"Möbel am Rathaus" - der Geschenkeladen am Marienhof schließt
München - Sie hat die Artikel nie gezählt, und jetzt, wo man sie danach fragt, wundert sich Marion Drs (57) selbst darüber. Es wäre wohl eine schöne Zahl geworden, von der man den Urenkeln noch hätte erzählen können. Nur, jetzt verschwinden sie jeden Tag, all die Holzengerl, Rindenkripperl, Bierkrüge, Glücksschweinderl, Porzellantassen, Kühlschrankmagnete und Holzbrettl aus poliertem Oliven-, Kirsch- und Zirbenholz, zu Räumungsverkaufspreisen, und es kommen keine mehr nach. Denn Helmut (60) und Marion Drs sperren spätestens zum 1. Februar ihren Holz- und Geschenkeladen am Marienhof zu.
Von der Hinterhofschreinerei zum Geschenkeladen
Damit stirbt, schon wieder, ein halbes Jahrhundert Geschichte in der Altstadt. Das Laderl, das ganz unspektakulär "Möbel im Rathaus" heißt, haben die Eheleute Mitte der 70er Jahre aufgemacht - eigentlich nur als Werbung für ihre Schreinerei, die schon Helmuts Urgroßeltern 1890 in der Isartalstraße aufgemacht hatten. "Das war eine malerische Hinterhofschreinerei", erzählt Marion Drs, "so eine wie der Meister Eder mit seinem Pumuckl hatte." Irgendwann haben sie die, weil dort mehr Platz war, nach Sauerlach umgezogen. Der Laden aber blieb.
Vorn, nah am Eingang, haben sie die Dinge aufgereiht, die Touristen gerne aus München mit nach Hause bringen: Schwarz-silberne Souvenir-Bierkrüge mit Zinndeckel für russische Gäste. Magnete mit Münchenmotiven für sammelnde Italiener. Amerikaner, erzählt Marion Drs, haben auch immer gern Keramik aus dem Chiemgau mitgenommen, Porzellantassen, Krügerl und Teller mit feinen Blumenmustern.
Geschätzt von Touristen und Münchnern
Aber auch viele Einheimische kamen all die Jahre hierher und kauften, was weiter hinten im Laden zu finden ist: geölte Olivenholzbretter oder Kochlöffel für die Küche, die aus einem Familienbetrieb in Italien kommen. Zirbenholz-Brotkästen aus der eigenen Schreinerei, die ihr Sohn Josef inzwischen führt. Oder, gerade vor Weihnachten, hölzerne Krippenfiguren, Baumschmuck aus Rindenholz, Engerl, Holzmobiles oder das sehr hübsche Porzellan aus einer Traditions-Porzellanmanufaktur in Schrobenhausen.
Erst die Großbaustelle, dann noch Corona
Der erste große Umsatzeinbruch kam mit der Großbaustelle am Marienhof für die zweite S-Bahnstammstrecke. "Der Lärm, der Schmutz, die Baufahrzeuge, die immer wieder die Landschaftsstraße blockieren", erzählt die Ladenchefin, "das hat schon viel Kundschaft vertrieben." Dann kam Corona, und wie überall in der Altstadt sind nach dem ersten Lockdown im Frühling auch bei ihr die Kunden weggeblieben. "Die Touristen waren schlagartig verschwunden", erzählt Marion Drs, "zwei Drittel unserer Kundschaft fehlte, und sie kamen auch nach dem Lockdown im Sommer nicht wieder."
Ein "kleiner Lichtblick" seien noch die 16 Tage der Wirtshauswiesn gewesen, das kleine Ersatzfest fürs ausgefallene Oktoberfest im September, als viele Münchner in Tracht und ein bissl Feierlaune durch die Stadt in die Wirtshäuser strömten. Im Oktober aber ist es wieder still geworden.
Jedes Stück wird noch verkauft
Das reicht einfach nicht mehr, um weiterzumachen, sagt sie, auch wenn die Miete der Stadt München "sehr fair" sei. 20, zum Teil auch 30 Prozent Rabatt gibt sie nun auf ihre Krüge, Brettl, Heiligenfiguren und Weihnachtsdeko. Sie möchte alles Stück für Stück verkaufen, weil's ja auch keinen Sinn macht, ihre Ware einem anderen Souvenirhändler zu übergeben, deren Geschäfte liefen ja auch nicht mehr. Der Laden wird noch bis Ende Januar auf sein, bis alles abverkauft ist. Die Glücksschweinderl, die noch übrig sind, hat Marion Drs dann gestern doch mal gezählt. Sie sind fünf bis 15 Zentimeter groß, aus Rindenholz geschnitzt und werden im Schwarzwald gefertigt. 104 Schweinderl sind es noch, die man sich abholen kann, und Glück kann man doch immer brauchen.
Möbel im Rathaus,Marienplatz 8 (Rathaus-Rückseite), Mo-Fr von 11-18 Uhr, Sa von 11-16 Uhr
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