Holland-Wahl: Der Premier und der Populist
Der niederländische Premier Mark Rutte sieht sein Land an einer Wegmarke für Europa. Wenn der Rechtspopulist Geert Wilders bei der Parlamentswahl an diesem Mittwoch siege, so Rutte, wäre das ein schlechtes Omen für die Union. Am letzten Tag vor der Wahl appellierte der Rechtsliberale an sein Land, dem "falschen Populismus eine Absage zu erteilen".
Die Parlamentswahl in den Niederlanden ist die erste in einem kritischen Wahljahr für Europa. "Das Viertelfinale", wie Rutte sagte. Die Präsidenten-Wahl in Frankreich mit Marine Le Pen im April sei das Halbfinale, die Bundestagswahl mit der AfD im September dann das Finale.
Die großen Worte sind nicht unberechtigt – auch wenn der Anti-Europäer und Islamfeind Wilders faktisch gar nicht Ministerpräsident der Niederlande werden kann (siehe Artikel unten rechts). Doch jeder große Erfolg für ihn bei der Wahl wäre für viele in Europa ein erneuter Schlag nach dem Brexit und der Wahl Donald Trumps.
Die 13 Millionen wahlberechtigten Niederländer entscheiden aber zunächst, wer neu in das "torentje" in Den Haag einzieht, das Türmchen, wie die Niederländer liebevoll den Amtssitz ihres Ministerpräsidenten nennen. Der Ausgang der Wahl ist völlig offen.
"Werden wir wach in einem Land des Chaos oder der Stabilität?"
Die Niederlande zeigen vor dieser Wahl zwei Gesichter. Zum einen boomt die Wirtschaft, sinkt die Arbeitslosigkeit und gerät sogar das Verbrechen aus der Mode. Viele Niederländer sehen zuversichtlich in die Zukunft. Auf der anderen Seite herrschen Wut und Unbehagen über den Abbau des Sozialstaates und Probleme bei der Integration.
Die Große Koalition aus VVD und sozialdemokratischer Partei für die Arbeit PvdA hatte das Land mit einem straffen Spar- und Reformprogramm aus der schlimmsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit geführt. Doch viele Bürger spüren die Folgen und werden der Koalition die Quittung präsentieren. Ruttes VVD muss mit Verlusten rechnen, die PvdA steht gar vor der größten Wahlniederlage ihrer Geschichte.
Die Sorgen vor der Zukunft und Angst vor dem Verlust der nationalen Identität bedient der Rechtspopulist Geert Wilders. Er kommt mit seiner hasserfüllten Politik gegen den Islam und Europa bei vielen gut an. Der 53-jährige Politiker mit der platinblonden Haartolle will den Koran verbieten und Moscheen schließen. Marokkaner nennt er "Abschaum". Er strebt den "Nexit" an, den EU-Austritt der Niederlande.
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Faktisch kann Wilders keine absolute Mehrheit erzielen. Und doch: Ein Erfolg seiner PVV wäre eine schwere Hypothek für das Land. Unter dem Eindruck von Wilders rückten bereits fast alle Parteien nach rechts, wurden kritischer gegenüber der EU und strenger gegenüber Migranten. Wilders trat mit dem Slogan an: "Die Niederlande wieder für uns." Prompt folgte Premier Rutte mit dem Aufruf an Migranten: "Verhalte dich normal oder geh weg."
Am Vorabend der Wahl zeigen sich die Niederlande zersplittert und ratlos. Wer macht das Rennen: Unbehagen oder Zuversicht? Oder, wie es Premier Rutte sagte: "Werden wir am Donnerstag wach in einem Land des Chaos oder der Stabilität?