der neue SPD-Chef. Bloß wie?
Auch am Tag nach der historischen 100-Prozent-Wahl von „Mega-Martin“ ist die SPD noch wie im Rausch. „Martin Schulz wird Kanzler“, sagt Sigmar Gabriel nach der Krönungsmesse seines Freundes. Doch mit welchen Themen? Die Forderungen an Schulz nach mehr, konkreteren Inhalten werden immer lauter. So beklagt Linken-Chefin Katja Kipping die vielen „Leerstellen“ in der Rede des neuen SPD-Chefs.

Eins ist klar: Schulz will mit mehr sozialer Gerechtigkeit Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Kanzleramt kegeln. Viele Details hat er aber tatsächlich noch nicht genannt. Die Agenda 2010 will er reformieren, für mehr Lohngerechtigkeit will er sich starkmachen. Und Bildung soll kostenfrei werden – von der Kita bis zum Studium. Doch wie stellt sich Schulz das vor? Und wie soll das finanziert werden? Ein Fakten-Check:

  1. Agenda 2010: Hier hat Schulz insbesondere eine Reform des Arbeitslosengeldes im Blick. Konkret will der neue SPD-Chef den Bezug von Arbeitslosengeld I auf maximal 48 Monate verlängern. Arbeitslose, die sich weiterqualifizieren, sollen so vor einem Antrag auf Sozialhilfe nach Hartz IV geschützt werden. Das sogenannte Arbeitslosengeld Q soll in seiner Höhe dem Arbeitslosengeld I entsprechen.
    Derzeit würde laut Bundesagentur für Arbeit 417 000 Menschen davon profitieren. Die Sozialdemokraten veranschlagen dafür Mehrkosten von einer Milliarde Euro. Doch Arbeitgeber und Wirtschaftswissenschaftler rechnen mit deutlich mehr. „Die Kosten würden explodieren“, sagt Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, der „Bild“. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände beziffert die Mehrkosten auf bis zu 17 Milliarden Euro.
  2. Kostenfreie Bildung: „Wir wollen, dass Bildung gebührenfrei wird – von der Kita bis zum Studium“, sagte Schulz in seiner Rede. Allerdings: Aktuell gibt es in keinem Bundesland mehr allgemeine Studiengebühren. Und öffentliche Schulen sind ohnehin gratis.
    Bleiben also die Elternbeiträge für Kindergärten und Kitas. Eine Beitragsfreiheit würde Eltern im Schnitt um bis zu 1900 Euro pro Jahr entlasten, rechnet die SPD vor. Was das insgesamt kosten und wie das finanziert werden soll, verrät die Partei nicht. Selbiges gilt für Meisterlehrgänge, die laut Schulz ebenfalls kostenfrei werden sollen. Auch hier gibt’s bislang keine Zahlen.
  3. Mehr Lohngerechtigkeit: Auch dafür macht sich der neue SPD-Boss stark. Und tatsächlich haben Frauen im vergangenen Jahr im Schnitt 21 Prozent weniger pro Stunde verdient als Männer. Aber: Drei Viertel der Gehaltslücke lassen sich damit begründen, dass Frauen öfter in Teilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung arbeiten. Rechnet man diese Tatsachen heraus, bleibt eine Lohnlücke von sieben Prozent. Hier könnte Schulz tatsächlich ansetzen.
    Man darf also gespannt auf den Juni blicken, wenn die SPD ihr Wahlprogramm vorlegen wird – und Schulz konkret werden muss.

Merkel, die Passive

Hinter vorgehaltener Hand wächst in der CDU die Kritik an ihrem zurückhaltenden Stil.

Die Kanzlerin gibt sich cool. Der Schulz-Hype mache sie nicht nervös: „Wettbewerb belebt das Geschäft“, sagte die CDU-Chefin vor wenigen Tagen nüchtern. Zudem sei immer klar gewesen, dass die SPD bei ihren „sehr mäßigen“ Umfragewerten noch Luft nach oben habe.

Doch ob sie auch nach dieser Schulz-Show vom Wochenende noch gelassen bleiben kann? Geäußert hat sich Merkel zu der 100-Prozent-Wahl ihres Konkurrenten um das Kanzleramt nicht.

Doch viele in ihrer Partei warten auf ein Signal, auf eine Kampfansage, wie sie Schulz am Sonntag geäußert hat. „Ich glaube, dass dieses Ergebnis der Auftakt zur Eroberung des Kanzleramtes ist“, hatte der neue SPD-Boss selbstbewusst gesagt. Solche Töne hört man von der Amtsinhaberin bislang nicht. Und nicht wenige, auch in der CDU-Spitze, fragen sich, ob Merkel die Schulz-Welle bis zur Bundestagswahl am 24. September brechen kann.

So wächst bei vielen Christdemokraten hinter vorgehaltener Hand die Kritik an der bislang passiven Merkel und dem scheinbar konzeptlosen CDU-Generalsekretär Peter Tauber. „Wir müssen aufpassen, dass es bei der SPD keine sich selbst erfüllende Prophezeiung gibt und sich der Trend für Schulz verfestigt“, heißt es im Parteivorstand, dem engeren Führungszirkel um Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Wie nervös man in der Union angesichts des Schulz-Hypes wirklich ist, lässt ein Blick nach Brüssel und Straßburg erahnen. Dort sammeln CDU-Europa-Abgeordnete seit dem Ausscheiden Schulz’ als EU-Parlamentspräsident fleißig Material gegen ihren politischen Gegner – bislang aber ohne wirklich etwas Handfestes und Belastendes gefunden zu haben.

Auch die regelmäßigen Sticheleien gegen Schulz zeigen, dass die Union die SPD inzwischen als ernsthaften Gegner für die Bundestagswahl im September betrachtet.

Erst gestern warf Unionsfraktionschef Volker Kauder dem SPD-Kanzlerkandidaten vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. „Er denkt nur an Wahlkampf. Sein Verhalten grenzt an Arbeitsverweigerung“, sagte der CDU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“. Hintergrund ist eine Ankündigung Schulz’, der nächsten Koalitionsrunde am 29. März wegen eines SPD-Fraktionsfestes fernzubleiben. Schulz’ Vorgehen zeige, „dass er keine Verantwortung übernehmen will“. Man müsse sich fragen, „ob die SPD wirklich bereit ist, sich an der Bewältigung der Aufgaben zu beteiligen“, so Kauder.

Allerdings: Eine richtige Schmutzkampagne gegen den SPD-Chef wird in der CDU-Parteizentrale nicht erwogen. Grund: Ein Frontalangriff könnte die Wähler erst recht zur SPD treiben. Generalsekretär Tauber sagt: „Wir können hart in der Sache streiten, aber wir werden Herrn Schulz nicht persönlich angreifen.“

Lesen Sie auch: AZ-Kommentar - Bundestagswahlkampf: Es wird eng

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