„Gefangenenlager“ auf dem Feld

Blockierer im Freien festgehalten. Vertreter der Polizisten beklagt „Fehlentscheidungen“
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Polizeibeamte lösen eine Sitzblockade
dpa Polizeibeamte lösen eine Sitzblockade

Blockierer im Freien festgehalten. Vertreter der Polizisten beklagt „Fehlentscheidungen“

GORLEBEN Rund 1500 Atomkraftgegner versammelten sich gestern zur Blockade der Zufahrtstraße von Gorleben. Das bedeutet eine lange Nacht - für sie und die Polizisten.

Bereits in der Nacht zum Montag hatte die Polizei die bislang größte Sitzblockade in der Castor-Geschichte geräumt. Rund 1400 Blockierer wurden anschließend auf einem Feld von der Polizei über Nacht festgehalten. Ein Polizeisprecher nennt das Feld „Gefangenenlager“. Die Organisatoren der Aktion „Castor schottern“ zählten rund 1000 Verletzte am Sonntag, 950 davon mit Augenverletzungen durch Pfefferspray, Tränen- und CS-Gas, außerdem 16 Brüche, 29 Kopfplatzwunden und drei Gehirnerschütterungen. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt gegen 700 Unterstützer von „Castor schottern“ wegen des Aufrufs zu Straftaten. Derweil wird der Polizeieinsatz heftig diskutiert. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) klagt an: „Ob in Stuttgart oder heute im Wendland, meine Kolleginnen und Kollegen kommen wegen politischer Fehlentscheidungen nicht mehr aus ihren Einsatzanzügen“, sagt Bundesvize Bernhard Witthaut. Der Chef der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, sieht die Polizisten „absolut am Ende ihrer Kräfte“.

Wendt hatte bereits mehrmals Geld von den Atomkonzernen für die Sicherheitskosten gefordert. Das Land Niedersachsen fordert Unterstützung vom Bund und will, dass sich auch andere Bundesländer beteiligen. Insgesamt kostet der Einsatz rund 50 Millionen Euro – fast 20000 Polizisten sind dort. Nur rund 5000 kann Niedersachsen selbst stellen. Der Rest sind Bundespolizisten und von anderen Ländern ausgeliehene Beamte. Für die Gast-Polizisten muss Niedersachsen aber eigentlich zahlen, und das soll auch so bleiben, wenn es nach Bayerns Innenminister Joachim Herrmann geht. Es sei so üblich, dass Bundesländer, wenn sie Beamte ausleihen, eine Rechnung stellen, sagte er.

Herrmann schlägt jetzt eine ganz neue Regelung vor: Schuld an den hohen Kosten seien die „gewalttätigen Ausschreitungen von Demonstranten“. Dazu zählt er auch Gleisbesetzungen. „Deshalb muss man eher fragen, warum die nicht entsprechend die Kosten bezahlen, nicht aber diejenigen, die ganz legal ihrer Tätigkeit nachgehen", sagte der Minister. Das wiederum stieß auf scharfe Kritik der SPD. „Herr Herrmann will die Demonstranten in einem freien Land für die Ausübung ihres Demonstrationsrechts bezahlen lassen“, sagte SPD-Umweltexperte Frank Schwabe. „Einen solchen Schmarrn kann sich nur die CSU einfallen lassen.“

Matthias Maus

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