Frau aus München erkämpft eine niedrige Miete: "Keine Gnade des Vermieters"

Selbst in München dürfen Vermieter nicht alles verlangen. Denn hier gilt die Mietpreisbremse. Eine Rentnerin hat sie gezogen und zahlt heute 360 Euro im Monat weniger. Ein Team der LMU will helfen, dass alle davon erfahren.
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In Schwabing sind die Mieten meistens unerschwinglich. Doch oft dürften die Vermieter gar nicht so viel verlangen.
In Schwabing sind die Mieten meistens unerschwinglich. Doch oft dürften die Vermieter gar nicht so viel verlangen. © Susanne Neumair/unsplash

München - In einer Altbau-Wohnung in Schwabing hatten Rita Schön ihr Mann drei Söhne großgezogen, 33 Jahre hatten sie dort gelebt. Und dann mussten sie plötzlich raus. Kurz vor ihrer Rente meldete der Vermieter Eigenbedarf an. Plötzlich schrumpfte ihre Welt von 155 auf 87 Quadratmeter zusammen. Der Flügel, die Bücher, die Schränke, die Werkbank – alles musste weg, erzählt Schön. "Das war ein harter Schnitt."

Und noch härter fühlte es sich für das Ehepaar an, weil sie für weniger Platz mehr Miete bezahlen mussten: Statt 1600 Euro kalt für ihre Altbau-Wohnung waren es auf einmal 1740 Euro für zweieinhalb Zimmer. Auch in Schwabing, immerhin, trotzdem habe es sich sehr belastend angefühlt, sagt Rita Schön.

Mietpreisbremse: In Schwabing zahlt eine Rentnerin jetzt 360 Euro weniger Miete

Inzwischen sind fast eineinhalb Jahre vergangen. Und die Geschichte hat für das Paar doch ein Happy End genommen. Denn die zwei schafften es, ihre Miete um 360 Euro pro Monat zu senken. Der Vermieter tat das nicht, weil er so ein großes Herz hat. Er war rechtlich dazu verpflichtet. Um jetzt nicht mit ihm in Streit zu geraten, will Rita Schön lieber nicht mit ihrem richtigen Namen in der Zeitung stehen. Gleichzeitig ist es der 66-Jährigen wichtig, dass viele von ihrer Geschichte erfahren. Denn sie vermutet, dass viele gar nicht wissen, dass selbst in München Vermieter nicht jeden Preis verlangen dürfen.

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Seit 2019 gilt in München die Mietpreisbremse, 2020 hat der Bund sie verschärft. Das Gesetz besagt, dass Vermieter bei einem Mieterwechsel nicht mehr zehn Prozent mehr als die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete verlangen dürfen. Mit Hilfe eines Online-Berechnungsprogramms der Stadt kann man die ortsübliche Vergleichsmiete feststellen.

Die Grenze dürfen Vermieter nur in Ausnahmen überschreiten – zum Beispiel, wenn die Wohnung so umfassend modernisiert wurde, dass sie einem Neubau gleichkommt. Denn in neuen Wohnungen gilt die Mietpreisbremse nicht. Ansonsten greift sie in der ganzen Stadt – egal, ob man in der Altstadt oder in Moosach lebt – für alle Mietverträge, die nach dem 7. August 2019 geschlossen wurden.

Mieten in München: Die Rentnerin hätte 50 Euro mehr einfordern können 

Ruth Schön hatte von dem Gesetz gehört und wandte sich an den Münchner Mieterverein. Der schickte ein Schreiben an den Vermieter und drohte damit, zu klagen. Doch so weit kam es nicht. Schließlich kannte der Vermieter auch die Gesetze. Rechtlich wäre es ihr sogar zugestanden, dass die Miete um 410 Euro pro Monat gesenkt wird, sagt Schön. "Aber uns war an einem friedlichen Verhältnis zum Vermieter gelegen.” Also einigten sie sich auf 360 Euro.

Außerdem bekam das Paar für all die Monate, die sie zu viel zahlten, Geld zurück – auch einen Teil der Kaution – insgesamt 4320 Euro. Ein bisschen ärgere sie sich heute, dass sie damals nicht auf den vollen Betrag bestanden hatte. "Es war ja keine Gnade des Vermieters – er war rechtlich dazu verpflichtet", meint sie. Schließlich müssten ihr Mann und sie trotzdem 40 Prozent ihrer Rente für die Miete aufwenden. "Von Kreuzfahrten träumen wir nicht. Wir leben jetzt wieder wie Studenten", meint sie. Aber sie sagt auch: "Das Ganze hat sich gelohnt."

Der Mieterverein berät täglich zur Mietpreisbremse in München

Ruth Schön und ihr Mann sind sicher nicht die einzigen Münchner, von denen der Vermieter erst einmal zu viel verlangt. Die Online-Plattform "Conny", die Menschen hilft, die Mietpreisbremse einzufordern, hat 2022 errechnet, dass Münchner monatlich im Schnitt 339 Euro einsparen können – wenn sie auf ihr Recht bestehen. Jeden Tag berate ihr Verein mehrfach zur Mietpreisbremse, sagt Angela Lutz-Plank, die Geschäftsführerin des Mietervereins. Sie vermutet, dass längst nicht alle kommen, die zu viel Miete zahlen. Weil sie nicht wissen, was die Mietpreisbremse ist. Oder weil sie nicht ahnen, dass sie auch nach Einzug 30 Monate Zeit haben, die Miethöhe zu beanstanden. Oder weil sie Ärger mit ihrem Vermieter vermeiden wollen.

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Eine Gruppe von Statistikern der Ludwig-Maximilian-Universität will mehr darüber erfahren, wie viele Münchner eine zu hohe Miete zahlen und warum sie ihr Recht nicht einfordern. Felicitas Sommer leitet das Projekt zusammen mit Andreas Dimmelmeier. 10.000 Flyer, die zu einer Online-Umfrage leiten, werden sie in diesen Tagen an eine Zufallsstichprobe verschicken. Sie hoffen, dass möglichst viele den Flyer nicht einfach in den Papierkorb werfen, sondern sich an der Befragung beteiligen.

Wirkt die Mietpreisbremse in München? Die LMU will's wissen

Felicitas Sommer hofft auch, dass die Politik ihre Ergebnisse nutzt, um die Mietpreisbremse zu verbessern. "Ich frage mich: Bestehen Menschen, die finanziell sicher stehen, gut informiert und vernetzt sind, eher auf ihr Recht? Und sind Mieter, die lange nach einer Wohnung suchen mussten, eher bereit sind, zu viel zu zahlen?", fragt sie.

Wer an der Umfrage teilnimmt und sie ganz fertig macht, hat etwas davon. Denn am Ende wird automatisch ausgerechnet, ob man zu viel zahlt und ob es in Frage kommt, die Mietpreisbremse zu ziehen. Denn es ist gar nicht so einfach, das zu ermitteln. Relevant sind dafür nämlich nicht nur die Lage und das Baujahr, sondern auch alle möglichen anderen Details: Gibt es im Bad einen Handtuchwärmer? Eine Fußbodenheizung? Welche Geräte stehen in der Küche?

Andreas Dimmelmeier, David Prokosch, Rebekka Schade, Felicitas Sommer (von links) wollen wissen, ob die Mietpreisbremse wirkt.
Andreas Dimmelmeier, David Prokosch, Rebekka Schade, Felicitas Sommer (von links) wollen wissen, ob die Mietpreisbremse wirkt. © Daniel von Loeper

Felicitas Sommer und ihr Team haben die Umfrage auf englisch, türkisch, spanisch, polnisch und rumänisch übersetzen lassen. Denn der Mietspiegel-Rechner der Stadt ist bislang nur auf Deutsch verfügbar. Allerdings leben in München viele, die kein Deutsch sprechen. "Das ist ein blinder Fleck", sagt Felicitas Sommer. Wenn sie und ihr Team die Umfragen derer ausgewertet haben, die sie jetzt angeschrieben haben, wollen sie allen Münchnern die Möglichkeit geben, sich zu beteiligen.

Auch die Münchner Bürgermeisterin Verena Dietl bittet, bei der Umfrage mitzumachen

Auch die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl(SPD) ruft dazu auf, das möglichst mitmachen. Denn sie erhoffe sich von der Befragung aktuelle und objektive Zahlen zur Situation der Mieterinnen und Mieter in München, sagt sie.

Die Mietpreisbremse muss schleunigst verlängert werden, fordert Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD).
Die Mietpreisbremse muss schleunigst verlängert werden, fordert Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). © Erol Gurian

"Politisch können wir dann den Druck auf vor allem die FDP im Bund erhöhen, endlich die Blockade zu mehr Mieterschutz aufzugeben und die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag umzusetzen." Denn zum Beispiel läuft die Mietpreisbremse 2025 aus, Dietl fordert, dass sie "schleunigst" bis ins Jahr 2029 verlängert werden müsse.

Dass es bei der Mietpreisbremse noch Verbesserungsbedarf gibt, erlebte Felicitas Sommer auch selbst. Ihr sei es zwar gelungen, durch die Mietpreisbremse um 100 Euro zu senken, erzählt sie. Allerdings habe ihr Vermieter bereits angekündigt, dass die Miete in zwei Jahren - wenn die Frist ausgelaufen ist – wieder erhöhen möchte.

Sie wollen wissen, ob Sie zu viel Miete zahlen? Ein Anhaltspunkt gibt der Online-Rechner der Stadt (https://2023.mietspiegel-muenchen.de). Auch der Münchner Mieterverein hilft (089 / 55 21 43 0).

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