Fahrplan für Kohleausstieg steht: Milliarden für Betreiber

Fast ein Jahr nach dem Bericht der Kohlekommission steht endlich ein genauer Plan, bis wann und wo genau Kraftwerke vom Netz gehen sollen. Die Entscheidung für eine besonders umstrittene Anlage in Datteln aber dürfte für viel Wirbel sorgen.
dpa |
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Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 am Rande des Ruhrgebiets.
Oliver Berg/dpa/dpa 15 Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 am Rande des Ruhrgebiets.
Das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt soll bis 2034 Strom produzieren.
Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/dpa 15 Das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt soll bis 2034 Strom produzieren.
Bund und Länder haben sich auf einen Fahrplan fürs Abschalten der Kraftwerke geeinigt.
Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/dpa 15 Bund und Länder haben sich auf einen Fahrplan fürs Abschalten der Kraftwerke geeinigt.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier spricht von einer guten Einigung.
Bernd von Jutrczenka/dpa/dpa 15 Wirtschaftsminister Peter Altmaier spricht von einer guten Einigung.
Umweltministerin Svenja Schulze betont, dass der Ausstieg aus der Kohle nun schnell beginne.
Bernd von Jutrczenka/dpa/dpa 15 Umweltministerin Svenja Schulze betont, dass der Ausstieg aus der Kohle nun schnell beginne.
Der Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen soll erhalten bleiben - im Hintergrund ist der Tagebau zu sehen.
Federico Gambarini/dpa/dpa 15 Der Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen soll erhalten bleiben - im Hintergrund ist der Tagebau zu sehen.
Das Braunkohlekraftwerk Niederaußem im Rheinischen Revier.
Federico Gambarini/dpa/dpa 15 Das Braunkohlekraftwerk Niederaußem im Rheinischen Revier.
Aktivisten von Fridays for Future demonstrieren vor dem Siemens-Standort bei Hannover gegen die umstrittene Lieferung von Siemens-Technik für ein Kohlebergwerk in Australien.
Julian Stratenschulte/dpa/dpa 15 Aktivisten von Fridays for Future demonstrieren vor dem Siemens-Standort bei Hannover gegen die umstrittene Lieferung von Siemens-Technik für ein Kohlebergwerk in Australien.
Arbeit auf der Zeche Prosper Haniel in 1250 Meter Tiefe: Im Ruhrgebiet ist die Zeit der Kohle schon länger vorbei, manche Städte gehören zu den ärmsten in Deutschland.
Oliver Berg/dpa/Archiv/dpa 15 Arbeit auf der Zeche Prosper Haniel in 1250 Meter Tiefe: Im Ruhrgebiet ist die Zeit der Kohle schon länger vorbei, manche Städte gehören zu den ärmsten in Deutschland.
Steinkohle lagert im Hafen des Kraftwerks Mehrum in Niedersachsen - dahinter erhebt sich ein Windrad.
Julian Stratenschulte/dpa/dpa 15 Steinkohle lagert im Hafen des Kraftwerks Mehrum in Niedersachsen - dahinter erhebt sich ein Windrad.
Protest in Mühlrose in der Lausitz: "Begrabt Ihr die Kohle, begrabt Ihr unser Dorf".
Oliver Killig/ZB/dpa/dpa 15 Protest in Mühlrose in der Lausitz: "Begrabt Ihr die Kohle, begrabt Ihr unser Dorf".
Klimaschützer fordern von Siemens, auf das Geschäft für eine geplante riesige Kohlemine in Australien zu verzichten.
Julian Stratenschulte/dpa/dpa 15 Klimaschützer fordern von Siemens, auf das Geschäft für eine geplante riesige Kohlemine in Australien zu verzichten.
Braunkohle-Tagebau in Sachsen-Anhalt: Viele ohnehin arme Regionen Deutschlands werden vom Kohleausstieg schwer getroffen.
Jan Woitas/ZB/dpa/dpa 15 Braunkohle-Tagebau in Sachsen-Anhalt: Viele ohnehin arme Regionen Deutschlands werden vom Kohleausstieg schwer getroffen.
Das AKW Philippsburg aus der Luft: Die Atomkraft darf aus Sicht des Potsdamer Klimaforschers Johan Rockström nicht durch Kohle, Öl und Erdgas ersetzt werden.
Uli Deck/dpa/dpa 15 Das AKW Philippsburg aus der Luft: Die Atomkraft darf aus Sicht des Potsdamer Klimaforschers Johan Rockström nicht durch Kohle, Öl und Erdgas ersetzt werden.
Das Uniper-Kraftwerk Datteln 4: Uniper bereitet die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks vor.
Marcel Kusch/dpa/dpa 15 Das Uniper-Kraftwerk Datteln 4: Uniper bereitet die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks vor.

Berlin - Ein Fahrplan zum Aus für die klimaschädliche Kohle, Milliarden für Betreiber, massive Hilfen für Regionen und Beschäftigte - aber ein neues Steinkohlekraftwerk geht ans Netz:.

Das sind Kernpunkte einer Vereinbarung von Bundesregierung, Ländern und Unternehmen zum Kohleausstieg in Deutschland bis 2038. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach am Donnerstag von einer guten Einigung für den Klimaschutz. Für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken bekommen Betreiber Entschädigungen von 4,35 Milliarden Euro, wie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte.

Die Bundesregierung und die vier Kohleländer hatten nach einem monatelangen Ringen am frühen Donnerstagmorgen bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt einen Durchbruch erzielt. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, acht "sehr alte und dreckige" Kraftwerksblöcke sollten nun schnell vom Netz, der erste schon Ende des Jahres: "Der Kohleausstieg beginnt sofort, er ist verbindlich."

Zum Gesamtpaket zählt, dass das neue und umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen des Betreibers Uniper ans Netz gehen soll. Die Politik werde die Inbetriebnahme nicht verhindern, sagte Altmaier. Dies habe auch mit der komplexen Systematik von Entschädigungsleistungen zu tun. Vor allem Umweltverbände hatten bereits scharf kritisiert, dass ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz geht - weil es angesichts der Klimakrise ein völlig falsches Signal setze.

Das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt soll bis 2034 laufen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte befürchtet, dass Schkopau zugunsten von Datteln früher vom Netz muss, im Gespräch war das Jahr 2026. Er zeigte sich nun sehr zufrieden. Das Datum 2034 gebe dem Land nun Planungssicherheit.

Deutschland soll bis spätestens 2038 aus der klimaschädlichen Stromgewinnung aus Stein- und Braunkohle aussteigen. Damit sollen Klimaziele im Energiesektor erreicht werden. Das hatte eine von der Regierung eingesetzte Kommission aus Politik, Wirtschaft und Klimaschützern vor einem Jahr in einem breiten Konsens entschieden. Die Kohleregionen sollen parallel insgesamt 40 Milliarden Euro für den Umbau ihrer Wirtschaft bekommen.

Vor dem Spitzentreffen mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen auf verbindliche Zusagen für die Strukturhilfen gepocht - nun wurde ihnen eine Bund-Länder-Vereinbarung bis Mai zugesagt. Ein Staatsvertrag sowie ein Sondervermögen, wie von den Länderchefs gefordert, scheint damit vom Tisch zu sein.

Noch im Januar will das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für den Kohleausstieg auf den Weg bringen. Es soll bis Mitte des Jahres verabschiedet sein - an dieses Gesetz sind Strukturhilfen gekoppelt.

Scholz sagte: "Deutschland hat sich etwas Großes vorgenommen. Ich bin sicher, dass wir das auch hinkriegen." Schulze sprach von harten Verhandlungen, die aus ihrer Sicht zu lange gedauert haben. Sie fügte aber an: "Wir sind das erste Land, das endlich aus Atom und Kohle aussteigt." Nun sei aber ein massiver Ausbau der Energien aus Wind und Sonne notwendig, damit dies wirklich gelinge. Besonders der Ausbau der Windkraft an Land aber ist fast zum Erliegen gekommen. Der Atomausstieg ist bis Ende 2022 geplant.

Das Gesamtpaket sieht vor, dass in den Jahren 2026 und 2029 im großen Stil überprüft werden soll, wie es mit dem Kohleausstieg läuft. Eine Frage soll dabei auch sein, ob Stilllegungsdaten nach 2030 um je drei Jahre vorgezogen werden können - damit vielleicht doch schon 2035 komplett Schluss ist.

Der Hambacher Wald in Nordrhein-Westfalen soll dauerhaft erhalten bleiben - er war ein Symbol geworden für den Kampf von Klimaschützern gegen die Kohlebranche. Zusätzliche Gaskraftwerks-Kapazitäten sollen an bisherigen Kraftwerksstandorten die wegfallende Energie ersetzen, zum Beispiel im brandenburgischen Jänschwalde. Das dortige Braunkohlekraftwerk soll bis Ende 2028 vom Netz gehen.

Beschäftigte in Braunkohle-Kraftwerken und -Tagebauen sowie in Steinkohle-Kraftwerken sollen bis 2043 von einem sogenannten Anpassungsgeld profitieren können. Dies könnte noch einmal Milliarden kosten. Wenn Mitarbeiter ihren Job verlieren, können sie mit dem Anpassungsgeld die Zeit bis zum frühzeitigen Renteneintritt überbrücken. So etwas gibt es schon für den Steinkohle-Bergbau.

Geplant sind außerdem Entlastungen für die Wirtschaft von höheren Strompreisen. Im Klimapaket hatte die Bundesregierung bereits eine Absenkung der Ökostrom-Umlage vereinbart, wenn der CO2-Preis ab 2021 Diesel und Benzin, Erdgas und Heizöl verteuert. Nun sollen zudem Unternehmen mit extrahoher Stromrechnung, die im internationalen Wettbewerb stehen, ab 2023 durch einen "jährlichen angemessenen Zuschuss" entlastet werden.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete die Einigung als wichtigen Durchbruch für den Klimaschutz. Er sprach von einem "Paket der Vernunft". Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: "Ich bin froh, dass jetzt Klarheit herrscht." Die langjährige Finanzierung der Strukturstärkung werde gewährleistet.

Kritik kam dagegen von Umwelt- und Wirtschaftsverbänden, die Mitglieder in der Kohlekommission waren. Der dort vereinbarte Kompromiss werde durch die Einigung verletzt und bringe zu wenig für den Klimaschutz. Industriepräsident Dieter Kempf kritisierte, die geplanten Ausgleichszahlungen für steigende Strompreise seien nicht ausreichend. Der FDP-Energiepolitiker Lukas Köhler sprach von sinnlosen Milliardengeschenken auf Kosten der Steuerzahler. Die Bergbaugewerkschaft IG BCE dagegen begrüßte die Einigung. Sie setze Maßstäbe für die soziale Transformation einer Industriebranche.

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