Ein Quartier für Spione
Der Berliner Neubau für den Bundesnachrichtendienst fällt in eine kritische Zeit: Nach Spitzel-Skandalen steht der Dienst selbst unter verschärfter Beobachtung. Das wird die Stimmung zur Grundsteinlegung drücken.
Der erste Spatenstich liegt schon zwei Jahre zurück, nun wird am Mittwoch der Grundstein für das neue Hauptquartier des Bundesnachrichtendiensts in Berlin gelegt. Von 2013 an sollen in Berlin rund 4000 Geheimdienstler arbeiten, nur einen guten Kilometer vom Regierungsviertel an der Spree entfernt. Doch bei der Grundsteinlegung geht es nicht nur um ein neues, teures Gebäude. Nach einer Serie von Vorfällen, die von Journalisten-Bespitzelung bis hin zur Schnüffel-Software im Computer eines afghanischen Ministers reichten, werden die Gäste wohl nicht nur in Feierlaune sein.
BND-Präsident Ernst Uhrlau, der jüngst nur Präsident blieb, weil er alternativlos ist und die Unterstützung der SPD hatte, steht wie unverändert auf der Rednerliste für die Grundsteinlegung. So mancher Gast dürfte sich fragen, ob das baldige räumliche Zusammenrücken von Regierung, Parlament und Geheimdienst die Kommunikation künftig befördert. Dass da in der Vergangenheit einiges hakte, zeigt nicht zuletzt der vom Bundestag beschlossene BND-Untersuchungsausschuss mit seinen Fragen zum Irak-Krieg und zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Von der Öffentlichkeit abgeschirmt wie am bisherigen Sitz in Pullach bei München, wo nach dem aufgeweichten Umzugsbeschluss weiter rund 1000 BND-Mitarbeiter bleiben, wird der Geheimdienst im neuen Quartier nicht arbeiten. In Berlin kann jeder mal eben an den Schlapphüten vorbeispazieren. Am neuen Standort wird die Auslandsspione aber auch der raue Charme einer nördlichen Berliner Vorstadt empfangen, mit Mietskasernen, Mauerbrachen, angestaubten Invest-Objekten und leeren Ladenlokalen.
Denn der Latte-Macchiato-Gürtel der hippen Berliner Mitte hat die Höhe des BND-Quartiers noch nicht erreicht. In der Nachbarschaft beginnt der Stadtteil Wedding mit vielen sozialen Problemen. Der BND baut in einem Gebiet, das der Berliner Stadtsoziologe Hartmut Häußermann einen «Transitionsraum» nennt: nicht mehr das, was es war; aber auch noch nicht das, was es sein wird. Die Bewohner des Viertels quittieren ihr Leben im Dauerumbruch mit Humor. «Café am Ende der Welt» nennt sich ein Lokal im Westen der Großbaustelle. An die Glücksritter der New Economy, die das Viertel zur Jahrtausendwende erobern wollten, erinnert im Osten ein süffisanter Firmenname: «Internet and whatever comes next».
Mittendrin hat der BND die größte Berliner Innenstadt-Baustelle umzäunt. Mit ihren kamerabewehrten Absperrungen umfasst sie mehrere Hektar Sandwüste. Bis zu 200 Lastwagen am Tag werden bald die zentrale Einfahrt an der Chausseestraße ansteuern. Bis Ende 2012 dauert der Innenausbau. 2013, später als geplant, soll Einzug sein. Das Hauptgebäude ergänzen ein Schulungs- und Besucherkomplex im Süden sowie ein Logistikzentrum im Norden. Soziologe Häußermann glaubt nicht, dass der BND die Struktur des Stadtquartiers schnell verändert. «Da entsteht nur Laufkundschaft», sagt er. Wohnen wollen dürften die Geheimdienstler woanders. Im Viertel hält sich der Enthusiasmus auch in Grenzen. Im «Café am Ende der Welt» fragt ein Gast nur müde: «BND? Was sollen denn diese Bayern hier?» (Ulrike von Leszczynski, dpa)