Jungs Sprecher: "Der Einsatz war richtig"

BERLIN - Jetzt räumt auch Deutschland ein, dass bei dem umstrittenen Luftangriff vor vier Tagen in Afghanistan womöglich Zivilisten starben. "Der überwiegende Anteil der Getöteten seien Taliban-Kämpfer", sagte Franz Josef Jung gestern.
Es ist zwar nur eine leichte Änderung in der Wortwahl des Verteidigungsministers – aber sie verändert die argumentative Gefechtslage: „Der überwiegende Anteil“ der in der Nacht zum Freitag Getöteten seien Taliban-Kämpfer, sagte Franz Josef Jung gestern. Das aber bedeutet: Es gab auch andere Opfer – Zivilisten eben.
Jung behauptet, es seien ausschließlich Taliban bei dem von Deutschen befohlenen Einsatz gestorben. Doch weiter geht der deutsche Rückzug nicht. Von Fehlern oder einer sich im Rückblick anders darstellenden Lage keine Rede: „Es bleibt dabei“, so die klare Ansage von Jungs Sprecher Thomas Raabe: „Dieser Einsatz war richtig.“ Das hatten das Wochenende über zahlreiche Nato- und EU-Staaten ganz anders gesehen (AZ berichtete). Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner etwa sprach von einem „groben Fehler“.
Doch einen solchen will sich Berlin nach wie vor nicht nachsagen lassen. Das Verteidigungsministerium beharrt darauf, man habe klare Erkenntnisse gehabt, dass keine Zivilisten in der Nähe der beiden bombardierten Tanklaster gewesen seien: US-Flugzeuge hätten entsprechende Bilder geliefert, außerdem gebe es andere „Bodenquellen“, die aber geheim bleiben müssten. Immerhin gab Raabe noch einige Details preis: „Wir hatten Informationen, nach denen die Taliban im Umfeld der Lastwagen Bewohner zurückgeschickt haben, die nicht zu Sympathisanten gehörten.“
Trotz aller Erklärungen: Der internationale Zusammenhalt gegen die Taliban ist durch das Hin und Her der letzten Tage offenbar massiv gefährdet. In Berichten aus Kabul wurden Geheimdienstler mit frustrierten Stellungnahmen zitiert: Den Taliban gelinge es zunehmend, die Nato zu spalten, hieß es. Zugleich warnten deutsche Offiziere davor, den für den Einsatz verantwortlichen Oberst Georg Klein abzuberufen. Das wäre ein „verheerendes Signal“ hieß es.
auch über ein deutsch-amerikanisches Zerwürfnis wegen des Einsatzes. Denn in Amerika kursierten schnell deutlich höhere Opferzahlen als die genannten 56. Nämlich 125. Auch der zuständige afghanische Distriktchef sprach gestern von 130 Toten.
Auch innenpolitisch gibt es immer mehr Zündstoff. Die SPD nannte Jungs Verhalten „hilflos“, Grünen-Chef Cem Özdemir sprach gar von einem „Sicherheitsrisiko“. Heute debattiert auch der Bundestag über das Thema: Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte eine formelle Regierungserklärung an.
mue