Tausende tanzen in Tracht aus der Nacht in den Tag
München - Tausende Frühaufsteher haben am Sonntag beim Kocherlball trotz grauer Wolken und Nieselregens in den Morgen hineingetanzt. Die Ersten kamen bei Dunkelheit an den Chinesischen Turm im Englischen Garten, um einen Platz zu ergattern. Selbst ein Regenguss konnte die Tanzfläche nicht leeren. Hartgesottene absolvierten Walzer, Zwiefachen und Polka mit Regenschirmen in der Hand.
Die Veranstalter sprachen von gut 10 000 Gästen - wetterbedingt etwas weniger als sonst. Terrorangst spielte jedoch keine Rolle. Es gehe darum, sich nicht einschüchtern zu lassen, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Was wir tun müssen, ist unser Leben weiterleben" und "Feste feiern wie heute", sagte er. "Sonst haben die Terroristen gewonnen."
Weniger Besucher als sonst
Das gelte auch für das Oktoberfest, dessen Sicherheitskonzept nach dem Anschlag von Nizza mit mehr als 80 Toten, als ein Lastwagen in eine Menschenmenge gerast war, neuerlich überprüft werden soll. Hundertprozentige Risikofreiheit könne es beim größten Volksfest der Welt allerdings nicht geben, sagte Reiter und unterstrich: "Ich werde alles mittragen, was der Sicherheit der Wiesn dient." Im Rathaus war vor einigen Tagen an den Stimmen der SPD der Einsatz mobiler Zäune zumindest vorerst gescheitert, mit denen Befürworter die Überfüllung des Geländes auf der Theresienwiese in den Griff bekommen wollten.
Der Kocherlball, der auch viele Auswärtige anlockt, geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Damals hatten die "Kocherl" - Küchenpersonal, Dienstmägde und Diener - nur in aller Herrgottsfrüh Zeit zum Feiern. Wenn ihre Herrschaften aus der Kirche kamen, mussten sie wieder daheim sein.
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Wegen angeblichen Sittenverfalls verbot die Obrigkeit die Bälle Anfang des 20. Jahrhunderts. Zum 200. Geburtstag des Englischen Gartens 1989 belebte die Stadt den Brauch wieder. Seitdem ist die Veranstaltung regelrecht zum Kult geworden.
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