Rund 50 Jahre nach der Entstehung: Neuperlach bekommt eine Schönheitskur

Gut 50 Jahre nach seiner Entstehung will die Stadt das Viertel mit den hohen Häusern und dem schlechten Ruf grundlegend sanieren. Was geplant ist und wie viel das kosten soll.
Autorenprofilbild Christina Hertel
Christina Hertel
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
5  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Neuperlach gilt als "Ghetto" am Stadtrand. Dabei ist das Viertel besser als sein Ruf. Zwischen den Häuserblöcken liegt zum Beispiel viel Grün.
Neuperlach gilt als "Ghetto" am Stadtrand. Dabei ist das Viertel besser als sein Ruf. Zwischen den Häuserblöcken liegt zum Beispiel viel Grün. © Klaus Leidorf/LHM

Neuperlach - Oh Gott, da soll ich leben? Das sei ihr erster Gedanke gewesen, als sie vor neun Jahren als Studentin mit Anfang 20 nach Neuperlach zog, erzählt Vaniessa Rashid. Doch nach einem Jahr voller Absagen bei der Wohnungssuche sei ihr damals nichts anderes übriggeblieben.

Neuperlach ist nicht grau, sondern bunt!

Inzwischen sei sie froh darüber, sagt sie. Denn Neuperlach, das Viertel mit dem schlechten Image und den Wohnblocks, die an so mancher Stelle bis zu 17 Stockwerke hoch in den Himmel ragen, ist Vaniessa Rashids Zuhause geworden: Sie sitzt für die Grünen im örtlichen Bezirksausschuss, ist in vielen Vereinen aktiv und findet: "Die Häuser sind vielleicht grau, Neuperlach ist trotzdem bunt - wegen der Menschen, die hier leben."

Neuperlach wurde in den 60er Jahren als Satellitenstadt, als Stadt in der Stadt, geplant, um die Wohnungsnot in München zu beheben. Die Bewohner sollten in Neuperlach leben, arbeiten, ihre Freizeit verbringen. Der Plan ging aber nur zum Teil auf.

Die Satellitenstadt Neuperlach ...
Die Satellitenstadt Neuperlach ... © imago

Gemütliche Treffpunkte im Viertel fehlen

Zum Beispiel fehlt bis heute ein Kulturzentrum. Cafés und Orte, wo sich Jugendliche gern aufhalten, gibt es viel zu wenig, sagt Rashid. "Ein Kino wäre großartig." Gleichzeitig ist Neuperlach als Ghetto verschrien, weil der Migrationsanteil, aber auch die Arbeitslosenquote höher sind als in der schicken Innenstadt.

Gut 50 Jahre nach seiner Errichtung will die Stadt Neuperlach nun sanieren - und das heißt: nicht nur frische Farbe an die Wände pinseln. "Neuperlach soll einen Refresh bekommen", sagt Susanne Grillmeier aus dem Münchner Planungsreferat. Schon seit gut eineinhalb Jahren läuft deshalb eine Art "Check-up".

Bevölkerung und Organisationen wurden informiert und befragt. Veranstaltungen und Spaziergänge fanden statt. Sogar ein Info-Mobil fuhr durchs Viertel. Inzwischen ist daraus ein Konzept entstanden.

... ist mit ihren großen Straßen "autogerecht" geplant.
... ist mit ihren großen Straßen "autogerecht" geplant. © imago/WEREK

Mehrere Millionen könnten bald nach Neuperlach fließen

Heute berät der Stadtrat im Planungsausschuss, ob er dieses umsetzen und ob die Stadt in den nächsten fünf Jahren tatsächlich 10,9 Millionen in Neuperlach stecken will. Etwa die Hälfte könnte München von Bund und Freistaat zurückbekommen.

Vaniessa Rashid ist davon überzeugt, dass sich diese Investition lohnen würde. In keinem anderen Viertel leben so viele Kinder, nirgendwo sonst ist der Anteil an Grünflächen so hoch, kein Stadtteil hat mehr Brücken, die sich über die Straßen spannen, erzählt sie.

Nirgendwo gibt es deshalb so viele Brücken (hier ein Foto von 1971).
Nirgendwo gibt es deshalb so viele Brücken (hier ein Foto von 1971). © imago

Auch die Stadt hat diese Potenziale erkannt. So ist ein Ziel, die Freiräume zu vernetzen und zu stärken. Am Grün sollen die Bewohner nicht nur vorbeispazieren, sondern auch auf neuen Bänken entspannen können. Spielplätze und Beete für Gartenprojekte könnten geschaffen werden.

Cafés, Coworking-Spaces und ein hübscherer Ostpark

Auch der Ostpark soll schöner werden. Zum Beispiel könnte das Theatron, wo schon heute Konzerte stattfinden, eine bessere Strom- und Wasserversorgung und der See im Park ein hübscheres Ufer bekommen. All diese Ideen wurden von der Bevölkerung genannt. Manches kann schnell umgesetzt werden.

Hier können die Bewohner ihre Ideen für die Sanierung des Viertels loswerden.
Hier können die Bewohner ihre Ideen für die Sanierung des Viertels loswerden. © Ganzenmueller

Vieles sei eine langfristige Vision, sagt Hannah Dahlmeier, die im Planungsreferat im Bereich Stadtsanierung arbeitet: Aus der Thomas-Dehler-Straße könnte zum Beispiel irgendwann ein urbaner Boulevard werden, wo Fußgänger und Radler viel Platz haben. Dann sollen dort nicht nur nach außen hin abgeriegelte Unternehmen stehen, sondern auch Cafés und Coworking-Spaces.

Werden die Ideen auch die Bewohner überzeugen?

Vermisst wird in Neuperlach ein Kulturzentrum. Ab 2023 soll gegenüber vom Busbahnhof beim Hanns-Seidel-Platz für drei Jahre eine kulturelle Zwischennutzung entstehen, sagt Dahlmeier.

Auch das Areal rund um die Lätare-Kirche soll lebendiger werden. Aus der Beschlussvorlage, über die der Stadtrat heute diskutiert, geht hervor, dass die Kirche das Gemeindezentrum zwar erhalten, aber für kulturelle und soziale Nutzung erweitern will.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Die Barrierefreiheit, das Radnetz, die Fußgängerwege und die Sportplätze sollen nach der Sanierung ebenfalls besser sein. Überzeugen muss die Stadt nicht nur die rund 60.000 Menschen, die in Neuperlach leben, sondern vor allem die vielen verschiedenen Eigentümer dort. Fertig soll das neue Neuperlach allerdings auch erst in 15 Jahren sein.


Umfrage: Wie finden Sie Neuperlach - und was ist verbesserungswürdig?

Marzena Kieltyka-Gibala (34), Verkäuferin
Marzena Kieltyka-Gibala (34), Verkäuferin © Daniel von Loeper

Marzena Kieltyka-Gibala: "Etwas hellere Farben würde ich mir für Neuperlach wünschen. Das würde das Viertel noch etwas fröhlicher wirken lassen. Ein paar Blumentröge und Lampen am Abend wären fein. Super ist der Perlachpark mit Brunnen."

Emanuel Selmani (19), Einzelhandelskaufmann
Emanuel Selmani (19), Einzelhandelskaufmann © Daniel von Loeper

Emanuel Selmani: "An sich ist Neuperlach ganz entspannt. Man kennt sich in der Blockgegend. Jeder lebt sein Leben und macht sein Ding. Mehr Fußball- und Basketballplätze und mehr Möglichkeiten für Kinder zum Spielen wären super."

Etom Mark (45), Pflegerin
Etom Mark (45), Pflegerin © Daniel von Loeper

Etom Mark: "Noch mehr Blumen und noch mehr Deko für Neuperlach wären schön. Die Wasserfontäne im Perlachpark ist wunderbar, auch der Ostpark ist schön und ein guter Platz, um Picknick zu machen. Außerdem kann man super einkaufen in den vielen Läden."

© Daniel von Loeper

Jelena Tomasevic: "Neuperlach ist ganz cool. Der Stadtteil hat sehr unterschiedliche Leute, die dort leben. Auch ein paar Promis sind darunter. Paar Blumenkästen am Einkaufszentrum Pep wären toll."

Fotos/Umfrage: Daniel von Loeper

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
5 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Kadoffesalod am 14.01.2022 00:09 Uhr / Bewertung:

    Genau sowas war schon vor der Wahl vorauszusehen. München hat drastische Einnahmeverluste. Arbeitsverträge werden gekündigt oder nicht mehr verlängert. Für viele wichtige Dinge ist kein Geld da. Die Coronakrise schränkt alles ein. Fast alles. Denn für eine Schönheitskur von Neuperlach werden Millionen lockergemacht. Man möchte ja bestimmten Bevölkerungsgruppen eine Freude machen. Damit setzt man dann auch noch ein Signal, dass es Vorteile hat wenn man alles verlottern lässt und mittels angewandtem Vandalismus Schaden und Zerstörung bewirkt. Denn dann wird alles neu gemacht - auf Kosten der Steuerzahler.

  • Hosenband am 14.01.2022 18:22 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kadoffesalod

    Also ich bin so ziemlich das Gegenteil eines Migrationsromantikers, aber das ist dann schon etwas weit hergeholt, oder? Dänemark, das bekanntermaßen eine weitaus weniger weltfremde Migrationspolitik als Deutschland betreibt, lässt seine Viertel mit hohem Migrantenanteil ja auch nicht einfach verlottern. Was sollte das denn auch besser machen? Und ein Problemviertel ist Neuperlach überhaupt nicht. Die echten Probleme liegen doch in Städten Deutschlands mit günstigeren Preisen, weniger sozialer Infrastruktur und einer Polizei, die noch zahmer ist als die bayrische. Deswegen kann man sich ja gerade in München immer Luftschlösser herbeiträumen, weil bei uns sich die negativen Aspekte kaum zeigen.

  • Asowas am 13.01.2022 13:23 Uhr / Bewertung:

    Naja, das Marxzentrum hat sich mittlerweile komplett vom Asbest befreit und seine Gebäude auf KFW70 Standard renoviert und saniert. Nach und nach passiert das wohl mit allen Gebäuden hier. Alles auf einmal geht halt eben nicht, irgendwann geht den Eigentümern auch das Geld aus.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.