Berlin will Urinale für alle: Sind Frauen-Pissoirs auch was für die Wiesn?

Berlin – Wer auf der Wiesn schon mal auf die Toilette musste kennt das Bild: Während es auf der Männer-Seite trotz Menschenmassen stetig voran geht, wächst vor der Damen-Toilette eine ohnehin schon riesige Schlange im Lauf des Abends zu einem gigantischen Monstrum heran. Der Grund dafür ist simpel: Die Frauen stehen für eine Handvoll Toilettenkabinen an, die meisten Männer hingegegen werden in regelrechter Massenabfertigung an Pissoir-Rinnen entlang geschleust.
Das ist zwar ausgesprochen eklig, aber halt auch schnell. Und genau an diesem Punkt setzt das Berliner Konzept an: Es sollen Urinale für Frauen gefunden werden, die sich schnell und zugleich hygienisch benutzen lassen, um so den Gender Gap beim Pinkeln zu schließen. Oder um es mit den Worten des Berliner Senats zu sagen: "Aus Sicht der Gleichstellung sind [Männer-]Pissoirs allein nicht akzeptabel." Und deshalb lautet die soeben beschlossene Forderung: "In Zukunft sollten Urinale, die von allen Geschlechtern benutzt werden können, angeboten werden."
Allerdings hat die Gleichberechtigung beim Wasserlassen gleich zwei Haken, die das scheinbar recht simple Konzept relativ schwer realisierbar machen. Der eine ist psychologischer Natur: Es ist extrem unwahrscheinlich, dass Frauen sich ohne Kabinen oder zumindest Trennwände vor Pissoirs hocken und nebeneinander ihr Geschäft verrichten, wie es bei Männer-Urinalen und –Pinkelrinnen seit jeher Usus ist.
Schneller, umweltfreundlicher - und dennoch bislang nicht existent

"We-P": Konzept für ein Unisex-Urinal, das von Frauen und Männern benutzt werden kann. Foto: Michal Farago
Der zweite Hinderungsgrund ist allerdings noch deutlich komplizierter: Es gibt derzeit in Deutschland gar keine Frauen-Urinale zu kaufen. Der Markt dafür existiert schlicht und ergreifend nicht. Das ist durchaus überraschend, wenn man bedenkt, dass es Prototypen und Entwürfe für Unisex- oder Frauen-Pissoirs bereits seit knapp 20 Jahren gibt. Das Konzept ist dabei stets identisch, Unterschiede gibt es nur im Detail.
Das Urinal benutzen Männer klassisch davorstehend und Frauen mit dem Rücken zur Wand "in einer leichten Skihocke", sagt Mete Demiriz, Professor für Sanitär- und Bädertechnik an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen im Interview mit jetzt.de. "Diese Haltung praktizieren Frauen sowieso auf öffentlichen Toiletten [...]. Man hat dabei beide Hände frei, um den Rock oder die Jacke hochzuhalten."
Anders als bei Männer-Pissoirs, die inzwischen teilweise ja komplett wasserfrei auskommen, müsste es zudem eine Spülung geben, die stark genug ist, Toilettenpapier zu entsorgen. Dennoch wäre das Pissoir damit deutlich umweltfreundlicher als eine klassische öffentliche Toilette, denn die spülen Frauen in der Regel drei Mal: einmal vor der Benutzung, einmal danach und noch ein drittes Mal, um das Papier herunter zu spülen, mit dem sie die Klobrille abgedeckt hatten, so Demiriz.
Einfach schnell ohne Berührung hinhocken, dabei das Dirndl festhalten und anschließend einmal spülen – das Berliner Konzept könnte also durchaus auch für die Wiesn einen Zuwachs an Geschwindigkeit und eine Reduzierung des Wasserverbrauchs bringen. Aber ob das Frauen-Pissoir eines Tages eine echte Option für die Münchner Festwirte ist, hängt offenbar davon ab, ob die Berliner Politiker ihre großen Zukunftspläne tatsächlich realisiert bekommen und überhaupt erst mal einen Markt für Damen-Urinale schaffen. Und somit hat das schnelle Pinkeln für Frauen (nicht nur auf der Wiesn) auch weiterhin eine extrem ungewisse Zukunft.
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