Wie Helfer Flüchtlinge ins Internet bringen
Aus Angst vor illegaler Nutzung gibt es in vielen Flüchtlingsheimen in Deutschland keinen Internetzugang. Private Initiativen wollen das ändern. Sie fürchten eine Isolation der Einwanderer.
Berlin/München - Gedankenverloren tippt Abshi Ahmed auf seinem Smartphone herum. Der junge Somalier sitzt in einer Notunterkunft in Berlin. Er ist still, seit einigen Tagen erst ist er in Deutschland. Wie viele andere Flüchtlinge hat er auf dem Handy Fotos von seiner Familie, die er in der Heimat zurückgelassen hat. Über das Internet könnte er ihnen schreiben, sie sehen - aber WLAN gibt es nicht, und einen Mobilfunkvertrag mit Datentarif darf er noch nicht abschließen.
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Wie Ahmed geht es vielen Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen. Nach Recherchen des Blogs "Netzpolitik.org" von Juni stellen nur etwa 15 Prozent der Flüchtlingsunterkünfte einen Internetzugang. Die Daten sind nicht vollständig, heißt es, viele Behörden hätten selbst keinen umfassenden Überblick über die Ausstattung. Doch einige private Initiativen wie "Freifunk Dortmund" oder "Refugees Online" bei München haben die Sache längst selbst in die Hand genommen. Sie bringen Hunderte Flüchtlinge ins Netz - damit sie mit ihrer Familie sprechen und sich in der neuen Umgebung zurechtfinden können.
Prepaid-Internet ist zu teuer
"Viele Flüchtlinge haben zwar ein Smartphone, aber kein Geld für teure Prepaid-Datentarife", erklärt Sven Borchert von den Freifunkern das Problem. "Für einen Handyvertrag brauchen sie einen festen Wohnsitz und eine Aufenthaltsgenehmigung." In einigen Unterkünften gibt es Computerplätze, andere Betreiber stellen aber bewusst keinen Internetzugang. Sie befürchten, bei illegalen Downloads oder teuren Bestellungen selbst zur Rechnung gezogen zu werden.
In den bundesweit knapp 80 Unterkünften der Malteser etwa gibt es in der Regel kein Internet. "Wir wissen, dass das Internet die wichtigste Ader für den Kontakt zur Familie ist", sagt Klaus Walraf, Sprecher der Hilfsorganisation. "Und es ist uns ein Anliegen, das als Angebot für die Unterkünfte aufzunehmen. Aber der einzelne Nutzer soll identifiziert werden können und im Zweifelsfall haften."
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Diese Hürde versuchen die Freifunker zu umgehen: Sie stellen WLAN-Router in die Heime und leiten die eingehenden Verbindungen wie ein Provider über eigene Server ins Internet. Damit sind sie von der sogenannten Störerhaftung befreit, sagt Borchert. Das heißt: Für Abmahnungen etwa wegen verbotener Streams müssten die Helfer nicht selbst aufkommen. Finanziert wird die technische Hilfestellung aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen, sagt Borchert. Mehr als 400 Flüchtlinge in Dortmund können so mittlerweile im Web surfen.
"Flüchtlinge kommen nicht hierher, um illegal Filme zu laden"
Dass das Internet für die Flüchtlinge mehr ist als Luxus, davon ist der 37-Jährige überzeugt. "Die neue Sprache lernen, sich in der Stadt orientieren, Behördengänge vorbereiten - da hilft das Internet sehr."
Diese Meinung teilt auch Volker Werbus aus Gilching. Werbus rief Ende 2014 die Initiative "Refugees Online" ins Leben. Seither können etwa 900 Flüchtlinge im Münchener Umland mit WLAN-Hotspots, die die Helfer installiert haben, online gehen. Kooperationen mit weiteren Unterkünften sollen folgen.
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Allerdings stößt Werbus auch auf Widerstand. Er wünscht sich, dass der Staat zumindest in den Erstaufnahmen das Internet selbst bereitstellt. Die Betreiber, die den Internetzugang aus Angst vor Missbrauch ablehnen, kann der IT-Ingenieur nicht verstehen. "Was ist das für ein Menschenbild?", fragt Werbus. "Nimmt man hier ernsthaft an, dass jemand aus seiner Heimat, in der Krieg herrscht, nur flieht, um in Deutschland illegale Filme herunterzuladen?"
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