Kanzlerin in der Kanzel
MÜNCHEN - Beim Münchner Kirchentag spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel über Zusammenhalt und Hoffnung. Beides braucht sie selbst am meisten: Schwarz-Gelb kommt allmählich in eine aussichtslose Lage
Um Hoffnung geht es auf dem Münchner Kirchentag, doch auf der Suche nach Hoffnung ist auch die gesamte Berliner Politik. Da passte es gut, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für Freitag Nachmittag in München angesagt hatte. Am Ende einer Woche zwischen Eurokrise und Regierungskrise sprach sie auf dem Kirchentag passenderweise über „Hoffnung in Zeiten der Verunsicherung – gibt es eine Formel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt?“
Doch die Frage des Zusammenhalts stellt sich vor allem für Merkels Regierung selbst immer drängender: Zum Wochenende kam eine neue, für Schwarz-Gelb alarmierende Umfrage. Die ARD ermittelte, dass die Berliner Koalition inzwischen zusammen nur noch auf 39 Prozent kommt. SPD, Grüne und Linke haben dagegen 56. Das neuerliche Abrutschen liegt an beiden Partnern: Die Union rutschte um zwei Punkte auf 32, die FDP um einen auf 7 und ist damit nur noch halb so stark wie bei der Bundestagswahl im Herbst.
Das neue Tief erwischt Merkel zur Unzeit. Sowohl außenpolitisch wegen der Euro-Turbulenzen als auch innenpolitisch wegen der verpatzten NRW-Wahl steht Bundeskanzlerin Angela Merkel derzeit so stark unter Druck wie noch nie in ihrer Kanzlerschaft.
Doch die Pastorentochter gibt sich bei ihrem Auftritt auf dem Messegelände vor 6000 Zuhörern trotzdem gelassen: „Gemessen an vielen Problemen auf der Welt geht es uns so schlecht nicht. Und wir haben einen Zusammenhalt in der Gesellschaft, um den uns viele in der Welt beneiden.“
Und dennoch gebe es „Exzesse“, gegen die das Land vorgehen müsse: auf den Finanzmärkten. Den Verantwortlichen „muss das Handwerk gelegt werden, da fliegt die Gesellschaft auseinander.“ Merkels Münchner Predigt fällt nicht sehr viel anders aus als ihre Berliner Reden: „Wir können nicht auf Dauer über unsere Verhältnisse leben.“ Und da habe sich Deutschland einiges vorzuwerfen: Das Land habe jahrzehntelang mehr ausgegeben als eingenommen.
Und dann dreht sie von der Finanzkrise doch noch einmal ins Grundsätzlichere: „Unsere Gesellschaft lebt von Voraussetzungen, die sie nicht selber schaffen kann. Eine davon ist das Christentum.“
mue