Die "Agenda für Deutschland" der CDU und die AfD als Gespenst zwischen den Zeilen
München - In der "Agenda für Deutschland", welche die Spitzen der Unionsparteien am Freitag in München verabschiedeten, kommt die AfD nicht vor. Und doch wabert sie als Gespenst zwischen den Zeilen – spätestens nach ihrem Wahlerfolg bei der Landratswahl in Sonneberg.
Die Union will das Problem angehen wie bisher: mit Inhalten, bei denen sich auch rechtskonservative Wähler wiederfinden können – etwa in der Migrationspolitik und der Inneren Sicherheit.
Wahlerfolge der AfD: Gegenseitige Beschuldigungen
Bei den anstehenden Landtagswahlen in den "West"-Ländern Bayern und Hessen droht ein Vormarsch der Rechtspopulisten, wenn auch nicht so verheerend wie er bei den Urnengängen im kommenden Jahr in den neuen Ländern befürchtet wird.
Den "Altparteien" fiel dazu kaum mehr ein als gegenseitige Beschuldigungen: Die Berliner "Ampel" treibe als "schlechteste Bundesregierung" die wütenden Menschen der AfD in die Arme, hieß es gestern bei CDU/CSU-Spitzentreffen in München. Unionsparteien und die Freien Wähler eröffneten durch Übernahme ihrer Tonalität den Rechten Einfallstore in die bürgerliche Mitte, tönt es von Links.
Von Grüne bis CSU: Parteien fehlt es an Strategien im Umgang mit Rechts
Das wird alles nicht helfen, meint der Münchener Politikprofessor und Spezialist für "angewandte Politikforschung" Werner Weidenfeld. Er vermisst bei den Noch-Mehrheitsparteien von Grünen bis CSU eine ernst zu nehmende Strategie im Umgang mit den Rechten.
So wie die Politik in Deutschland derzeit gestaltet werde, lasse sie einen großen Teil der Menschen verwirrt und ängstlich am Wegesrand stehen. Weidenfeld vermisst schon seit langem die großen Antworten der Politik: Wo soll Deutschland in zehn, 20, 30 Jahren stehen, welches sind die Antworten auf die großen Fragen der Zeit?
Gezerre um Detailfragen anstatt eine Zukunftsvision
Eine "Zeitwende" hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) ja nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine verkündet. Doch anstelle einer großen Vision für Deutschland des 21. Jahrhunderts folgte nur Gezerre um Detailfragen von Heizungsgesetz über Grundsicherung und Krankenhausreform bis Straßenbau.
Viele Bürger wenden sich frustriert ab und suchen einfache Antworten. Die Union ist auch kein leuchtendes Beispiel für Orientierungshilfe über den Tag hinaus. Man muss nur an Ex-Kanzlerin Angela Merkel denken.
Demokratie in Deutschland: Die Bürger müssen mitgenommen werden
Man muss die These, Deutschland befinde sich im Zustand der "Konfusion" nicht teilen, um festzuhalten, dass alle bisherigen Konzepte gegen den Rechtspopulismus bislang erfolglos blieben. Und das, obwohl die AfD entweder keine oder nur hanebüchene Problemlösungen bereit hält. Der hektische und konfrontative Politikstil und die Unfähigkeit oder auch Unwilligkeit vieler Akteure, über den Tellerrand der Parteipolitik hinauszuschauen, macht die Bewältigung der fraglos epochalen Herausforderungen schwierig.
Jedenfalls in einer Demokratie, wo die Bürger mitgenommen werden sollen und müssen. Es braucht neues Denken, neue Anstöße, einen Ruck für die Demokratie in Deutschland. Das ahnt man allerdings schon länger und wartete bislang vergebens.