Erfolgschancen der FPÖ: Gewinnt sie die Wahl in Österreich?
Wien/Graz - Herbert Kickl wird mit Fanfaren und Jubel in der Messehalle Graz begrüßt. Auf dem Podium legt er gleich los und verlangt die "Regierungsmacht", wenn seine FPÖ, die Freiheitliche Partei Österreich, bei der Parlamentswahl stärkste Kraft werden sollte. Die politische Konkurrenz bezeichnet er als "armselige Gestalten", die "Machtmissbrauch" betrieben.
Sie hätten eine "anti-demokratische Brandmauer gegen die eigene Bevölkerung" hochgezogen, wie einst in der DDR. Aber der Mauerfall komme "am 29.9., liebe Freunde". Da wählt Österreich ein neues Parlament, den Nationalrat.
Die Rede von Kickl, dem Rechtsaußen der österreichischen Politik, der als mächtiges Schreckgespenst durch die Alpenrepublik spukt, ist im Internet in voller Länge zu sehen, sie dauerte etwas über eine Stunde. Samt häufigem Szenenapplaus und "Herbert, Herbert"-Anfeuerungsrufen aus dem Publikum. Das war in der ersten Septemberwoche.
Wahlen in Österreich: "Das Volk ist der Chef"
Die FPÖ gegen die anderen ‒ diese Aufstellung haben die Parteistrategen entworfen. Kickl nennt die vier größeren Mitbewerber von der konservativen ÖVP, den Sozialdemokraten, Grünen und den linksliberalen Neos denn auch provozierend "Einheitspartei". Kickl sagt: "Das Volk ist der Chef, und wir sind sein Werkzeug."
Er möchte "Volkskanzler" werden, den 1933 für Adolf Hitler geschaffenen Begriff hämmert die FPÖ ihren Anhängern auf allen Kanälen ein, die die digitale Welt zur Verfügung stellt. Das ist eines von verschiedenen Beispielen, das zeigt, was die "Freiheitlichen" sicherlich auch und womöglich mehrheitlich sind: Rechtsextremisten.

Ähnlich ausgerichtet wie die AfD
Als "Schicksalswahl" wird der Urnengang am kommenden Sonntag immer wieder in Österreich bezeichnet. Als Wahl, bei der es um die Verteidigung der Demokratie an sich geht, die von Kickl und seinen rechten Kräften aus ihren Grundfesten gehoben werden könnte.Was die gegenwärtige FPÖ ist, lässt sich leicht sagen: Sie ist ungefähr so wie die AfD in Deutschland ausgerichtet.
Verschiedene Adjektive werden ihr zugeschrieben: rechtspopulistisch, sehr rechts, rechtsradikal.
Die politische Gesamtlage in der Alpenrepublik ist komplex. Das schwarz-grüne Regierungsbündnis unter ÖVP-Kanzler Karl Nehammer wird sicher nicht weitermachen. Laut Umfrage vom 19. September stehen die Konservativen bei 25, die Grünen bei neun Prozent. Wahlsieger würde die FPÖ mit 27 Prozent werden. Die oppositionelle SPÖ würden 20 Prozent wählen, die Neos elf.
Der Trend geht wieder mehr Richtung ÖVP
Direkt nach dem verheerenden Hochwasser in Teilen des Landes geht der Trend wieder mehr in Richtung ÖVP und weg von der FPÖ. "Wenn Krisensituationen halbwegs gut bewältigt werden", sagt die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle der AZ, "nutzen sie eher den Regierungsparteien und insbesondere dem Bundeskanzler."

Über die Leistung von Schwarz-Grün meint Stainer-Hämmerle: "Sie ist besser, als viele Bürger es sehen." Immerhin habe das Bündnis fünf Jahre lang gehalten, was keine Selbstverständlichkeit in der Alpenrepublik ist. Man habe verschiedenste Krisen bewältigt wie etwa Corona, den Kanzlerwechsel von Sebastian Kurz zu Nehammer oder den Krieg von Russland gegen die Ukraine mit wachsender Inflation als Folge.
Die Botschaften sind simpel
Die Botschaften von Kickls FPÖ sind recht simpel: Das "Establishment" in Österreich, das regierende "System" betrüge das Volk und wirtschafte in die eigenen Taschen. Weitere Hauptschuldige an ganz vielen Dingen sind demnach die im völkisch-nationalistischen Sinne "Fremden", verschiedene Bevölkerungsgruppen ‒ Menschen mit Migrationshintergrund, Ausländer oder Geflüchtete ‒ werden von Kickl vermengt.
Und er haut auf alles, was als politisch links gilt. Kanzler Nehammer versucht, sich als Kandidat der politischen "Mitte" zu positionieren. Die FPÖ hingegen, so meint er, schütze "Rechtsradikale und die Identitären". Der ÖVP-Slogan lautet: "Stabilität für Österreich." Für die SPÖ geht Andreas Babler an den Start. Er fährt einen ziemlich linken Kurs, verspricht das Einfrieren der Mieten, will Arbeitnehmer ent- und Millionäre stärker belasten.
Kickl ist kein mitreißender Redner
Über die FPÖ sagt er, sie sei "brandgefährlich für die Demokratie". Grünen-Chef Werner Kogler nennt Kickl einen "Putin-Freund, Europa-Gegner und Verschwörungstheoretiker". Die Neos halten die FPÖ für ein "Sicherheitsrisiko für Europa".
Kickl ist kein mitreißender Redner. Der 55-Jährige wird nicht laut, er gestikuliert wenig. Aber er ist messerscharf und beherrscht die Klaviatur der Demagogie und brutalen Ausgrenzung. 2015 seien keine qualifizierten Fachkräfte ins Land gekommen, sagt er in Graz, "sondern Messerexperten". Heute stünden die Österreicher "in der Gefahr, die Minderheit zu sein".
Die Regierungspolitiker "lassen alle herein, sie bieten ihnen alles an". Die Polizei müsse gestärkt werden bei "Straßenschlachten von irgendwelchen Ausländerbanden". Und: "Wir brauchen natürlich Remigration." Es wirkt ein wenig kurios, wenn er gegen Ende meint: "Nichts von dem, was ich sage, ist rechtsextrem, sondern es ist ganz normal."
Ein kleiner, schmaler Mann
Er ist ein schmaler, kleinerer Mann. In Kärnten geboren und aufgewachsen, in Wien hat er ohne Abschluss Publizistik, Politikwissenschaft und Philosophie studiert. Mit 27 begann er, für die FPÖ-Parteiakademie zu arbeiten, er konzipierte Wahlkämpfe und wurde Chef dieser Organisation.
Schließlich stieg er auf zu einem engen Mitarbeiter des FPÖ-Chefs Jörg Haider. Dessen einstige Großspurigkeit hat Kickl so gar nicht an sich. Er wirkt ein wenig wie ein Intellektueller. Manche beschreiben ihn als Asketen mit Tendenzen zum Einzelgängertum.

Kickl sei intelligent und nicht zu unterschätzen, sagte der Salzburger Schriftsteller und Essayist Karl-Markus Gauß der AZ. Im Gegensatz zu Vorgänger Heinz-Christian Strache, der über das Ibiza-Video gestürzt war. Dieser sei, so Gauß, "korrupt und dumm" gewesen.
Eine Brandmauer hat es nie gegeben
Eine Brandmauer wie in Deutschland gegenüber der AfD hat es in Österreich nie gegenüber der FPÖ gegeben. Sie regierte schon zwei Mal im Bund mit und sitzt gegenwärtig in drei Landesregierungen. "Inhaltlich haben ÖVP und FPÖ die größten Übereinstimmungen", sagt die Professorin Stainer-Hämmerle.
Was kommt auf Österreich zu? Wird die ÖVP auch in Wien mit der FPÖ paktieren? Ja, meinen viele, wenn die Konservativen noch als stärkste Kraft an der FPÖ vorbeiziehen und Kickl als Person außen vor bleibt. Ansonsten bietet sich die lange bekannte Große Koalition an.
Kritischen Journalisten werden von der FPÖ Interviews verweigert. Bei Parteitagen wird ihnen der Zutritt verwehrt. Ein FPÖ-Mitglied, das sich äußert, ist Herbert Esterbauer aus Braunau am Inn. "Es ist Zeit für neuen Wind", sagt er im Gespräch. Er verübelt der amtierenden Regierung vor allem die strikte Corona-Politik, die er als Einsperren und "Ausgrenzung" Ungeimpfter gesehen hat. "Viele Leute, die nie freiheitlich gewählt haben, machen das jetzt", meint er.
Die Organisation "SOS Mitmensch" schaut genau hin, wie sich die FPÖ entwickelt. In einem Bericht stellt sie gegenwärtig 225 Verflechtungen von FPÖ und rechtsextremer Szene fest.
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