Gastbeitrag

Warum ein Münchner Priester ganz bewusst beim CSD teilnimmt

“Die katholische Kirche ist nach wie vor eine der queerfeindlichsten Organisationen weltweit“: Das sagt ausgerechnet ein katholischer Priester aus München und setzt selbst ein Zeichen. Ein Gastbeitrag von Wolfgang Rothe zum CSD.
Wolfgang Rothe |
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Hier ist Wolfgang Rothe im Jahr 2022 bei der CSD-Parade in München zu sehen - deutlich erkennbar als katholischer Priester.
K.-J.Hildenbrand/dpa 3 Hier ist Wolfgang Rothe im Jahr 2022 bei der CSD-Parade in München zu sehen - deutlich erkennbar als katholischer Priester.
Der katholische Priester Wolfgang Rothe engagiert sich auch bei der Queerseelsorge der Erzdiözese München-Freising.
IMAGO/Wolfgang Maria Weber (www.imago-images.de) 3 Der katholische Priester Wolfgang Rothe engagiert sich auch bei der Queerseelsorge der Erzdiözese München-Freising.
Beim CSD 2024 sind etwa 100.000 Teilnehmer durch die Münchner Innenstadt gezogen.
imago/Wolfgang Maria Weber 3 Beim CSD 2024 sind etwa 100.000 Teilnehmer durch die Münchner Innenstadt gezogen.

An diesem Samstag findet in München wieder die alljährliche CSD-Politparade statt, eine der größten und buntesten Veranstaltungen, die es in der bayerischen Landeshauptstadt, ja in ganz Bayern, gibt. Als katholischer Priester werde ich selbstverständlich wieder mit dabei sein. Moment – selbstverständlich?

Selbstverständlich ist das zunächst einmal ganz und gar nicht, denn die katholische Kirche ist nach wie vor eine der queerfeindlichsten Organisationen weltweit.

Nahezu alle Formen des Queerseins – von Homosexualität über Transgeschlechtlichkeit bis hin zu queeren Familienmodellen – werden von der katholischen Kirche abgelehnt und geradezu dämonisiert.

Nun könnte man einwenden, dass sich in der katholischen Kirche seit einigen Jahren manches zum Besseren gewandelt hat: Mittlerweile droht queeren Mitarbeitenden der katholischen Kirche nicht mehr automatisch die Kündigung, wenn sie ihr Queersein öffentlich machen und dementsprechend leben.

In München gibt es eine Queerseelsorge - noch lange nicht genug

Die Segnung homosexueller Partnerschaften wird zumindest geduldet. Seit 2024 ist in der Erzdiözese München und Freising sogar eine eigene Queerseelsorge im Aufbau: Eigens bestellte Seelsorgende stehen queeren Menschen mit Rat und Tat zur Verfügung, gerade auch dann, wenn die vor Ort zuständigen Seelsorgenden dies ablehnen.

Das ist eine gute, richtige und vor allem notwendige Entwicklung. Aber das ist noch lange nicht genug. Das ist bestenfalls ein Anfang. Denn nach wie vor kann man im Katechismus der katholischen Kirche Sätze lesen, die queeren Menschen das Gefühl geben können, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, dass sie krank sind, in Sünde leben oder gar eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen.

Diese Aussagen des Katechismus kann man nicht einfach unter Hinweis auf die noch von Papst Franziskus – wenn auch unter vielen Bedingungen und Einschränkungen – erlaubte Segnung homosexueller Paare oder die Einführung einer eigenen Queerseelsorge abtun.

Die Sexualmoral diskriminiert queere Menschen 

Denn durch ihre geltende Sexualmoral trägt die katholische Kirche nach wie vor dazu bei, dass queere Menschen ausgegrenzt, diskriminiert und bedroht werden. Das mag in Deutschland, wenn überhaupt, dann nur in eher geringem Maß der Fall sein. Aber auch hierzulande ist die Zahl queerfeindlicher Straftaten nicht im Abnehmen, sondern im Zunehmen begriffen.

Der katholische Priester Wolfgang Rothe engagiert sich auch bei der Queerseelsorge der Erzdiözese München-Freising.
Der katholische Priester Wolfgang Rothe engagiert sich auch bei der Queerseelsorge der Erzdiözese München-Freising. © IMAGO/Wolfgang Maria Weber (www.imago-images.de)

Auch hierzulande versuchen Mitglieder queerfeindlicher Bewegungen, Organisationen und Parteien, darunter vor allem die der AfD, ihren Hass auf queere Menschen unter Berufung auf Gott, die Bibel oder den Katechismus der katholischen Kirche zu rechtfertigen.

In Regensburg muss die Route der Parade geändert werden

So musste die CSD-Parade in Regensburg kürzlich ihre geplante Route ändern, um angesichts anonymer Drohungen die Sicherheitsmaßnahmen verstärken zu können. Die Parade in Gelsenkirchen musste aus demselben Grund sogar abgesagt werden.  In den ostdeutschen Bundesländern gibt es regelmäßig Gegendemonstrationen, auf denen Hass und Hetze freien Lauf haben.

Beim CSD 2024 sind etwa 100.000 Teilnehmer durch die Münchner Innenstadt gezogen.
Beim CSD 2024 sind etwa 100.000 Teilnehmer durch die Münchner Innenstadt gezogen. © imago/Wolfgang Maria Weber

Da passt es durchaus ins Bild, wenn Bundestagspräsidentin Julia Klöckner anlässlich der Berliner Parade in diesem Jahr keine Regenbogenflaggen auf dem Reichstagsgebäude hissen lassen will und der queeren Gruppe der Bundestagsverwaltung sogar die Teilnahme untersagte.

Die Mitverantwortung der Kirche

Die katholische Kirche ist für diese Entwicklung mitverantwortlich. Auch wenn es mittlerweile kein katholischer Bischof in Deutschland mehr wagen kann, queere Menschen zu beleidigen oder zu bedrohen, geschieht genau dies zuhauf in anderen Ländern.

Dabei braucht man nicht unbedingt bis nach Afrika schauen, wo katholische Bischöfe regelmäßig dazu aufrufen, die staatliche Gesetzgebung in Bezug auf queere Verhaltens- und Lebensweisen weiter zu verschärfen. Auch in europäischen Ländern wie Ungarn und Polen steigt der Druck auf queere Menschen - und die katholische Kirche ist fast immer an vorderster Front mit dabei.

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"Laut und deutlich infrage stellen"

Jede noch so queerfreundliche Initiative wie etwa die Einführung einer eigenen Queerseelsorge muss sich insofern daran messen lassen, ob und inwieweit die jeweiligen Verantwortlichen auch bereit sind, die menschenrechtswidrige und menschenverachtende Sexualmoral der katholischen Kirche laut und deutlich infrage zu stellen.

Es war ein feiner Zug, als der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf kürzlich darauf hinwies, dass es in Deutschland bekennend homosexuelle Priester gibt und dass sie gute Seelsorger seien.

Er sollte dies aber auch seinen polnischen, ungarischen und afrikanischen Amtskollegen ins Gesicht sagen. Und nicht zuletzt auch dem neuen Papst.

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