Landtagswahl: Krönungsmesse für Horst I.

Horst Seehofer hat es geschafft: Er holt die absolute Mehrheit für seine CSU zurück. Im Triumph mahnt Bayerns Ministerpräsident die Partei zur Bescheidenheit. Wie haltbar ist seine Autorität?
Angela Böhm |
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Horst Seehofer umarmt nach dem Wahlsieg seine Frau Karin
dpa Horst Seehofer umarmt nach dem Wahlsieg seine Frau Karin

München - Jetzt ist seine schöne kleine Welt endlich komplett. Mit einer Modelleisenbahn baut Horst Seehofer im Keller seines Ferienhauses in Schamhaupten sein politisches Leben nach – nach Rückschlägen bastelt er schon mal einen Tiefbahnhof dazu. Jetzt kann er einen majestätischen Hauptbahnhof aufstellen, verziert mit weiß-blauen Rauten und vergoldeten Säulen, auf denen wie in der Walhalla die Büsten der Ruhmreichen in einer Reihe stehen: Napoleon, Franz Josef Strauß und er, König Horst. Mission erfüllt.

Nach fünf Jahren in der Koalition regiert die CSU den Freistaat wieder alleine. Der Bub aus Ingolstadt, der aufpassen musste, dass sein Vater, ein Lastwagenfahrer, die Lohntüte nicht verprasst, der kein Abitur und kein Hochschulstudium hat, wollte immer nach ganz oben. Nun geht er in die Geschichte ein – zumindest in die Annalen der Christsozialen.

An seinem Mythos hat er schwer gearbeitet, einen Dreiklang zwischen dem französischen Kaiser, dem Urvater der CSU und sich selbst in den Bierzeltreden hergestellt. Napoleon, der Bayern zum Königreich machte. Franz Josef Strauß, der den Freistaat vom Agrar- zum Wirtschaftsstandort entwickelte. Horst Seehofer, der den Bayern das Mia-san-Mia-Gefühl zurückgab. Den Stolz, den ihnen Edmund Stoiber einst genommen hatte.

Am Sonntagmorgen, als er um neun in seinem Wahllokal in Gerolfing seine Stimme abgibt, steht ihm die Anspannung noch ins Gesicht geschrieben. Schmal presst er seine Lippen zusammen. Nicht einmal seinem Bauchgefühl will er an seinem Schicksalstag trauen. Ehefrau Karin hat Schweinsbraten und Kartoffelknödel gekocht. Zu dritt sitzen sie mit Tochter Susanne (21) am Tisch. „Er war sehr angespannt“, erzählt seine Frau Karin der AZ.

Erst am Nachmittag atmet er durch. „Als gegen 15 Uhr eine SMS seiner Mitarbeiter kommt“, sagt die First Lady. Sie schicken die ersten Trendmeldungen durch, die nur die Spitzen der Parteien erhalten. Die CSU hat die absolute Mehrheit. Seehofer fällt ein Stein vom Herzen.

Gemeinsam mit Tochter Susanne fahren die Seehofers nach München in die Staatskanzlei. Dort kommt Sohn Alexander (25) dazu. Mit den engsten Mitarbeitern warten sie in der Regierungszentrale auf die 18-Uhr-Prognose. Die verspricht 49 Prozent für die CSU! Seehofer und seine Frau fallen sich um den Hals. Mit ihren Kindern liegen sie sich in den Armen. Karin Seehofer: „Es war wie eine Erlösung, ein sehr emotionaler Moment.“

Mit einem Glas Sekt stoßen sie auf den Sieg an. „Ich vergönn’s ihm, dass er dass erreicht hat“, sagt Karin Seehofer mit bewegter Stimme. „Ich freu' mich für ihn. Er hat so hart daran gearbeitet.“ Seehofers Sprecher, Jürgen Fischer, erzählt für die Öffentlichkeit eine eigene Version: „Ganz entspannt“ habe Seehofer die Prognose zur Kenntnis genommen. Er habe keine „Euphorie spüren lassen“. Und: „Sekt gab's keinen!“ „Demut“ hat Seehofer als Parole für den Abend ausgegeben.

Als er eine halbe Stunde später mit „Horst, Horst“-Rufen im roten Konferenzsaal der CSU im Landtag einzieht, zeigt er für ein paar Sekunden seine Freude. Er streckt seine Arme weit auseinander, spreizt seine Finger, wackelt kurz mit Händen und Knien, als imitiere er Elvis Presley und lächelt erschöpft. Als könne er es immer noch nicht so richtig glauben. „Damit ist das Jahr 2008 Geschichte“, verkündet er wie ein Messias seinen Anhängern das Comeback der CSU. „Wir sind wieder da. Jede zweite Bayerin und Bayer hat uns gewählt. Die CSU lebt als Volkspartei.“

Er dankt seinen Wählern, dass sie sich nicht „irre machen haben lassen“. Er verkündete eine neue Koalition, nachdem er die FDP erfolgreich abgeschüttelt hat: „Mein entscheidender Koalitionspartner ist die Bevölkerung. Und das bleibt auch so.“ Am CSU-Buffet steht ein Korb mit gelben Birnen und Bananen. Da können die CSUler die gelben Früchtchen gleich vernaschen. Seehofer macht für die Fotografen den Triumphator: Mal ballt er beide Fäuste in die Höhe. Mal streckt er den Zeigefinger. Doch seinen innersten Jubel will er nicht zeigen. „Im Erfolg muss man bescheiden bleiben“, mahnt er. „Bitte, bleibt auf dem Teppich.“

Alfred Sauter, Ex-Justizminister und einer der wenigen Freunde Seehofers, sieht kein Problem: „Wir waren fünf Jahre im Fegefeuer. Da wird man nicht so schnell wieder übermütig.“ Auch die Verlierer von 2008 sind gekommen. „Ich strahle“, sagt Erwin Huber, als Seehofer mit minutenlangem Applaus gefeiert wird. „Das ist das Ergebnis seines guten, taktischen, strategischen Geschicks“, erkennt er neidlos an. Vor fünf Jahren stand er hier im Landtag und musste als CSU-Chef den historischen Absturz erklären – gemeinsam mit Günther Beckstein. „Seehofer hat's geschafft, die Partei hinter sich zu versammeln. Er hatte aber auch fünf Jahre Zeit, ich dagegen nur zwölf Monate“, sagt der Ex-und Kurzzeit-Ministerpräsidident leicht verbittert. Sein Nachfolger hatte einfach mehr Glück.

Um eine Vision für Bayern hat er sich erst gar nicht bemüht. Seine Ernte waren die Früchte, die andere gesät haben. Eine neue Saat ausgebracht hat er nicht. Seehofers Plan war nicht Visionär, sondern: Landesvater, Kümmerer, Präsident – die bayerische Dreifaltigkeit. Seine Jubler haben sich an diesem Abend schon um ihn versammelt, um ihrem Herrn den roten Teppich auszulegen. Kronprinzessin Ilse Aigner busselt alle ab: „Den weit überwiegenden Teil hat der Horst gestemmt.“ Ihr Konkurrent Markus Söder wird mit seinen Lobpreisungen aus Nürnberg zugeschaltet. Innenminister Joachim Herrmann lobt: „Eine starke Leistung des Ministerpräsidenten.“

Sozialministerin Christine Haderthauer: „Horst Seehofer ist der Architekt dieses Sieges.“ Und dem will sie gleich eine Vertragsverlängerung geben – auch im eigenen Interesse, weil sie derzeit im Rennen um die Nachfolge abgeschlagen ist. „Horst Seehofer muss die ganze Legislaturperiode regieren – plus X“, fordert die Ingolstädterin. Seinen Sieg wird Seehofer jetzt zelebrieren, die CSU seine Macht spüren lassen. Eine lange Zeit als Sonnenkönig wird er aber nicht haben. Für Seehofer war es die erste Wahl und die letzte. 2018 will er nicht mehr kandidieren. In Wahrheit ist König Horst I. schon eine lahme Ente. Die Fraktion wird bald an die Zukunft denken.

Seine ganz Kraft muss Seehofer jetzt darauf setzten, dass er selbst bestimmt, wer seine Nachfolge antritt. Das gelang bisher noch keinem bayerischen Ministerpräsidenten. Aber es hat auch noch keiner die absolute Mehrheit zurückgeholt. Trotzdem wird Seehofers Autorität schwinden, je näher der nächste Wahltermin rückt. Söder steht in den Startlöchern. Aigner wird alles tun, um selbst den Thron zu erklimmen. Wo zwei sich streiten, liegt der Dritte, Joachim Herrmann, auf der Lauer. Und Haderthauer hat ihre Waffen noch nicht gestreckt. Seehofer muss nun seinen ganzen Instinkt einsetzen, wie er die Schachfiguren in seinem Kabinett und an der Fraktionsspitze aufstellt – als Schutzschild um sich, den König. Drei Jahre wollen sie ihm in der CSU noch geben. Aus Dankbarkeit.

Bis dahin muss er sein Erbe geregelt haben, damit die CSU auch weiter das schöne Bayernland regiert. Aber bekanntlich kann sich bei Seehofer ja auch alles wieder drehen.

 

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