Tunnel am Mittleren Ring durchgesetzt: Eine Frau kämpft für den Untergrund

Vor 25 Jahren setzte sich Barbara Schöne für drei Tunnel und einen Park am Mittleren Ring ein. Darüber hat sie nun ein Buch geschrieben.
von  Christina Hertel
Vom Balkon aus schaut Barbara Schöne auf den Petuelpark.
Vom Balkon aus schaut Barbara Schöne auf den Petuelpark. © Bernd Wackerbauer

München - Barbara Schöne, eine 80 Jahre alte Frau mit blondiertem Haar, ist die Jeanne d'Arc vom Mittleren Ring. Die Tunnelmaus. Der Motor. All diese Spitznamen verdiente sie sich vor 25 Jahren, als sie mit ihrer Bürgerinitiative durchsetzte, dass entlang des Mittleren Rings drei Tunnel gebaut werden: der Petueltunnel in Milbertshofen, der Richard-Strauss-Tunnel in Bogenhausen und der Luise-Kiesselbach-Tunnel in Sendling-Westpark.

Über dieses Engagement schrieb Schöne, die für die CSU im Stadtrat saß und die als Gästeführerin arbeitete, vor Kurzem ein Buch. Es trägt den Titel "Mein Ring-Kampf um drei Tunnel und den Petuelpark" (Wilhelm Verlag, Amberg 19,80 Euro). Darin erzählt sie, wie sie dafür stritt, dass die Straßen unter die Erde verlegt werden - um der Nachwelt zu zeigen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie heute zwischen Milbertshofen und Schwabing durch einen Park spazieren und in einem Café sitzen können.

Statt Umzugskisten zu packen, begann Schöne zu kämpfen

Denn dort, wo sich der Petuelpark befindet, würden heute womöglich immer noch jeden Tag über 100.000 Autos fahren, wenn Schöne nicht vor 40 Jahren in die Nachbarschaft gezogen wäre.

Bevor der Petueltunnel 2002 eröffnet wird, herrscht jahrelang eine Baustelle.
Bevor der Petueltunnel 2002 eröffnet wird, herrscht jahrelang eine Baustelle. © imago images/Birgit Koch

Damals war sie alleinerziehende Mutter, ihre kleine Tochter musste den Mittleren Ring überqueren, um in die Schule zu kommen. "Warum ziehst du nicht weg?", hätten sie damals viele gefragt. Doch anstatt die Kisten zu packen, begann Schöne zu kämpfen.

Begonnen hat ihr Engagement 1990, als sich der damalige Oberbürgermeister Georg Kronawitter von der SPD gemeinsam mit den Grünen nach der Wahl von allen Tunnelbauprojekten verabschiedete. Sogar eine Grube, die damals bereits für zehn Millionen Mark ausgehoben war, wurde wieder zugeschüttet.

1.000 Luftballons mit der "roten Karte" für OB Ude

Ihre Protestschreiben verfasste Schöne damals an einer roten Schreibmaschine, sie besaß nicht einmal ein Faxgerät. Doch mit ihren Aktionen würde die Bürgerinitiative wohl immer noch Aufmerksamkeit erregen: Schöne mobilisierte einen Konvoi von 100 Taxis, die auf der Leopoldstraße fuhren, ließ 1.000 weiße Ballons in die Luft steigen, an denen "rote Karten" für OB Christian Ude (SPD) hingen.

Tonnen Schutt sind vor der Lerchenauer Straße weggeschafft worden.
Tonnen Schutt sind vor der Lerchenauer Straße weggeschafft worden. © AZ-Archiv

Die Bürgerinitiave lud einen Sarg auf dem Marienplatz ab und karrte einen Esel heran - mit einem grünen Schlips um den Hals und dem Plakat "Vorfahrt für Esel" auf dem Rücken.

Wie verhärtet die Fronten damals waren, berichten in ihrem Buch einige Mitstreiter. Zum Beispiel zündeten an einem Abend gegen 20.30 Uhr Gegner ein Plakat an, dass die Tunnel-Initiative an einem Hochhaus befestigt hatte. Verletzt wurde niemand, doch die Fassade war hinüber.

Ude ließ Ergebnis des Bürgerbegehrens nachzählen

Die Wende brachte ausgerechnet ein SPDler: Der damalige Landtagsabgeordnete Franz Maget startete ein Volksbegehren und sorgte damit dafür, dass in Bayern auch Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene möglich wurden. Für die Tunnelbefürworter war das die Chance: Sie starteten das Bürgerbegehren für die drei Tunnel. Am 23. Juni 1996 erlangten sie eine Mehrheit, die mit 50,7 Prozent so knapp ausfiel, dass OB Ude sie nachzählen ließ, wie Barbara Schöne erzählt.

2002 eröffnet OB Christian Ude (SPD) mit der ehemaligen Ministerin Monika Hohlmeier von der CSU (rechts) den Tunnel.
2002 eröffnet OB Christian Ude (SPD) mit der ehemaligen Ministerin Monika Hohlmeier von der CSU (rechts) den Tunnel. © Martha Schlüter

Dass sich Schönes Engagement lohnte, obwohl alleine der Petueltunnel rund 205 Millionen Euro kostete, bezweifelt heute wohl kaum jemand - auch wenn die grün-rote Stadtratsmehrheit neue Tunnelbauten (zumindest laut Koalitionsvertrag) nicht realisieren will.

Ein Fehler, findet Schöne zwar. Mit dem Unterschriftensammeln und Flyer verteilen, will sie trotzdem nicht wieder beginnen. Das, meint sie, müssen jetzt andere machen.

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