Maas: Justizminister unter Beschuss

Nach der Entlassung des Generalbundesanwalts steht Heiko Maas (SPD) noch heftiger in der Kritik. Eine Analyse von AZ-Korrespondent Rudi Wais aus Berlin.
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Berlin - Seinen Urlaub hat er sich anders vorgestellt – und das Echo auf seine Entscheidung vermutlich auch. Am Tag nach dem vorläufigen Höhepunkt der Blogger-Affäre, der Entlassung von Generalbundesanwalt Harald Range, steht Justizminister Heiko Maas genau dort, wo er partout nicht stehen wollte: im Feuer. Überzogen und falsch, tobt der Justiziar der Union, Hans Peter Uhl, habe der SPD-Mann gehandelt.

„Range als Bauernopfer reicht nicht“, warnt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. „Jetzt muss alles auf den Tisch.“ Seine Parteivorsitzende Simone Peter nimmt gar ein Wort in den Mund, das auch im politischen Berlin mit seinen täglichen Aufgeregtheiten, Empfindlichkeiten und Übertreibungen selten fällt: Staatsaffäre.

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Musste Range ein nicht opportunes Gutachten zurückziehen?

Nicht einmal eine Woche nach den ersten Berichten über ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei Redakteure eines Internetportals ist ein vermeintlicher Angriff auf die Pressefreiheit in ein Verteidigungsgefecht eines Bundesministers umgeschlagen.

Eines Ministers, das nur nebenbei, der es mit der politischen Korrektheit bislang eher über- als untertrieben hat und nun plötzlich im Verdacht steht, die Ermittlungen eines Staatsanwaltes abzuwürgen. Maas ist jedenfalls lange genug in der Politik, um am Dienstagmorgen zu wissen, dass am Ende dieses Tages nur noch einer im Amt sein würde: Range oder er.

Die Kritik des Generalbundesanwalts, der Minister habe sich „unerträglich“ in seine Arbeit eingemischt und die Unabhängigkeit der Justiz missachtet, ist eine Kampfansage. Ob das Justizministerium Range nun angewiesen hat, ein politisch nicht opportunes Gutachten zurückzuziehen, oder ob diese Entscheidung tatsächlich im Einvernehmen zwischen Karlsruhe und Berlin getroffen wurde, spielt da schon fast keine Rolle mehr. Maas, so sieht er es, muss handeln, um Herr des Verfahrens zu bleiben.

Bei seiner Entscheidung, Range in den Ruhestand zu versetzen, geht es ihm dem Vernehmen nach nicht um das Verfahren selbst, sondern alleine um den Auftritt des Bundesanwaltes vor der Karlsruher Justizpresse.

Kein Justizminister lässt sich gerne vorwerfen, er habe in laufende Ermittlungen eingegriffen – zumal mehrere Beamte von Maas offenbar noch versucht haben, Harald Range zu bremsen, nachdem sie von der geplanten Pressekonferenz erfahren haben.

Der Generalbundesanwalt aber ist da schon nicht mehr zu sprechen oder will mit niemandem mehr aus dem Ministerium reden. Wenig später zieht der 67-jährige ein Blatt aus der Innentasche seines Sakkos und beginnt vor laufenden Kameras vorzutragen: „Zur Wahrung und Sicherung der Objektivität der Ermittlungen habe ich ...“

Es sind Sätze, die Maas wie Schläge treffen und die doch sehr lange unkommentiert bleiben. Einen ganzen Tag braucht das Justizministerium, um den Rauswurf Ranges zu organisieren, den schon längst als Nachfolger auserkorenen Münchner Generalstaatsanwalt Peter Frank zu kontaktieren und eine Sprachregelung zu finden, die weniger Fragen aufwirft als sie beantwortet.

"Es hat keine Weisung gegeben"

„Es hat keine Weisung gegeben“, wird ein Sprecher des Ministeriums später versichern. Maas habe Range lediglich seine „Bedenken“ mitgeteilt, die er wegen der Ermittlungen wegen Landesverrates habe. Soll heißen: Da hat jemand die persönliche Einschätzung des Ministers als Befehl missverstanden oder missverstehen wollen.

Range allerdings hat zuvor explizit von einer „Weisung“ gesprochen, das Gutachten zurückzuziehen, der er auch „Folge geleistet“ habe. Warum er sich diese Weisung nicht schriftlich geben ließ, um sich abzusichern, ist eine der vielen noch offenen Fragen in diesem Fall. Erschwerend hinzu kommt, dass Maas und der Generalbundesanwalt seit Tagen nicht mehr miteinander geredet haben, sondern nur über Dritte.

Er telefoniert mit Merkel – von Urlauber zu Urlauberin

Obwohl der Justizminister am Freitag vergangener Woche so klingt, als habe er Range persönlich über seine Zweifel unterrichtet („Ich habe heute“), sind es in Wirklichkeit seine Staatssekretärin Stefanie Hubig und ein Abteilungsleiter, die den Kontakt nach Karlsruhe halten. Angeblich will Maas auch nur den Anschein einer Einflussnahme verhindern.

Range aber hat genau den gegenteiligen Eindruck – und entschließt sich spontan zur Vorwärtsverteidigung. Ein paar Stunden später telefoniert Maas dann bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, von Urlauber zu Urlauberin sozusagen, um sich den Segen der Kanzlerin für seine Entscheidung zu holen.

Fürs erste hat der Mann sich damit durchgesetzt, den bei der Besetzung der Ministerposten zunächst niemand auf der Rechnung hatte. Der 48-jährige galt zwar lange als vielversprechendes Talent in der SPD, lief irgendwann aber dann doch Gefahr, im Saarland zu versauern, je nach Wahlergebnis mal als Oppositionsführer, mal als Landesminister unter einer CDU-Frau.

Als Parteichef Sigmar Gabriel ihm nach der Wahl das Amt des Justizministers anbot, musste der Sohn eines Soldaten deshalb nicht lange überlegen. Ob er die Chance genutzt hat, hängt vor allem vom Standpunkt des Betrachters ab. Für seine Fans ist er so etwas wie das linke Gewissen der Regierung, der Mann, der sich der Pegida-Bewegung entschlossener als andere in den Weg stellt, der die Mietpreisbremse eingeführt hat und nach den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt in Paris demonstrativ eine Moschee besuchte.

Strafvereitelung im Amt?

Seine Kritiker dagegen finden, er hätte lieber in eine Synagoge gehen sollen, schließlich waren unter den Opfern der Islamisten vier Juden. Noch mehr allerdings stört sie die Volte, die Maas im Streit um die Vorratsdatenspeicherung vollzogen hat. Erst dagegen, dann dafür: Der Vorwurf, er mache sich mit seinem Gesetzentwurf zum Büttel von CDU und CSU, war im Frühjahr noch einer der freundlicheren. Nicht einmal Gabriel dankte ihm seinen Einsatz.

Bei der Pressekonferenz, bei der er das Ergebnis der parteiinternen Abstimmung verkündete, ließ er den Justizminister wie einen Lakaien stehen. Dabei war der es, der für den Kompromiss mit der Union geworben hatte. Verglichen mit dem Kampf, den Maas nun zu bestehen hat, ist der Streit um die Vorratsdatenspeicherung allerdings nur eine lockere Aufwärmübung. Bei der Berliner Staatsanwaltschaft liegen bereits mehrere Anzeigen gegen Beamte seines Ministeriums.

Der Vorwurf, um den es geht, ist durchaus brisant: Strafvereitelung im Amt.

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