Tempo 30 in München: Wie viel bringt es wirklich im Kampf um saubere Luft?

Um ein Dieselverbot zu verhindern, hat der Stadtrat ein Tempolimit beschlossen. Doch der Nutzen ist umstritten.
von  Christina Hertel, Ralf Müller
Die Tempo-30-Idee von OB Dieter Reiter polarisiert innerhalb der Stadtverwaltung. Auch das Klimareferat findet den Plan sinnfrei.
Die Tempo-30-Idee von OB Dieter Reiter polarisiert innerhalb der Stadtverwaltung. Auch das Klimareferat findet den Plan sinnfrei. © imago

München - Die Luft auf der Landshuter Allee ist zu schmutzig. Deshalb hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Stadt verurteilt, das Diesel-Fahrverbot zu verschärfen. SPD und CSU wollen Fahrverbote jedoch unbedingt verhindern. In der Vollversammlung vor gut einer Woche beschlossen sie mit ihrer Mehrheit deshalb ein Tempolimit von 30 km/h auf einem etwa 2,5 Kilometer langen Abschnitt auf der Landshuter Allee.

Doch was bringt Tempo 30 wirklich im Kampf um die sauberere Luft?

Die AZ hat dafür ein paar Studien genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tempolimit die Schadstoffe senkt, ist gering.

Tempo 30 statt 50 macht die Luft nicht sauberer

Der ADAC begrüßte zwar den Stadtratsbeschluss, Dieselfahrer zu schonen. Allerdings bewies der Autoclub in einer aufwendigen Studie aus dem Jahr 2018, dass Tempo 30 statt 50 die Luft nicht sauberer macht.

Gemessen wurde damals der Schadstoffausstoß unterschiedlicher Pkw-Typen, unter anderem ein VW-Dieselmotor der Schadstoffklasse 5, auf jeweils zwei innerörtlichen Straßen in Berlin und am Bodensee zu unterschiedlichen Zeiten.

Ein Schild mit der Aufschrift "Umwelt Zone" und "Diesel (außer Lieferverkehr und Anwohner) erst ab Euro 5/V frei" steht an einer Zufahrt zur Landshuter Allee.
Ein Schild mit der Aufschrift "Umwelt Zone" und "Diesel (außer Lieferverkehr und Anwohner) erst ab Euro 5/V frei" steht an einer Zufahrt zur Landshuter Allee. © Sven Hoppe/dpa

Ergebnis: Die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit sei "keine wirksame Maßnahme zur Senkung der Pkw-Emissionen". Im Gegenteil: Das Herunterbremsen des Verkehrs führte "insgesamt sogar zu schlechteren Ergebnissen".

Die meisten Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen

Andere Untersuchungen kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Landesanstalt für Umwelt und der Naturschutz Baden-Württemberg kamen nach Tests im Jahre 2012 zu dem Schluss, dass Stickoxidemissionen "auf ebener Strecke" bei 30 km/h eher höher sind als bei 50 km/h.

Das österreichische Umweltbundesamt stellte 2014 fest: "Eine Emissionsminderung durch Einführung von Tempo 40 oder 30 ist auf ebenen Hauptverkehrsstraßen (...) nicht zu erwarten".

Berlin: "Besonders schadstofflastige Beschleunigungsvorgänge" werden verringert

Zu einem anderen Schluss kam die Berliner Senatsverwaltung. Sie hat selbst mehr Tempo-30-Zonen beschlossen, um die Luft sauberer zu bekommen:

Tempo 30 reduziere im Stadtverkehr den Stickstoffausstoß, weil "die besonders schadstofflastigen Beschleunigungsvorgänge" verringert werden, meint der Senat.

Andere Untersuchungen kommen zu dem Fazit, dass nicht so sehr entscheidend ist, ob die Autos 50 oder 30 km/h fahren. Ausschlaggebend ist hingegen der Verkehrsfluss.

Bei viel Stop-and-Go-Verkehr erhöht sich der Stickoxid-Ausstoß, egal ob Tempo 30 oder 50 vorgeschrieben ist.

Das Umweltbundesamt gelangte zu dem Ergebnis, dass Tempo 30 die Luftschadstoffbelastung reduziert, "wenn es gelingt, die Qualität des Verkehrsflusses beizubehalten oder zu verbessern".

So geht es in München weiter

Und wie geht es jetzt in München weiter? Der Stadtrat hat angeordnet, Tempo 30 einzurichten. Weil für eine Geschwindigkeitsbegrenzung aber bestimmte rechtliche Voraussetzungen gelten, hat die Stadt nach einer Einschätzung der Regierung von Oberbayern gefragt. In den kommenden Tagen sollen laut Mobilitätsreferat noch Gespräche innerhalb der Verwaltung geführt werden. Wann genau die Autofahrer auf der Landshuter Allee abbremsen müssen, steht also noch nicht fest.

Außerdem hat das Rathaus vor Gericht eine Beschwerde eingereicht. Denn eine Revision ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht zu. Je nach dem wie das Gericht mit dem Einspruch umgeht, muss sich also der Stadtrat also noch einmal mit einem Dieselfahrverbot beschäftigen.

Denn das Urteil ließ eigentlich wenig Spielraum. Die Stadt sei "verpflichtet, weitere, über die bereits angeordneten Verkehrsverbote hinausgehende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anzuordnen", hieß es darin.

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