Bayerns Innenministerium streitet brisante UN-Vorwürfe ab: "Aus der Luft gegriffen"
Ein UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer wirft dem Freistaat vor, in bestimmten Fällen "die Ausübung des Demonstrationsrechts" zu behindern. Das Innenministerium kann die Vorwürfe "nicht nachvollziehen".
UN-Sonderberichterstatter erhebt Vorwürfe gegen Bayern
Michel Forst, der UN-Sonderberichterstatter kürzlich einen Bericht über die "staatliche Unterdrückung von Umweltprotest und zivilem Ungehorsam" veröffentlicht. In seinem Papier, worüber die "Süddeutsche Zeitung" zuerst berichtet hat, legt er Beispiele staatlicher Verfolgung von Umweltschützern in Europa dar.
Bayern wird darin an zwei Stellen genannt. Insbesondere wird der Präventivgewahrsam gegen Aktivisten der "Letzten Generation" thematisiert. Diese hatten in den vergangenen zwei Jahren regelmäßig Straßen blockiert, um für eine konsequentere Klimapolitik zu demonstrieren. Der Vorwurf: Präventivgewahrsam sei bei vielen "friedlichen Klimaaktivisten" angewandt worden.
UN-Sonderberichterstatter: "Bedrohung der Menschenrechte und Demokratie"
Forst führt die Vorwürfe in seinem Papier weiter aus: "Indem sie Umweltaktivismus als mögliche Terrorbedrohung einstufen, die Meinungsfreiheit beschränken und bestimmte Protestformen sowie Demonstranten kriminalisieren, tragen solche legislativen und politischen Entscheidungen dazu bei, dass der zivile Raum schrumpft und die Vitalität demokratischer Gesellschaften ernsthaft gefährdet wird." Er sieht darin eine "Bedrohung der Menschenrechte und der Demokratie". Der Staat müsse anstatt der Klimaaktivisten, die Klimakrise bekämpfen.
"Aus der Luft gegriffen": Innenministerium streitet Vorwürfe ab
Das Innenministerium findet, dass "von einer Kriminalisierung von Klimaaktivisten" nicht "die Rede sein" könne. "Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr oder in den Luftverkehr sind ernstzunehmende schwerwiegende Straftaten", so das Ministerium auf Anfrage. Zuletzt war auch der Unterschied zwischen dem Vorgehen der Polizei gegenüber Klimaaktivisten und Bauerndemonstrationen Thema. Diesen Vorwurf empfindet das Ministerium "ebenso aus der Luft gegriffen".
Die Bayerische Polizei habe "gegen Personen beider Gruppierungen [...] bereits Anzeigen wegen Rechtsverstößen eingeleitet", so das Ministerium auf Anfrage der Abendzeitung. "Insbesondere bei Gefahren und Straftaten schreitet die Bayerische Polizei konsequent ein und bringt Verstöße konsequent zur Anzeige, bei Landwirten genauso wie bei Klimaaktivisten."
Innenministerium über Bauern- und Klimademos: "Großer Unterschied"
In Bezug auf die Vorwürfe zur Präventivhaft erläutert das Innenministerium: "Es ist ein großer Unterschied, wenn Blockadeaktionen schnell und durch kommunikative Mittel beendet werden können wie das bei den vereinzelten Blockaden der Landwirte regelmäßig der Fall war."
Bei vielen "klimaaktivistischen Aktionen" seien "sämtliche kommunikativen Maßnahmen durch die Betroffenen rigoros abgeblockt" worden, so dass nur eine zwangsweise polizeiliche Auflösung die Blockaden möglich war", so das Ministerium. Ziel polizeilichen Gewahrsams sei "nicht die Einschränkung des Versammlungsrechts, sondern die Verhinderung von konkret angekündigten Straftaten oder Gefährdungen anderer".
Florian von Brunn: "Es ist schlimm, dass die einseitige CSU-Politik von UN kritisiert wird"
Etwas anders sieht das Florian von Brunn, Parteivositzender der SPD Bayern: "Herr Herrmann misst eindeutig mit zweierlei Maß: Klimakleber werden präventiv weggesperrt. Aber bei protestierenden Bauern hat man bisher wenig von so drakonischen Maßnahmen gehört." Der Staat solle "alle gleichbehandeln, Maß halten und weniger brutal durchgreifen", so von Brunn in der AZ. Er selbst halte zwar auch wenig von Straßenblockaden und Klebeaktionen, jedoch sei es "schlimm, dass die einseitige CSU-Politik jetzt schon von UN-Beobachtern kritisiert wird".
Katharina Schulze: "Es ist beschämend für Bayern"
Auch Katharina Schulze zeigt sich von den Vorwürfen alarmiert. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte sie: "Die Kritik der UN am bayerischen Vorgehen darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden." Es sei "zugleich beschämend, dass Bayern in Sachen Klimaschutz nur für sein überhartes Vorgehen gegen Demonstrierende wahrgenommen wird", so Schulze. Die Staatsregierung müsse ihre Prioritäten überdenken und den Klimaschutz entschlossener angehen.