Gesundheitsreform: 75 Euro Zusatzbeitrag?

Die Regierungsklausur zur Gesundheitsreform tagt – zur Entspannung der Stimmung wird der Fußball-Krimi geschaut. Mittlerweile gilt die CSU als größeres Problem als die FDP.
von  Abendzeitung
Illustration
Illustration © dpa

BERLIN - Die Regierungsklausur zur Gesundheitsreform tagt – zur Entspannung der Stimmung wird der Fußball-Krimi geschaut. Mittlerweile gilt die CSU als größeres Problem als die FDP.

Zu Beginn der Gesundheitsklausur standen vertrauensbildende Maßnahmen: gemeinsames Gucken des WM-Spiels Deutschland gegen Serbien. Das war auch nötig – gerade zwischen CSU und FDP. Bis Samstag Abend beratschlagen die Experten der Regierungs-Parteien, wie es im Gesundheitssystem weitergeht.

Worum geht es? Im Gesundheitsfonds klafft ein Defizit von elf Milliarden Euro. Vier Milliarden sollen aus Einsparungen kommen, zwei aus Steuermitteln – die restlichen fünf von den Versicherten. Die FDP hat ihren Plan, das über eine Pauschale zu machen, noch nicht ganz aufgegeben. Die CSU dagegen hält sie für erledigt – die Frage ist aber, was stattdessen kommt. Denn kommen muss etwas: Die ersten Kassen stehen vor der Pleite.

Warum braucht es überhaupt frisches Geld? Der Gesundheitsfonds ist schon laut Gesetz absichtlich unterfinanziert, um die Kassen zum Sparen zu animieren und Wettbewerb über die Zusatzbeiträge zu schaffen. Dazu kommen Einnahmeausfälle wegen der Wirtschaftskrise sowie die grundsätzliche Entwicklung, dass es immer teurere Behandlungen für eine immer ältere Gesellschaft gibt, die von einer schrumpfenden Zahl von angestellten Versicherten finanziert werden müssen. Das macht das Loch so groß, dass es über die bisherigen Zusatzbeiträge kaum geschlossen werden kann; und auch nicht über Einsparungen allein, wie es Teile der CSU fordern.

Wie sind die Fronten? Die FDP will die Gelegenheit nutzen, wenigstens eine Teilpauschale einzuführen – im Gespräch war schon alles von 15 bis 150 Euro. Die CSU hat bisher alles abgeschmettert. Gestern zeigten zumindest ihre Berliner Vertreter wie Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich und Fachexperte Johannes Singhammer deutliche Kompromissbereitschaft. „Wir gehen mit dem festen Vorsatz rein, zu Ergebnissen zu kommen. Wir wollen mit Rösler den gepflegten Doppelpass spielen.“ In der CDU hieß es, mittlerweile sei die CSU das größere Problem als die FDP – unter anderem, weil die FDP Angst vor Neuwahlen hat und es der CSU offenbar egal ist. Unklar ist, ob sich die Berliner CSUler gegen Söder und Seehofer durchsetzen und wie stark sich der Münchner Flügel in die Klausur einmischt. Rösler: „Ich bin überzeugt, dass wir uns gemeinsam der Regierungsverantwortung stellen.“

Was kann also kommen? Singhammer sprach zum Auftakt ausdrücklich von einer „Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge“. Bereits jetzt werden sie von vielen Kassen erhoben. Die meisten beschränken sich auf acht Euro im Monat, weil diese Summe noch ohne Einkommensprüfung erhoben werden darf. Ab dann wird es kompliziert. Verlangt eine Kasse mehr, wird der Betrag automatisch bei einem Prozent des Einkommens gedeckelt: Fordert sie 20 Euro, verdient jemand aber nur 1500 Euro, zahlt er auch nur 15. Maximal möglich sind 37,50.

Um das Defizit zu decken, bräuchten die Kassen rechnerisch 20 Euro zusätzlich von jedem Versicherten. Deswegen ist nach AZ-Informationen im Gespräch, die Grenze auf zwei Prozent des Einkommens anzuheben. Auf Gutverdiener käme so ein Zusatzbeitrag von 75 Euro zu. Theoretisch immer denkbar ist eine Anhebung der Beiträge – derzeit 7,9 Prozent für den Arbeitnehmer und 7,0 für den Arbeitgeber. Wenn die Einigungschancen so gering bleiben, ist dies durchaus eine Option – zumindest, um bis zum nächsten Anlauf Zeit zu kaufen. tan

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.