Griechenland-Hilfe: Die Milliarden elektrisieren den Bundestag
BERLIN - Es ist ein unpopuläres Thema, das Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag ansprechen musste. Die Bundeskanzlerin rechtfertigte die Hilfe für Griechenland aber – und bekam Spott von der Opposition.
Es war kein leichter Auftritt für Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wegen ihres Verhaltens in der Griechenland- Krise steht sie international und innenpolitisch massiv in der Kritik, am Mittwoch musste sie im Bundestag um Unterstützung für die unpopuläre Milliardenhilfe bitten.
Ihre Strategie: Sie lässt ein wenig „Hauch der Geschichte“ durch das Hohe Haus wehen. In gravitätischem Ton betont Bundeskanzlerin Angela Merkel die historische Dimension der Entscheidung: Es gehe nicht nur um die 110 Milliarden, um Deutschlands Anteil von 22,4 Milliarden Euro, dies seien nur die „nackten Zahlen, Daten, Fakten“. Nein, sagt Merkel bedeutungsschwanger: „Worum es wirklich geht, es geht um nicht mehr und nicht weniger, als die Zukunft Europas und damit die Zukunft Deutschlands in Europa.“ Selten gebe es solche Tage, „heute ist so ein Tag“, beschwört Merkel, passend gewandet in museal-gediegenem Herrenzimmer- Grün.
Bis dahin herrscht Schweigen im Plenarsaal. Aber als Merkel auf die Kritik an ihrem zögerlichen Handeln zu sprechen kommt, kommt Bewegung in die Reihen: „Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft, sondern der, der die europäischen Verträge achtet“, sagt Merkel. Von den Oppositionsbänken tönen hönische „Oooh“-Rufe. Wären die Gelder voreilig oder ohne Beteiligung des IWF geflossen, hätten die Griechen ein laxeres Sparprogramm aufgelegt, so Bundeskanzlerin Angela Merkel.
„Skepsis, Griechenland in die Eurozone aufzunehmen, hat es schon im Jahr 2000 gegeben“, sagt sie dann und blickt säuerlich in Richtung SPD und Grüne. Und setzt giftig nach: Sie wolle aber nicht „in eine Diskussion um Schuldzuweisungen eintreten, die sich an die damalige rotgrüne Bundesregierung richten könnte“.
Merkel begrüßt die angekündigte Beteiligung der Banken. Sollten sie sich aber erhoffen, dass sie als Gegenleistung bei der Bankenabgabe geschont werden, „dann haben sie sich gewaltig getäuscht“. „Lächerlich!“, schallt es da laut aus dem Plenum, und schließlich wird’s der Kanzlerin zu dumm: „Ich würde an ihrer Stelle einfach mal zuhören, vielleicht können sie ja noch was lernen“, muttert Merkel.
Die SPD hält derweil an ihrer Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer fest: „Eine Zustimmung zu einer nackten Kreditermächtigung, die wird es mit der SPD hier im Deutschen Bundestag nicht geben“, sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Er wirft Merkel erneut vor, zu spät reagiert zu haben: „Sie haben die Dinge treiben lassen und rufen jetzt nach der Feuerwehr, wo es lichterloh brennt.“ Steinmeier ließ es offen, ob die SPD dem milliardenschweren Hilfspaket am Freitag zustimmt.
Auch die Grünen knüpfen ihr Ja an eine Steuer auf Spekulationen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin fordert außerdem eine bessere Koordination der europäischen Wirtschaftspolitik: Andere hätten gut davon gelebt, dass Griechenland über seine Verhältnisse gelebt habe. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisiert, das Hilfspaket helfe nur den Banken: „Es wird nicht der Finanzmarkt reguliert, sondern es werden Kredite durch den Staat verbürgt, mit deren Zinsen Privatbanken verdienen.“ FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger weist die Kritik zurück: „Schwierige Situationen bewältigt man mit Besonnenheit und nicht mit Aktionismus.“
Annette Zoch