Streit um Münchens Großmarkthalle - und unhygienische Zustände

Die Stadt will eine neue Halle bauen. Viel zu spät, sagen die Händler – und zeigen unhygienische Zustände. Ein Rundgang über einen Frischemarkt, auf dem es nicht nur Obst gibt – sondern auch ziemlich viel Ärger.
von  Laura Meschede
Händler Luka kauft seine Orangen in Sendling.
Händler Luka kauft seine Orangen in Sendling. © Daniel von Loeper

München - Im Untergeschoss des Großmarktes liegt eine tote Taube. Bauch nach oben, die Flügel geknickt, der Kopf unnatürlich verdreht. Ein paar Meter weiter stapeln sich Apfelpaletten. Es riecht nach Essig. "Und hier wird Obst und Gemüse gehandelt!", ruft Peter T. "In dem Drecksloch!"

Peter T. (Name geändert) ist Unternehmer und verkauft Früchte am Münchner Großmarkt. Er ist wütend. Wütend über den Zustand des Großmarktes. Und wütend, dass sich seit Jahren nichts ändert. Dabei ist das Thema nicht neu: Schon 2009 wurde im Stadtrat über einen Neubau diskutiert. "Im jetzigen Zustand kann der Betrieb des Großmarkts ohne grundlegende Sanierung noch höchstens fünf Jahre aufrecht erhalten bleiben", hieß es damals offiziell vom Planungsreferat. Fünf Jahre später war die "grundlegende Sanierung" weitestgehend vom Tisch. Der Plan hieß nun: abreißen, neu bauen. Der Grundsatzbeschluss des Stadtrats steht. Aber ein Datum für den Baubeginn gibt es bis heute nicht. Stattdessen wackelt die Entscheidung: Einige Händler verhandeln bereits mit Vaterstetten über einen Umzug ins Umland – und mancher im Rathaus sagt hinter vorgehaltener Hand, die hohen Kosten für den Neubau könne man sich vielleicht doch sparen.

Initiative wirbt für Standort Sendling

"Hier auf dem Markt arbeiten um die 2.500 Menschen", sagt Constanze Lindner Haigis. Sie steht im Erdgeschoss von "Halle 1" zwischen einem Erdbeer- und einem Spargelstapel. "Es ist der größte Großmarkt, den wir in Deutschland haben". Haigis ist Kunsthistorikerin und führt für die Standortinitiative "Großmarkt in Sendling. Jetzt" Journalisten durch die Halle. Es geht um den Bau des Großmarktes 1912, die Internationalisierung des Marktes durch die Gastarbeiter in den 90ern und darum, wie dringend ein Neubau gebraucht wird.

Die Standortinitiative, für die sie die Führung veranstaltet, wurde vor einem Monat von 20 Händlern, Unternehmern und Betreibern der Großmarkthalle gegründet. Ihr Ziel: die Öffentlichkeit von einem Neubau hier in Sendling zu überzeugen. "Von hier aus wird der ganze S-Bahn-Bereich Münchens beliefert", sagt Haigis. "Das sind knapp fünf Millionen Menschen."

Vaterstetten als alternativer Standort

Speziell für die kleineren Händler, den Gemüseladen an der Ecke oder das Smoothie-Geschäft mit den drei Angestellten wäre ein Umzug der Großmarkthalle ins Umland eine Katastrophe, argumentiert sie. "Hier in Sendling liegt der Markt zentral und kann von den Händlern einfach erreicht werden."

"Hierbleiben? Das wollten wir alle", sagt Günther Warchola. Damals. 2009. "Jetzt haben wir 2017!" Warchola ist Präsident des Fruchtverbandes, eines Zusammenschlusses von 60 Fruchthändlern. Sie setzen nicht mehr auf den Neubau in Sendling – sondern stehen mit Vaterstetten in Verhandlung über eine Halle. "Bis eine neue Halle steht, ist es wahrscheinlich 2026. Das dauert zu lange", sagt Warchola. Bis dahin möchte er nicht warten. Warchola sagt: "Das Gelände hier ist dringend sanierungsbedürftig." Zudem hat er Angst, die Kosten für den Neubau könnten auf die Händler umgelegt werden. "Aktuell zahlen wir 12,50 Euro Miete pro Quadratmeter. Wenn sie über 20 steigt, dann ist für uns Schluss."

Einen gemeinsamen Gegner haben alle: die Supermärkte

"Säbelrasseln", nennt Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD) den Vorstoß. Er ist bei der Stadt für das Thema verantwortlich. "Den Fruchthändlern geht alles zu langsam, das kann ich verstehen", sagt er der AZ. Aber: "Es steht nun einmal seit 2008 fest, dass es hier eine neue Halle geben wird. Da lohnen sich keine aufwendigen Sanierungen mehr." Im Stadtrat soll der Neubau noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Hofft zumindest Markwardt. "Niemand hier weiß, wie es um die Zukunft der Halle steht", sagt hingegen Silvia Gersta. Sie steht an einem Obststand und feilscht mit einem Händler um eine Palette Erdbeeren. Ihre größte Sorge geht über die Ortswahl hinaus: "In den letzten Jahren hat sich hier viel verändert", sagt sie. "Es ist immer weniger los."

Der Grund: die Konkurrenz durch die Supermärkte. Die kaufen ihre Waren direkt vom Anbieter, nicht auf dem Großmarkt. Und da sind sich doch alle einig, die Standortinitiative, der Fruchtverband – und sogar Markwardt, der Kommunalreferent. Wichtiger als die Frage, wo er sich befindet, ist, dass der Großmarkt überhaupt erhalten bleibt. "Ich bin jetzt 65", sagt Warchola. "Und mich werden sie aus dem Großmarkt raustragen müssen."

Lesen Sie hier einen AZ-Kommentar: Wohnungen statt Großmarkthalle? München ist mehr

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