AZ-Analyse: Ihr seid nicht viele, ihr seid nur laut!
München – Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel in der TV-Talkshow von Anne Will ihre aktuelle Politik erklärt und verteidigt hatte, ließen die Kommentare dazu nicht lange auf sich warten. So schrieben AZ-Leser beispielsweise: "Leider wird dieser Wahnsinn noch zwanzig Monate noch so weitergehen, aber dann haben WIR es geschafft." Ein anderer verkündete: "AFD, wie bist du schön, ich wähle bald deutsch, eine richtige demokratische Partei". Und wieder jemand anders erklärt: "Für mich gehört es zur verdammten Pflicht diese Regierungskoalition nicht mehr zu wählen, denn wer durch massenhafte Einwanderung Rechtsbruch nach Auffassung vieler Staatsrechtler und Verfassungsgerichtspräsidenten begeht, kann vom Wahlvolk nicht mehr verlangen an seinem eigenen Niedergang mitzuwirken."
Kommentare wie diese schalten wir derzeit am laufenden Band frei. Während früher die Scharmützel zwischen Bayern- und Sechzig-Fans den Moderatoren die meiste Arbeit bereiteten, sind es jetzt die politischen Diskussionen. Wobei das Wort "Diskussionen" eigentlich ja kontrovers geführte Gespräche vermuten lässt. Doch stattdessen herrscht absolute Einigkeit: Merkel muss weg, Festerling, von Storch und Steinbach haben Recht und bei den nächsten Wahlen wird die Regierung schon ihre Quittung bekommen.
Frauke Petry blamiert sich mit Umfrage zu Grenzschließung
Doch ist das wirklich so? Eine Umfrage von AfD-Chefin Frauke Petry lässt anderes vermuten: Sie fragte auf Twitter, ob Deutschland die Grenzen dicht machen solle – und erhielt als Antwort 78 Prozent Ablehnung. Das passt irgendwie so gar nicht in das unter unseren Artikeln vermittelte Bild, wo man sich über wenig so einig ist wie über die Forderung, "den Asylwahnsinn endlich [zu] stoppen". Denn: "In 15 Jahren spricht Deutschland sowieso arabisch, wenn es so weitergeht."
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Aber eine missglückte Petry-Umfrage allein ist noch nicht wirklich aussagekräftig. Denn Twitter und Bundestags- oder Landtagswahl sind schließlich nicht miteinander vergleichbar. Also schauen wir stattdessen mal auf den ARD Deutschlandtrend – eine Wahlumfrage, bei der seit Jahrzehnten stets bis auf marginale Abweichungen korrekt das Wahlverhalten der Deutschen abgefragt und hochgerechnet wird.
Merkels Beliebtheitswerte nehmen stark zu
Doch spätestens mit diesem Blick gerät das Kommentar-Stimmungsbild nicht nur ins Wanken, nein es stürzt völlig in sich zusammen: Laut der aktuellen Umfrage vom Februar legt die Union aus CDU/CSU in der Wählergunst um einen Prozentpunkt zu und bleibt mit 36 Prozent mit weitem Abstand die stärkste Fraktion. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst? Die bricht nicht in den Umfragewerten ein, sondern steigt wie der Phönix aus der Asche auf: Um acht Punkte geht es für sie nach oben, auf 54 Punkte. Seehofer hingegen stürzt um sieben auf 38 Punkte ab und Frauke Petry dümpelt mit 11 Punkten am Ende der Beliebtheitsskala vor sich hin.
Und ihre Partei, die Alternative für Deutschland? Die kommt bei der Wahlumfrage auf 11 Prozent, ein Minus von einem Prozentpunkt gegenüber dem Vormonat. Mangels Koalitionspartner befindet sie sich damit im politischen Niemandsland, fernab von jeglicher Chance, auf den Kurs der Regierung Einfluss zu nehmen.
AfD kann nur gering von Unzufriedenheit mit Flüchtlingspolitik profitieren
Aber wie kommt es dann zu dieser in den Kommentarspalten vermittelten Fehleinschätzung? Auch darauf liefert der Deutschlandtrend eine Antwort: Auf die Frage, wie zufrieden sie mit Merkels Asyl- und Flüchtlingspolitik sind, antworteten 59 Prozent "weniger oder gar nicht zufrieden". Es rumort also durchaus unter den Bürgern. Aber dennoch traut man den etablierten Parteien eher zu, dass sie das Problem lösen. So sagten 77 Prozent, dass eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise am sinnvollsten sei, nur 20 Prozent halten eine nationale Lösung für den besseren Weg.
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Die AfD stellt in dieser Frage für die breite Mehrheit also offenbar doch keine Alternative dar. Sie hat vielleicht derzeit die lautesten Fürsprecher, aber in der Wahrnehmung der Bundesbürger kann sie nicht ernsthaft zur Lösung des Problems beitragen. Stattdessen denken mittlerweile drei Viertel aller Befragten (76 Prozent): "Die AfD distanziert sich nicht genug von rechtsextremen Positionen."