U-Ausschuss Zweite Stammstrecke: Die Erinnerungslücken des Andreas Scheuer
München - Am Tag des mündlichen Abiturs in Bayern muss der Bundesverkehrsminister a. D. Andreas Scheuer (CSU) vor dem Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag zur Zweiten Stammstrecke Rede und Antwort stehen. Und gebärdet sich am Montag mitunter wie ein trotziger Schüler: Er hat die Arme verschränkt, lehnt sich im Stuhl nach hinten, seine Mundwinkel zeigen nach unten.
Der ehemalige Minister offenbart zahlreiche Erinnerungslücken zu dem Großprojekt, das bei Kosten und Zeitplan völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Wofür sich Scheuer nicht verantwortlich sieht: "Die Zweite Stammstrecke hatte für mich, dadurch dass der Bund nicht Projektbeteiligter ist, gar keine Relevanz." Schließlich sei der Freistaat der Auftraggeber und die Deutsche Bahn das mit der Ausführung beauftragte Unternehmen.
Zumal das Projekt aus seiner Sicht nicht zu den "Big Five" sondern eher zu den zehn größten in Deutschland gehört. Scheuer argumentiert auch damit, dass sogar der Bahn-Vorstand ja nichts über die Projekteskalation gewusst habe.
Auch Kanzler Scholz spielt im Ausschuss eine Rolle
Über Scheuers Aussagen wundern sich viele Ausschussmitglieder. Schließlich bezahlt der Bund 60 Prozent des Projekts. Zumal Scheuer selbst einräumte, schon bei seinem Amtsantritt als Staatssekretär 2008 gehört zu haben: "Das mit der Bahn, das läuft. Ich habe dann aber sehr schnell gespürt, dass das eine Falschinformation war."
"Wenn ein Bundesverkehrsminister, so mit Zahlen umgehen kann, dann wirft das weder ein gutes Licht auf den Bundesverkehrsminister, noch auf das gesamte Bundeskabinett inklusive dem Finanzminister", resümiert Ausschuss-Vorsitzender Bernhard Pohl (Freie Wähler). Den früheren Finanzminister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bringt am Montag der stellvertretende Ausschussvorsitzende Jürgen Baumgärtner (CSU) ins Spiel. Sein Argument: Die kritischen Berichte des Bundesrechnungshofs gingen schließlich nicht nur an das Verkehrsministerium, sondern eben auch an das Finanzministerium. Olaf Scholz ist jedoch nicht als Zeuge geladen.
Scheuer weiß nichts mehr von Gesprächen und Briefen
Ein wahres Wortgefecht liefert sich Scheuer schließlich mit Martin Runge (Grüne). Der konfrontiert ihn mit Schriftverkehr, der darauf hindeutet, dass Scheuer doch mehr wusste und dieses Wissen auch politisch nutzte. An Gespräche kann sich Scheuer nicht erinnern, ein Brief von der damaligen bayerischen Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) will ihn nicht erreicht haben. Von einem auf seinen Wunsch hin abgesagten Termin will er nichts wissen.
Zwar will der Untersuchungsausschuss nur die Versäumnisse der Staatsregierung und nicht die des Bundes klären. Der Zeuge Scheuer mutet dennoch an, als würde er um seinen eigenen Ruf ringen, ist er doch aufs politische Abstellgleis geraten.
Ließ Wissing einen Termin im vergangenen Sommer bewusst platzen?
Scheuers Nachfolger Volker Wissing (FDP) beruft sich kurze Zeit später ebenfalls darauf, dass der Bund nicht entscheidungsberechtigt sei. Ob er also einfach nur zusehe oder wann er sich einmische, wenn bei der Bahn, zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes, etwas schief laufe?

Im Unterschied zu Scheuer sagte Wissing ganz klar, dass ein Minister informiert werde, wenn es Probleme gebe. Auch wenn sich diese im vorliegenden Fall nur auf die Förderfähigkeit der Finanzierung beziehen. Zugleich verweist er darauf, dass gesetzlich nur der Aufsichtsrat der Bahn zuständig sei. Ließ Wissing dennoch einen Termin im Sommer 2022 bewusst platzen? "Unzutreffend", so Wissing. Dies sei nur der Fall gewesen, weil er zu einem Kennenlerngespräch in die bayerische Staatskanzlei eingeladen worden war, während in der Presse von einem "Krisengipfel" die Rede gewesen sei.