Wer klaut einen 250-Liter-Brunnen? Wiesn-Aufsteller spurlos verschwunden
Der Rummel ist vorüber: Riesenrad, Wiesn-Zelte und Holzbuden sind längst in ihre Einzelteile zerlegt und abtransportiert worden. Auf einem Teil der Theresienwiese stehen bereits die weißen Zelte für das Winter-Tollwood (Start: 25. November). Der andere Teil liegt still und weitläufig da. Eine Frau spaziert mit dem Kinderwagen zwischen den verkümmerten Rasenflächen hindurch.
Paulaner-Brunnen wird nach der Wiesn vergessen, jetzt ist er spurlos verschwunden
Noch vor wenigen Wochen hatten hier zwei Paulaner-Brunnen aus Glasfaserkunststoff das Wiesengelände geschmückt – angefertigt von Rudi Reinstadler (68). Der Künstler hatte sie der Paulaner-Brauerei geliehen: Einer zierte den Weißbiergarten Isarschänke, der andere den Münchner Weißbiergarten. Jeweils 250 Liter Wasser sprudelten durch die hohlen Gebilde, angetrieben von eingebauten Pumpen.
Als die drei Festwochenenden vorüber waren, beauftragte Rudi Reinstadler einen Spediteur, die beiden grauen Leih-Brunnen abzuholen und in seine Werkstatt im Landkreis Dachau zu bringen. An diesem Punkt kam es zum Missverständnis – und zum Auftakt eines skurrilen Wiesn-Rätsels.
Der Künstler versucht, sich zu erinnern: "Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt, das weiß ich nicht. Ich habe ihn gebeten, die zwei Brunnen zu holen." Doch offenbar ging etwas schief, denn: "Er holt nur einen und den anderen lässt er stehen." Der Fehler blieb zuerst unbemerkt, denn Reinstadler ist gerade in Griechenland, wo er zeitweise lebt. Von dort aus wendet er sich später auch an die AZ.

Als der Irrtum schließlich bemerkt wurde und der Spediteur nochmals zum Festgelände fuhr, war der zweite Brunnen spurlos verschwunden. "Der Spediteur hat vor Ort rumgefragt, bei den Staplerfahrern und so weiter, aber keiner wusste was", sagt Reinstadler. "Das ist das ganze Prozedere des Wahnsinns." Im Telefonat mit der AZ wirkt der 68-Jährige resigniert: "Ich gehe davon aus, dass den jetzt einfach jemand in seinem Garten hat."
Der Künstler über den Herstellungsprozess: "Das ist ein ziemlicher Aufwand"
Ein Brunnen mit dem Fassungsvermögen eines kleinen Whirlpools, verschwunden mitten im Wiesn-Trubel. Aber wer klaut einen Brunnen – und vor allem: wie?
Besonders schwer seien die Glasfaserkunststoff-Gebilde jedenfalls nicht, sagt Reinstadler. Zu zweit könne man einen problemlos anheben und auf einen Lader setzen, sagt der Künstler.
Rudi Reinstadler hat im Laufe seines Lebens bereits zahlreiche solcher Brunnen angefertigt. Los ging es Anfang der 2000er-Jahre: "Paulaner brauchte kleinere Brunnen für verschiedene Anlässe", erzählt der Künstler. Rudi Reinstadler entwickelte einen – mit Mönchskopf obendrauf und dem goldenen Paulaner-Schriftzug. Seitdem hat der 68-Jährige rund 80 Stück von ihnen gebaut. Ab und zu fertigt er auch heute noch welche an.
Dafür legt er Schicht für Schicht Glasfasermatten in eine Form und trägt Harz auf. Anschließend setzt er die Teile zusammen, schleift sie und bearbeitet Nähte und Oberflächen. "Das ist ein ziemlicher Aufwand", sagt er. Insgesamt arbeite er etwa vier Wochen an einem Brunnen, bis er fertig sei. Der Preis für einen liege bei etwa 7500 Euro.

Die Paulaner-Brunnen seien weltweit im Einsatz, erzählt Reinstadler. Einige stehen aber auch in München, etwa am Seehaus im Englischen Garten oder im Biergarten des Wirtshauses in der Au. Zwei weitere Exemplare standen zuletzt noch in seiner Werkstatt zum Verleih bereit. Jetzt ist nur noch einer übrig.
Man könnte meinen, dass der Auf- und Abbau der Wiesn mittlerweile wie ein Uhrwerk funktioniert. Schon Monate vor Beginn des Festes steht fest, wo was steht und wer welchen Platz bekommt. Auch beim Abbau sollte klar geregelt sein, wer was einlädt und wohin es transportiert wird. Wie kann es also passieren, dass ein Brunnen beim Abbau verschwindet und nicht bei seinem rechtmäßigen Besitzer landet?
Für die Wiesn zuständiges Referat: "Anscheinend wurde er entwendet"
Zuständig für die Organisation und Abwicklung des größten Volksfestes der Welt ist das Referat für Arbeit und Wirtschaft unter Wiesnchef Christian Scharpf (SPD). Die AZ hat bei der Stadt nachgefragt, ob sie etwas von dem Brunnen weiß. Das Referat antwortet: "Bei der Platzrückgabe stand der Brunnen noch vor Ort. Auf Nachfrage des Platzwarts versicherte der Betreiber, er werde in den nächsten Tagen abgeholt. Anscheinend wurde er entwendet, bevor es dazu kommen konnte."
Darauf, ob es öfter passiere, dass Dinge beim Abbau der Wiesn verschwinden, schreibt die Stadt: "Wahrscheinlich kommt es – wie auf jeder Großbaustelle – ab und zu vor, dass Dinge verloren gehen, allerdings wird das der Festleitung in der Regel nicht gemeldet, so dass uns hierzu keine Zahlen vorliegen."
Künstler will Anreiz schaffen: "50 Liter Freibier an den, der den Brunnen zurückbringt"
Schlechte Nachrichten auch von Paulaner: Bei ihnen habe sich ebenfalls niemand wegen des Brunnens gemeldet, wie die Brauerei der AZ mitteilt.
Rudi Reinstadler hat die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben, dass sein Kunstwerk den Weg zu ihm zurückfindet. Sein Vorteil: Ein solcher Brunnen fällt auf, sollte er tatsächlich in irgendeinem Garten stehen.
Der Künstler will einen Anreiz schaffen: "Als Finderlohn gibt es 50 Liter Paulaner-Freibier an den, der den Brunnen zurückbringt."
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