WWF-Studie: Wie stark der Fleisch-Konsum das Klima beeinflusst
Der Flexitarier macht es richtig: Nach einer Studie der Umweltstiftung WWF spielen unsere Ernährungsgewohnheiten eine unterschätzte Rolle beim Klima- und Naturschutz. Menschen, die bewusst wenig, aber dafür hochwertiges Fleisch zu sich nehmen, halten die Welt eher im ökologischen Gleichgewicht als Vollzeit-Fleischesser.
Die Ernährung eines Vegetariers verursache nur etwa halb so viel Treibhausgase wie die Ernährung im deutschen Durchschnitt. Die Auswirkungen unserer Essgewohnheiten würden folglich unterschätzt. Die Forderung: generelles Umdenken und eine ökologische Ernährungswende.
Kulinarischer Kompass für eine gesunde Erde
In der gestern veröffentlichten Studie "So schmeckt Zukunft - der kulinarische Kompass für eine gesunde Erde", die WWF gemeinsam mit der Corsus - Corporate Sustainability GmbH durchgeführt hat, wurden nach WWF- Angaben erstmals globale Ernährungsempfehlungen der EAT-Lancet-Kommission auf Deutschland übertragen.

Ernährungssysteme - vom Acker bis zum Teller betrachtet - würden eine der größten Herausforderung für den Planeten und das Fortbestehen der Menschheit darstellen, heißt es darin. Pandemien etwa würden durch unsere Ernährungssysteme bedingt. Weltweit sei zudem 70 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt und 80 Prozent der Entwaldung auf diese zurückzuführen.
Laut WWF liegt der bundesdeutsche Verbrauch von tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Käse und Wurst im Schnitt bei 817 Gramm pro Woche. Zusammen mit Milchprodukten verursache dies rund 70 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgas-Emissionen. Ohne eine Trendwende können die Ziele des Pariser Klimaabkommen nicht erreicht werden, sagte Tilo Suckow, Referent für Klimaschutz beim WWF, bei der Vorstellung der Studie gestern.
Für bessere Ökobilanz: Nur noch die Hälfte an Fleisch verzehren
Halbiere sich der Fleischkonsum der Deutschen grob im Schnitt auf 470 Gramm pro Woche, wie bei einer flexitarischen Ernährungsweise, sieht die Ökobilanz besser aus: Die ernährungsbedingten Treibhausgas-Emissionen von derzeit rund 210 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr könnten um 27 Prozent (56 Millionen Tonnen) reduziert werden. Ein CO2-Äquivalent von einer Tonne entspricht dem Erwärmungseffekt von einer Tonne Kohlendioxid.
Noch höhere Einsparungen seien bei einem vegetarischen oder veganen Lebensstil möglich - 98 bis 102 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Auch für die Nahrung benötigte landwirtschaftliche Fläche würde sich bei weniger Fleischkonsum verringern. Auf mehr als einem Drittel der bewohnbaren Fläche der Erde wird laut WWF Landwirtschaft betrieben. Wenn Soja in Nord- und Südamerika vorwiegend als Tierfutter angebaut und dann auch noch nach Europa exportiert wird, gilt das zudem als verheerend für Öko-Bilanzen. In Brasilien beschleunigt der Sojaanbau dabei auch noch die fortschreitende Zerstörung von Wäldern.
Der WWF plädiert für ein generelles Umdenken. Beim Catering für Veranstaltungen oder auf Reisen würde es dann automatisch ein vegetarisches Menü geben, sagte Tanja Dräger de Teran, Referentin für Ernährung und Landwirtschaft beim WWF Deutschland. "Wer Fleisch möchte, kreuzt das extra an." Noch ist es häufig umgekehrt. Wünschenswert seien auch verpflichtende Mindestkriterien für die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen wie Kantinen oder Schulen, etwa was den Anteil von Bioprodukten anbelange. Die Wahl müsse künftig immer die gesunde und nachhaltige sein.
Der WWF fordert von der Politik unter anderem auch die Prüfung einer Lenkungssteuer auf tierische Lebensmittel, die nicht aus ökologischer Landwirtschaft stammen. "Deutschland ist Mitverursacher der globalen Ernährungskrise", so Dräger de Teran. Bisher werde die Verantwortung für eine Ernährungswende auf den Schultern der Verbraucher abgeladen. Die kommende Regierung müsse bis spätestens 2022 eine Ernährungsstrategie auf den Weg bringen, deren Maßstab die ökologischen Grenzen der Erde sein sollten. Dazu gehöre auch, ein Nachhaltigkeitslabel für Lebensmittel einzuführen. An diesem könnten Verbraucher dann direkt Werte zu den Aspekten Umwelt, Gesundheit, Tierwohl und Soziales ablesen.
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