Afghanistan-Einsatz: Immer mehr traumatisierte Soldaten

Die Zahl der Soldaten, die unter schweren psychischen Belastungen leiden, hat sich verdoppelt. Die meisten von ihnen waren in Afghanistan, wie aus dem Jahresbericht der Bundeswehr hervorgeht.
von  Abendzeitung
Viele Soldaten leiden unter schweren psychischen Belastungen
Viele Soldaten leiden unter schweren psychischen Belastungen © dpa

BERLIN - Die Zahl der Soldaten, die unter schweren psychischen Belastungen leiden, hat sich verdoppelt. Die meisten von ihnen waren in Afghanistan, wie aus dem Jahresbericht der Bundeswehr hervorgeht.

Immer mehr Bundeswehr-Soldaten leiden wegen des Afghanistan-Einsatzes unter schweren psychischen Belastungen. Im vergangenen Jahr wurden 466 Soldaten wegen posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) behandelt. Damit habe sich die Anzahl der Erkrankten im Vergleich zu 2008 fast verdoppelt, schreibt der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), in seinem am Dienstag vorgestellten Jahresbericht 2009. Fast 90 Prozent der erkrankten Soldaten gehörten zur Internationalen Schutztruppe ISAF in Afghanistan, heißt es in dem Bericht.

Der Wehrbeauftragte führt zwei Gründe für den Anstieg der Zahlen an: Zum einen seien mehr Soldaten als früher im Einsatz. Zum anderen gebe es in Afghanistan, vor allem im Raum Kundus, kriegsähnliche Verhältnisse. Nach wie vor ungeklärt sei die Dunkelziffer psychisch erkrankter Soldaten. «Nach meinen Erkenntnissen werden in der Truppe psychische Erkrankungen nach wie vor als stigmatisierend empfunden und von den Betroffenen insbesondere aus Angst vor persönlichen Nachteilen nicht offenbart», betont Robbe in dem Bericht.

Klares Versagen

In dem Jahresbericht übte Robbe zudem scharfe Kritik an der Sanitätsführung: Es gebe eine unübersichtliche Führungsstruktur, zu viel Bürokratie sowie fehlendes Personal und Material. Er warf der Sanitätsführung, insbesondere dem verantwortlichen Inspekteur, ein «klares Versagen» vor. Es sei zu spät gehandelt und Probleme seien schön geredet worden. «Es gibt nicht wenige Experten in der Bundeswehr die davon sprechen, dass dieser Inspekteur die Sanität regelrecht vor die Wand gefahren habe», sagte Robbe.

Die Sanitätsführung gehe davon aus, dass derzeit rund 600 Ärzte fehlten, so der Wehrbeauftragte. Die Soldaten und ihre Angehörigen müssten sich aber auch weiter darauf verlassen können, dass sie optimal versorgt würden, wenn im Einsatz etwas passiere, sagte Robbe. In den Jahresbericht flossen 5700 Eingaben von Soldaten ein und Erkenntnisse, die Robbe bei Truppenbesuchen gewann.

Solidarisch mit Oberst Klein

Nach Aussage von Robbe hat das verheerende Bombardement von Kundus erhebliche Auswirkungen auf alle Ebenen der Bundeswehr gehabt. Es gebe in der Truppe viel Unterstützung für den Bundeswehroberst Georg Klein, der den Angriffsbefehl gegeben hat. Er habe in den Streitkräften «keine einzige Stimme» vernehmen können, die sich nicht mit Klein solidarisch gezeigt habe, schriebt Robbe. Bei dem Bombardement waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags klärt derzeit die Hintergründe des Angriffs auf. (dpa/nz)

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