"Wir sind keine Kriminellen": Erster Cannabis-Club in München vor Gericht

Marihuana soll künftig legal von Vereinen ausgegeben werden. Wie sich der Cannabis-Club in München formiert, von Tausenden Anfragen überrannt wird – und schon jetzt Ärger hat.
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Cannabis-Aktivist Josef Miehling am Marienplatz in München. Noch klemmt aber kein Joint zwischen den Fingern seiner Hand.
Cannabis-Aktivist Josef Miehling am Marienplatz in München. Noch klemmt aber kein Joint zwischen den Fingern seiner Hand. © Daniel von Loeper

München - Er wollte nie ein Aktivist sein, sagt Josef Miehling. Und jetzt ist er es doch. In den vergangenen Monaten wurde aus dem 38-jährigen Immobilienmakler und Chef eines Fastfood-Restaurants ein Cannabis-Aktivist. Miehling ist stellvertretender Vorsitzender des "Cannabis Social Clubs München".

Vereine wie diese sollen bald Gras legal anbauen und an ihre maximal 500 Mitglieder ausgeben dürfen. Diesen Plan gab Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) im Frühjahr bekannt. Für Miehling war damals bereits klar, dass er dabei sein will – und zwar ganz vorne. Er tat sich mit zwölf anderen zusammen, um Münchens ersten Cannabis-Club zu gründen.

"Cannabis Social Clubs München": Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht

Was er damals nicht ahnte: dass er sich bald in einem Rechtsstreit vor dem bayerischen Oberlandesgericht befinden würde. Dass er versuchen würde, einen Gesetzentwurf zu verändern. Oder, dass er einen Großteil seiner Freizeit dafür aufwenden würde, sich mit Politikern, mit Gegnern und Gleichgesinnten über Cannabis auszutauschen.

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Cannabis-Clubs in Deutschland: Explodierende Mitgliederzahlen

In ganz Deutschland gibt es inzwischen 14 "Cannabis Social Clubs", die offiziell als Verein eingetragen sind – zum Beispiel in Nürnberg, Berlin, Hamburg und Oberhausen.

Der Vorsitzende des Cannabis Clubs Stuttgart erzählte in der Tageschau und in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass seine Mitgliederzahlen explodierten.

Cannabis-Club: Tausende Voranfragen für Mitgliedschaft auch in München

Theoretisch ist das beim Cannabis Social Club München auch so. 2.300 bis 2.400 Voranfragen für eine Mitgliedschaft habe er inzwischen bekommen, sagt Miehling.

Das sind fünfmal so viele wie nach den derzeitigen Plänen des Gesundheitsministers in einem Cannabis Club Mitglied sein dürften. Miehling schätzt, dass noch viel mehr Menschen Interesse haben. "Aber weil es noch kein Gesetz gibt, trauen viele der Sache noch nicht", meint er.

Warum es in München noch keinen Cannabis-Verein gibt

Tatsächlich gibt es in München allerdings noch gar keinen richtigen als Verein eingetragenen Cannabis-Club, der Mitglieder aufnehmen könnte. Miehling und seine Mitstreiter wollten den Verein zwar offiziell eintragen lassen. Doch das Münchner Amtsgericht verwehrte das.

Das Argument: In der Vereinssatzung setzt sich der Club das Ziel, in Zukunft gemeinsam Cannabis anzubauen – und das ist schließlich momentan noch illegal. In Berlin verwende der Verein fast die gleiche Satzung und dort sei es zu keinen Problemen gekommen.

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Cannabis-Clubs in München? Das sagt ein Rechtsanwalt

Miehling wandte sich deshalb an den Münchner Rechtsanwalt Roland Weber, der auf Vereinsrecht spezialisiert ist. Er legte Beschwerde ein. Wahrscheinlich kommt es zu einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht.

"Aus meiner Sicht ist die Vereinsgründung natürlich möglich. In der Satzung steht ja, dass erst angebaut werden soll, sobald es legal ist", erklärt Rechtsanwalt Weber. Er berät bundesweit etwa sieben Cannabis-Clubs, davon drei in München. "Momentan empfehle ich, mit der Neugründung zu warten, bis ein Urteil vorliegt."

Gründung von Cannabis-Vereinen: Nur in München gibt es Schwierigkeiten

München sei seines Wissens das einzige Gericht, was Schwierigkeiten bei der Gründung der Cannabis-Vereine mache. Warum das so ist? Da will Weber lieber nicht mutmaßen. "Ich mache fünf Kreuze, wenn das alles erst einmal durch ist", sagt Miehling. Damit meint er nicht nur den Streit mit dem Amtsgericht. Sondern auch das Gesetz im Allgemeinen. Denn auch den Entwurf aus dem Gesundheitsministerium hat er sich anders vorgestellt.

Besonders stört ihn, dass in den Clubs bloß Cannabis angebaut und nicht konsumiert werden soll. Er wollte eigentlich das "Social" im Namen besonders betonen – und nicht bloß eine Ausgabestelle schaffen. Miehling bezweifelt, dass es im Sinne des Jugendschutzes ist, wenn die Menschen statt im Verein irgendwo im Park kiffen.

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Legales Gras wegen ADHS

Miehling selbst kommt übrigens schon jetzt an Gras – und zwar legal. Er bekommt 30 Gramm im Monat auf Rezept, denn er hat ADHS – eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Er konsumiert drei Mal am Tag - morgens mittags und abends - so ähnlich wie andere Tabletten schlucken, sagt er.

Nur, dass er Cannabis durch einen Vaporizer, ein kleines schwarzes Kästchen, verdampft. Ohne Cannabis, sagt Miehling, wäre er völlig überdreht. Es wäre für ihn schwer, einen strukturierten Tag zu haben und zur Arbeit zu gehen. "Ich könnte mich nicht ertragen – und andere könnten das auch nicht", sagt er.

Nicht einmal die Kontoeröffnung klappt: "Sind auf jeden Fall alles keine Kriminellen"

Miehling schätzt, dass etwa 20 bis 30 Prozent derer, die in den Cannabis-Club eintreten wollen, schon heute aus medizinischen Gründen Gras konsumieren. Ansonsten seien die Interessierten alle ganz verschieden. Da seien Anwälte und Hilfsbedürftige. "Es gibt nicht den Klischee-Mensch", sagt Miehling. "Wir sind auf jeden Fall alles keine Kriminellen."

Auch – wenn es sich manchmal so anfühlt. Denn ein Konto bei der Stadtsparkasse konnte der Club bisher auch noch nicht eröffnen. Aus "grundsätzlichen Erwägungen" so habe die Begründung gelautet, sagt Miehling.

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41 Kommentare
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  • Noredundgreen13 am 06.06.2023 19:52 Uhr / Bewertung:

    Es stellt sich doch die Frage, warum sich soviele Leute die Birne zudröhnen wollen. Egal ob mit Alk oder anderen Rauschmitteln. Alk ist ein großes Problem für die ganze Gesellschaft. Warum aber Viele die Legalisierung von Cannabis mit dem bestehenden Alkproblem rechtfertigen, muss man nicht verstehen!

  • Dr. Right am 06.06.2023 19:09 Uhr / Bewertung:

    Von einem Tütchen bekommt man ebensowenig eine Psychose wie von einem Gläschen Wein. Wer Cannabis in rauen Mengen zuführt sieht vermutlich bald ebenso weiße Mäuse wie ein harter Alkoholiker. Cannabis ist allerdings freundlicher zum Körper. Dass jemand an einer Cannabisvergiftung gestorben ist, habe ich noch nie gehört. Bei Alkoholvergiftungen gibt dann doch auch ab und zu Todesfälle (also an und nicht nur mit Alkohol Gestorbene).

  • Dr. Right am 06.06.2023 19:03 Uhr / Bewertung:

    "Weiches" Cannabis mit gewissen Grenzwerten beim Wirkstoff wäre dann auch in Ordnung?

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