Im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler: Trotzdem fehlten Friedrich Merz Stimmen aus dem eigenen Lager

Berlin - CDU-Chef Friedrich Merz ist bei der Kanzlerwahl im Bundestag im zweiten Wahlgang zum zehnten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Zuvor war er im ersten Wahlgang durchgefallen.
Merz erhielt in der zweiten Abstimmung 325 Ja-Stimmen bei einer Koalitionsfraktionenstärke von CDU/CSU und SPD von 328 Sitzen im Parlament. Damit hat Merz 9 Stimmen mehr als die benötigte Mehrheit von 316 Stimmen erhalten, aber weniger als die eigene Koalitionsstärke. Als letzten Schritt hat Friedrich Merz inzwischen die Ernennungsurkunde durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten und damit den CDU-Vorsitzenden zum Nachfolger von Olaf Scholz (SPD) ernannt.
Zuvor erhielt Merz im ersten Wahlgang in geheimer Abstimmung 310 von 621 abgegebenen Stimmen und damit 6 weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament.
Dabei handelte es sich um ein Novum: Noch nie war nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler bei der Wahl im Bundestag gescheitert.
Gescheitert im ersten Wahlgang: Alle Informationen zum Bundeskanzler-Wahldebakel
Update 6.6.2025 15:05: Nach dem Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Anlauf bei der Wahl zum Bundeskanzler soll es noch heute einen zweiten Wahlgang im Bundestag geben. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Fraktionskreisen. "Wir werden heute im Einvernehmen mit den Fraktionen Union, SPD, Grüne und Linkspartei einen zweiten Wahlgang um 15:15 Uhr vornehmen können", sagt Unionsfraktionschef Jens Spahn. Zum erhofften Wahlausgang äußerte sich SPD-Chef Klingbeil in einem Statement: "Ich gehe davon aus, dass jetzt beim zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit da ist."
Hier können Sie den zweiten Wahlgang live verfolgen
Wer führt jetzt die Regierungsgeschäfte?
Der bisherige Kanzler Olaf Scholz (SPD), der nur noch geschäftsführend im Amt ist, wurde am Vorabend bereits feierlich mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Ist Deutschland jetzt führungslos? Und wie geht es bei der Kanzlerwahl weiter?
Scholz bleibt vorerst Kanzler – auch Kabinett bleibt
Nach dem Scheitern von Merz bekommt Scholz eine ungeplante Verlängerung. Denn Artikel 69 Grundgesetz bestimmt, dass der Kanzler die Amtsgeschäfte "bis zur Ernennung seines Nachfolgers" weiter führt. Dazu ist er verpflichtet. Auch die Ministerinnen und Minister des Bundeskabinetts bleiben vorerst geschäftsführend im Amt.
Grundgesetz gibt Frist von zwei Wochen
Wie geht es jetzt nach dem verlorenen Wahlgang weiter? Das Grundgesetz regelt auch diesen Fall. In Artikel 63, der die Regeln für die Kanzlerwahl enthält, ist festgehalten: "Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen 14 Tagen nach dem Wahlgang mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen."
Sollte Merz den Eindruck gewinnen, er könnte in einem zweiten Wahlgang mehr Erfolg haben als im ersten, kann er jederzeit wieder antreten. Innerhalb der zweiwöchigen Frist kann es beliebig viele Wahlgänge mit verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten geben. Aber auch sie brauchen die absolute Mehrheit von mindestens 316 Stimmen, um gewählt zu sein.
Später einfache statt absolute Mehrheit
Schafft das niemand, dann werden im nächsten Schritt die Anforderungen gesenkt. Nun reicht für die Wahl die einfache Mehrheit. Im Grundgesetz heißt es: "Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält."
Bundespräsident kann Neuwahlen ansetzen
Wenn der oder die Gewählte die Kanzlermehrheit erhält, muss der Bundespräsident ihn oder sie innerhalb von sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Bei einer Wahl nur mit einfacher Mehrheit kann der Bundespräsident alternativ auch binnen sieben Tagen den Bundestag auflösen und eine Neuwahl ansetzen.