Flüchtlingsrat: CSU leidet an „Balkan-Phobie“

Die CSU hat ein Leiden, das sich "Balkan-Phobie" schimpft – zumindest aus Sicht des Flüchtlingsrates. Die Regierung bleibt dabei: Sie will den Zustrom aus „sicheren Drittstaaten“ stoppen – Verfassungswidrigkeiten zum Trotz.
von  Ralf Müller
Nach Meinung von Innenminister Joachim Hermann (l.) und Staatskanzleichef Marcel Huber, sollen Asylbewerber aus sogenannten "sicheren Herkunftsländern" in Zukunft nachweisen, dass sie politisch verfolgt werden.
Nach Meinung von Innenminister Joachim Hermann (l.) und Staatskanzleichef Marcel Huber, sollen Asylbewerber aus sogenannten "sicheren Herkunftsländern" in Zukunft nachweisen, dass sie politisch verfolgt werden. © dpa

München - Ungeachtet der Warnungen vor der Verfassungswidrigkeit des Vorhabens hält die bayerische CSU-Staatsregierung an der Forderung nach einer Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes fest.

Das Ziel: Die Geldleistungen für Asylbewerber aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ sollen durch Sachleistungen ersetzt werden, erläuterte Staatskanzleiminister Marcel Huber (CSU) gestern die Pläne nach einer Ministerratssitzung in München. Die sehen auch Folgendes vor: Die Asylbewerber sollen nachweisen müssen, dass sie politisch verfolgt werden. Bislang müssen die deutschen Behörden beweisen, dass sich die Asylbewerber zu Unrecht auf die Asylgründe stützen.

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Von den 116 000 Asylbewerbern, die in diesem Jahr bis zum 15. April nach Deutschland gekommen sind, stammten 57 000 aus den Balkanstaaten, sagte Staatskanzleichef Huber. Deren Asylanträge hätten „null Chance“. Gleichwohl überlasteten diese Menschen, die bessere Lebensbedingungen suchten, das deutsche Asylsystem und strapaziere die Akzeptanz von Flüchtlingen.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lieferte Zahlen: Sechs von zehn Erstantragstellern im März dieses Jahres seien aus den dominierenden sechs Balkanstaaten gekommen. Unter den Herkunftsländern der Asylbewerber, die von Januar bis März 2015 gekommen sind, stehe der Kosovo mit 28,1 Prozent noch vor Syrien (19,6 Prozent) an erster Stelle.

Vor einem „Verfassungsbruch“ warnten dagegen der bayerische Flüchtlingsrat sowie SPD und Grüne im bayerischen Landtag. Die Pläne auf Reduzierung der Leistungen für einzelne Asylbewerbergruppen verstießen „eklatant“ gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012, sagte Flüchtlingsrats-Sprecher Alexander Thal. Offenbar leide die bayerische Staatsregierung „unter einer Balkan-Phobie, die ihr alle Sinne vernebelt“.

Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Christine Kamm, bezeichnete die Beschlüsse des Landeskabinetts als „populistisches Säbelrasseln der CSU“. Der Vorstoß sei „Wasser auf die Mühlen fremdenfeindlicher Hassprediger“. Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Angelika Weikert, bezeichnete die Pläne als „bewusste Stimmungsmache und obendrein rechtlich nicht umsetzbar“.

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Die Reduzierung der Leistungen für einzelne Gruppen von Asylbewerbern sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keineswegs verfassungswidrig, betonte ein Sprecher von Landessozialministerin Emilia Müller (CSU). Kürzungsmöglichkeiten seien bei Sozialleistungen „nicht wesensfremd“.

Vom Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, erhielt Bayern unterdessen Unterstützung für die Forderung des Landes, auch den Kosovo und Albanien ebenso wie Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären. Das Asylverfahren für die Bürger dieser Länder könnte dann abgekürzt werden.

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