Ohne Olympia kein Ausbau? Münchens ÖPNV und das Milliardenversprechen

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Bei Olympia 1972 war Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) 14 Jahre alt. Es waren aufregende Zeiten: Seine Familie habe sich den ersten Farbfernseher gekauft, er habe zum ersten Mal U-Bahn fahren dürfen. "Die Stadt hat sich damals unglaublich schnell entwickelt", erinnert sich Reiter am Mittwochabend im Rathaus bei einer Info-Veranstaltung zur Münchner Olympia-Bewerbung.
"Mit Olympia wurde München zur Weltstadt", sagte da auch Innen- und Sportminister Joachim Herrmann. Beide – der SPD-OB und der CSU-Minister – werben dafür, dass sich München noch einmal für Sommerspiele bewirbt. "Hier sitzen eigentlich zwei politische Gegner", sagte Reiter. "Das ist eine ungewöhnliche Allianz." Doch beide sind überzeugt, dass Olympia der Stadt Positives bringen kann.
Sommerspiele in München: Sorgt Olympia für besseren ÖPNV?
Zum Beispiel für den ÖPNV. Für dessen Ausbau würden, so Reiter, Zuschüsse fließen, die es ohne Olympia nicht gäbe. Etwa für die Innenstadt-U-Bahn U9 oder den S-Bahn-Nordring.
Beides sind Projekte, an denen die Stadt bzw. die Bahn schon lange plant. Der S-Bahn-Ring soll Moosach mit dem Forschungs- und Innovationszentrum von BMW und dem Euroindustriepark verbinden. Ursprünglich hieß es, dass diese Linie 2025 fertig wird. Inzwischen ist von Mitte der 2030er-Jahre die Rede.
Auch die Planungen für die U9 laufen bereits. Mit einer Fertigstellung sei nicht vor dem Ende der 2030er-Jahre zu rechnen, heißt es auf der Homepage der Stadt. Eigentlich zu spät für Spiele 2036.
Auch die Verlängerung der U4 zu einem neuen Olympia-Dorf im Nordosten steht auf der Liste der Verkehrsprojekte. "All diese Projekte werden nicht stattfinden, wenn wir uns nicht erfolgreich um Olympische Spiele bewerben", sagte Reiter. Denn die Stadt könne sich das alles ohne Zuschüsse nicht leisten.
Allerdings fördern Bund und Freistaat auch jetzt schon Verkehrsprojekte in München. Die MVG rechnet zum Beispiel damit, dass die Kosten der Tramwesttangente (490 Millionen) zu 90 Prozent erstattet werden.
Wie viel der Ausbau der Infrastruktur insgesamt kostet, kann die Stadt noch nicht beziffern. Auch nicht, wie genau diese Kosten verteilt werden. Das Sportreferat verweist auf Paris. Dort lag das Budget für neue Infrastruktur bei 4,5 Milliarden Euro. Zu 50 Prozent sei dieser Betrag durch den privaten Sektor getragen worden. "Sie waren damit deutlich stärker fremdfinanziert, als dies ohne Olympische Spiele der Fall gewesen wäre", schreibt das Sportreferat.
Die Kosten für die Durchführung der Spiele beziffert das Referat in seiner Beschlussvorlage auf 5,3 Milliarden Euro. Diese Zahl wird gerade noch abgeglichen. Das Referat rechnet damit, dass diese Kosten etwa durch Ticketverkauf komplett refinanziert werden – so wie in Paris.
Womöglich aber hat Olympia neben den Zuschüssen noch andere positive Effekte. Welche das sind, erforscht gerade Oliver May-Beckmann von der Technischen Universität mit seinem Team von "MCube". Auch er war bei der Info-Veranstaltung an einem Stand vertreten. May-Beckmann weiß: "Die Bürgermeisterin von Paris sagt, dass der S-Bahn und U-Bahn-Ausbau ohne Olympia mindestens fünf Jahre länger gedauert hätte." Kann Olympia also womöglich den ÖPNV-Ausbau in München beschleunigen – weil dann Stadt, Bund und Freistaat alle an einem Strang ziehen?
"Es braucht schriftliche Zusagen"
Reiter stellte jedenfalls klar: Bevor sich die Stadt auf Spiele einlässt, müsse es von Bund und Freistaat schriftliche Zusagen geben, mit welchen Förderungen die Stadt rechnen kann. Zum Beispiel für das Olympische Dorf, das im Nordosten gebaut werden soll. Dort sollen zuerst rund 18.000 Athleten unterkommen, später sollen daraus laut Reiter Wohnungen für Studenten, Pfleger oder Erzieher werden. Allerdings ist nach den Spielen ein Umbau notwendig. Eine schnelle Lösung für die Wohnungsnot in München ist ein neues Olympiadorf also wohl eher nicht.
Sportminister Herrmann rechnet damit, dass von Olympia die Wirtschaft in ganz Bayern profitiert und nicht nur in München neue Arbeitsplätze entstehen. Davon geht auch Florian Reil von der Industrie- und Handelskammer aus. Bayerische Firmen müssten schließlich den ÖPNV ausbauen oder temporäre Stadien errichten.
Reil ist außerdem davon überzeugt, dass Münchens Image langfristig profitieren würde. Die schönen Bilder von Olympia in München führen seiner Meinung nach dazu, dass später mehr Touristen kommen.
"München ist kein Ort – sondern ein Lebensgefühl"
"Für mich geht es gar nicht so sehr darum, ob ein paar Gäste mehr kommen", meint Gregor Lemke, der die Wirte in der Innenstadt vertritt. Denn schließlich könne München schon jetzt nicht über zu wenige Touristen klagen. Für ihn sei etwas anderes wichtig: "Wir können uns dann als weltbeste Gastgeber präsentieren." München sei schließlich nicht nur ein Ort, sondern ein Lebensgefühl und das will der Wirt der ganzen Welt zeigen.
Auf ein positives Gefühl hofft auch OB Dieter Reiter. "Gerade sind die Zeiten schwierig", sagt er. Immer wieder die gleichen schlechten Nachrichten, dass viele gar keine Lust mehr hätten, sie anzuschauen. "Olympia kann für einen positiven Spirit sorgen", ist Reiter überzeugt.
Und wie geht es jetzt weiter? Am 26. Oktober dürfen die Münchner entscheiden, ob sich die Stadt für Olympische Spiele bewerben soll. Erst knapp ein Jahr später, im September 2026, fällt der Deutsche Olympische Sportbund die Entscheidung, ob München den Zuschlag bekommt oder doch Berlin, Hamburg oder das Ruhrgebiet. Welche Kriterien dafür entscheidend sind, will der DOSB diesen Dezember festlegen.