Asylpolitik belastet schwarz-grüne Gespräche
Berlin - So habe Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) angesichts von über 300 Toten vor Lampedusa mehr Härte gegen Flüchtlinge gefordert, sagte der Wahlkampf-Spitzenkandidat dem Sender N24. "Das ist dermaßen ein Abgrund an Zynismus - das ist kaum zu übertreffen."
Trittin und Friedrich gehören den Verhandlungsgruppen ihrer Parteien an, die am Nachmittag die Chancen für eine Koalition ausloten. Der ebenfalls am Verhandlungstisch sitzende Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, sendete dagegen versöhnlichere Signale. "Wenn die gemeinsame Basis reicht, wäre Schwarz-Grün eine Chance. Das müssen wir aber eruieren", sagte er der "Südwestpresse". "Auch in schwieriger Lage muss jemand Verantwortung übernehmen und das Land regieren", sagte er. "Dieser Herausforderung müssen wir uns mit allem Ernst stellen."
Trittin kritisierte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hintertreibe europäische Obergrenzen für den Spritverbrauch. "Selbst ein Kompromiss, den der größte europäische Automobilhersteller Volkswagen mittragen kann, wird von Merkel akut sabotiert", sagte er auf NDR Info. An einer stabilen Regierung von Union und Grüne habe er Zweifel: "Zum Beispiel in der Frage der Energie-, der Klima- und auch der Europa-Politik sind die Widersprüche doch sehr deutlich."
Nordrhein-Westfalens grüne Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann, die ebenfalls an der Sondierung teilnimmt, wandte sich dagegen, die Differenzen mit CSU-Chef Horst Seehofer überzubewerten. Seehofer belaste zwar die Verhandlungen, sagte sie auf SWR2. Aber: "Ich will mich jetzt nicht an Herrn Seehofer abarbeiten, dafür ist uns die Sache zu wichtig." Seehofer hatte sich nach der Bundestagswahl kritisch zu den Grünen geäußert. "Mit den Grünen von heute, mit Jürgen Trittin und Volker Beck, könnte es sowieso keine Gespräche geben", hatte er dem "Spiegel" gesagt. Schwarz-rote Koalitionsverhandlungen befürwortete er.
CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte im ARD-"Morgenmagazin": "Mein Herz schlägt für Schwarz-Grün, mein Verstand für Schwarz-Rot." Die Frage sei, ob 2013 schon das richtige Jahr für Schwarz-Grün sei. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler befand im WDR 5: "Es ist höchste Zeit, dass sich die Union, aber auch die Grünen öffnen für eine Koalition." Es gebe in beiden Parteien noch zu viele Betonköpfe, die Denkblockaden aufrechterhalten. Der hessische CDU-Politiker Franz Josef Jung, einst Verteidigungs- und später Bundesarbeitsminister, forderte seine Partei in der "Leipziger Volkszeitung" auf, sich neuen Bündnisoptionen zu öffnen.
Die Union, die auch schon mit der SPD zusammengekommen ist, hatte in den vergangenen Tagen mehrfach betont, ergebnisoffen sondieren zu wollen. Am Montag soll es ein zweites schwarz-rotes Sondierungsgespräch geben.
Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte der "Rheinischen Post", er wolle das Gespräch so führen, "dass wir anständig miteinander umgehen - nicht nur heute, sondern auch in Zukunft". Von einem Dialog hin zur Zusammenarbeit sei es allerdings ein weiter Weg. Ministerpräsident Kretschmann sagte, eine Koalition sei nur machbar, wenn grüne Kernbereiche wie ökologische Modernisierung der Wirtschaft oder die Öffnung zu einem Einwanderungsland klar erkennbar abgebildet seien.
An der Basis der Grünen überwiegen die kritischen Stimmen gegenüber Schwarz-Grün im Bund. Es gibt aber auch Forderungen, es ernsthaft zu versuchen, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa zeigte. "Wir haben viele kritische Rückmeldungen aus den Kreisverbänden erhalten", sagte etwa der niedersächsische Landeschef Jan Haude. Die Grünen stecken derzeit mitten in einem Prozess der Neuaufstellung nach ihrem 8,4-Prozent-Dämpfer bei der Bundestagswahl.