„Das Gesicht der Kommunalpolitik“
Als solches sieht sich Münchens CSU-Hoffnung Josef Schmid. In Sachfragen wie beim Garmischer Olympia-Krach hält er sich lieber zurück. Und er findet: „Ärgern ist in der Politik nicht angebracht“
Von Julia Lenders
AZ: Herr Schmid, wenn Sie ab 1. Januar Oberbürgermeister wären – was wäre Ihre erste Amtshandlung?
JOSEF SCHMID: Ein dringendes Problem, das man 2011 anpacken muss, ist die sich dramatisch verschärfende Wohnungssituation in München – mit weiter anziehenden Mieten. Da sind wir schleunigst gefragt, uns zu überlegen, was wir tun können. Darauf würde mein erstes Augenmerk liegen.
Und was schwebt Ihnen da als Lösung vor? Was tun, wenn es nicht ausreichend Investoren gibt?
Die Frage ist doch: Warum gibt’s die nicht? Und da gibt es Gründe, das muss man ehrlicherweise sagen, die liegen außerhalb des Machtbereichs einer Stadt – wenn es zum Beispiel um steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten geht. Das ist ein bundespolitisches Thema. Doch auch die Kommune kann etwas tun, damit die Investoren stärker einsteigen. Und damit endlich die Zielzahl von 7000 neuen Wohnungen erreicht wird, die Rot-Grün Jahr für Jahr verfehlt.
Noch mal die Frage: Was tun?
Wir müssen die Abläufe im Planungsreferat, die Frage der Baurechtsausweisung investorenfreundlicher gestalten. Nur dann werden wir Investoren dazu bringen, dass sie Wohnungen bauen. Wir müssen die Verfahren kürzer und transparenter machen. Das bedeutet natürlich auch, dass trotz angespannter Haushaltslage im Planungsreferat nicht am Personal gespart werden darf. Denn dort wird der Wohnungsbau schließlich angekurbelt. Und: Lasst uns doch bitte mal schauen, wie Wohnhochhäuser funktionieren. Ich rede natürlich nicht von 200- oder 400-Meter-Türmen.
Jetzt sind Sie 2011 aber eben nicht OB – sondern weiter Chef der größten Oppositionspartei im Rathaus. Gegen welchen SPDler würden Sie bei der Wahl 2014 lieber antreten: Wirtschaftsreferent Dieter Reiter oder Fraktionschef Alexander Reissl?
Ich nehme jeden Kandidaten, der von der SPD kommt, ernst. Deswegen kann ich auch nicht sagen, ich hätte den einen lieber als den anderen. Oder der eine wäre leichter als der andere. Leicht ist gar kein Kandidat von der SPD, das muss man sich klar machen. Man muss ja bloß mal schauen: Seit der Gründung der Bundesrepublik hat die CSU in München nur einmal den gewählten OB gestellt. Deshalb dürfen wir den Kampf um dieses Amt nie auf die leichte Schulter nehmen.
Diese Antwort kommt immer von Ihnen. Allein: Wir glauben nicht, dass Sie keine Präferenz haben, gegen wen Sie lieber antreten würden.
Doch, das dürfen Sie mir glauben. Jeder SPD-Kandidat hat Stärken und Schwächen – so wie das bei jedem Menschen der Fall ist.
Gibt es eigentlich in der CSU keine Begehrlichkeiten? Ist da niemand, der Ihnen die OB-Kandidatur streitig machen würde?
Also, ich verspüre nichts und bemerke gar nichts. Aber es wäre natürlich das gute Recht eines jeden Interessenten, sich zu melden. Ich sehe das aber nicht im Ansatz. Und es ist auch so, dass verantwortliche Menschen in der CSU zur Kommunalwahl 2008 gesagt haben: Derjenige, der unser Kandidat dafür ist, soll es auch bei der Wahl 2014 machen. Damit die Münchner merken: Wir haben hier jemanden, der sein Herz in München hat. Und der eben nicht in irgendein Kabinett, in den Landtag oder Bundestag möchte. Jemand, der dauerhaft als personelles Angebot und als Gesicht der Kommunalpolitik zur Verfügung steht.
Liegt die Tatsache, dass kein Mitbewerber für Sie in Sicht ist, vielleicht auch daran, dass es ansonsten schlicht kein Personalangebot in der CSU gibt?
Es gäbe eine Reihe von hervorragenden Politikern in der CSU München. Aber wir haben gelernt, dass wir auf verschiedenen Ebenen wirken müssen, um die Interessen der Landeshauptstadt durchzusetzen. Und haben die Aufgaben schlichtweg aufgeteilt. Es ist nicht mehr so wie früher, dass, wenn eine Spitzenposition frei wird, plötzlich ein Streit darum ausbricht – weil fünf Leute darauf abzielen. Nehmen Sie zum Beispiel den Münchner CSU-Chef und Ex-Minister Otmar Bernhard.
Der vom Alter her – er ist 64 – für eine OB-Kandidatur nicht in Frage käme.
Dann nehmen wir gleich den nächsten, den Vorsitzenden eines sehr großen und starken Kreisverbandes: Joachim Unterländer. Der und Otmar Bernhard haben sich gerade bei der Staatsregierung durchgesetzt, was die drohende Sozialhilfekürzung angeht. Und haben das ursprüngliche Ansinnen von Ministerin Haderthauer abgewendet. Wir haben einen Minister in der Staatsregierung, wir haben junge Abgeordnete im Landtag, wir haben erfahrene Stadträte – von denen sich aber keiner angestrengt hat zu sagen, er will OB-Kandidat werden. Wir haben eine Ordnung in der Partei, wo die Überzeugung vorherrschend ist, dass alle zusammenwirken. Jeder an seiner Stelle.
Und gemeinsam gegen den Rest? Wie oft haben Sie die Hand in der Tasche geballt, wenn Sie in Richtung Maximilianeum geschaut haben?
Kein einziges Mal. Wenn es dazu hätte kommen können, habe ich die Hand vorher aus der Tasche genommen und zur Feder gegriffen und mich für Münchner Interessen eingesetzt. Durch Briefe oder klare Meinungsäußerungen in der Presse oder im Rathaus. Zuletzt war das der Fall bei unserem massiven Einsatz für die 17000 Sozialhilfeempfänger. Wir haben dafür gekämpft, dass sie in München weiterhin 20 Euro mehr bekommen.
Was Ihre CSU-Sozialministerin Frau Haderthauer ja fast verhindert hätte. Ärgert es Sie denn nicht, wenn die Kollegin dafür sorgt, dass die CSU das „S“ in ihrem Namen eigentlich schamhaft klein schreiben müsste?
Ärgern ist in der Politik sowieso nicht angebracht. Es geht darum, dass wir unsere Münchner Sicht deutlich machen. Wenn das Problem hier anders gesehen wird als in anderen Teilen des Landes, dann werde ich das als Münchner CSU-Fraktionschef deutlich artikulieren. Auch dann, wenn es eine Staatsregierung ist, die von der CSU getragen ist. Für uns zählen Münchner Interessen.
Apropos – sind Sie eigentlich Olympia-Fan?
Für mich sind die Olympischen Spiele die größte Friedensbewegung der Welt. Und ich sehe auch gute Chancen für die Münchner Bewerbung – trotz der Probleme in Garmisch. Da sind die Gespräche vor Ort offensichtlich nicht so gelaufen, wie sie hätten laufen sollen. Wenn der Eindruck bei den Bauern entstand: Mit uns redet keiner und wir lesen aus der Zeitung, was mit uns alles passieren soll – dann wäre ich genauso beleidigt, das ist klar.
Wer hat die Fehler gemacht?
Ich glaube, dass die Fehler teilweise vor Ort gemacht wurden.
Von wem?
Das muss vor Ort geklärt werden.
Das ist aber eine langweilige Antwort.
Ich weiß schon, aber möchte mich in die Garmischer Kommunalpolitik nicht einmischen.
Zum Schluss noch kurz ein Blick über Bayern hinaus: Schwarz-Gelb hat keinen guten Auftritt im vergangenen Jahr hingelegt. Da stimmen auch Sie zu, oder?
Da hätte man vieles in der Außendarstellung besser machen können, und man hätte viele Abläufe im Koalitionsgeschehen ebenfalls anders gestalten müssen: Vorher miteinander reden, die Streits nicht in der Öffentlichkeit austragen, sich an Abgemachtes in der Koalition halten. Das, was die Menschen, die Schwarz-Gelb gewählt haben, auch erwartet haben. Als Enttäuschung würde ich das Jahr trotzdem nicht bezeichnen, weil wichtige Dinge wie die Bundeswehrreform angepackt wurden.