"Besorgniserregend": Radweg-Umbau in München-Harlaching stößt auf Kritik

In Harlaching wird eine Straße entsprechend dem Radentscheid umgebaut. Das gefällt nicht allen. Doch das Mobilitätsreferat in München erklärt, warum das wichtig ist.
Myriam Siegert
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Die Baustelle an der St.-Magnus-Straße in Harlaching: Der schmale alte Radweg rechts im Bild soll dem Gehweg zugeschlagen werden. Der neue breite Radweg entsteht links des Baumstreifens.
Die Baustelle an der St.-Magnus-Straße in Harlaching: Der schmale alte Radweg rechts im Bild soll dem Gehweg zugeschlagen werden. Der neue breite Radweg entsteht links des Baumstreifens. © Daniel von Loeper

Harlaching - "Luxusradweg" – dieses Schlagwort fiel in der letzten Zeit wieder öfter. Während einigen der Ausbau der Radinfrastruktur in der Stadt nach wie vor nicht schnell genug voran geht, finden andere vieles davon überdimensioniert.

Erst Anfang Oktober hat der Stadtrat beschlossen, bei einigen geplanten Radweg-Umbauten, etwa an der Elisenstraße, noch einmal genau hinzuschauen und Pläne gegebenenfalls zu verschlanken (AZ berichtete). Doch nicht nur in der Innenstadt entstehen Diskussionen über Sinn, Unsinn oder Ausführung von Radwegen, auch in weiter außerhalb gelegenen Stadtbezirken ist nicht jeder und jede von der Münchner Radweg-Politik überzeugt.

Neue Radwege in München: "Stadtregierung verschwendet Steuergeld"

Für "Steuergeldverschwendung" und einen Umweltfrevel hält etwa eine AZ-Leserin aus Harlaching einen aktuellen Radwegumbau an der St.-Magnus-Straße. Die Anwohnerin schreibt an die AZ, die Maßnahme sei "besorgniserregend". Die Errichtung des neuen Radwegs sei außerordentlich teuer, zudem müssten dafür diverse Bäume gefällt werden. Es dränge sich die Frage auf, so die Leserin, warum die Stadtregierung in Zeiten des Klimawandels "scheinbar so wenig Wert auf den Erhalt unserer Natur legt und gleichzeitig Steuergelder in derart verschwenderischer Weise ausgibt".

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Weil die St.-Magnus-Straße bereits über einen Radweg verfügt, frage sie sich, warum man nicht einfach die Radwegbenutzungspflicht aufheben könnte, damit schnelle Radfahrer auf der Straße fahren können, andere könnten auf dem Radlweg bleiben. Der aufwendige Radwegausbau aber und auch die damit verbundenen Baumfällungen, wären obsolet und das Stadtbudget würde geschont, so die Harlachingerin.

Warum werden Radwege in München so gebaut?

Die AZ reicht diese Frage an die Stadt weiter. Handelt es sich hier um ein überdimensioniertes Steuergeld-Verschwendungs-Projekt? Das Mobilitätsreferat der Stadt (MOR), zuständig für die Radwegplanungen, erklärt auf AZ-Anfrage, warum es Radwege im allgemeinen, aber auch diesem speziellen Fall, so baut, wie es sie – meistens – baut.

Grundlage des Ganzen sei die "Mobilitätsstrategie 2035", mit der der Stadtrat im Sommer 2021 einen Fahrplan für die Verkehrswende in München festgelegt hat. Ein zentrales Ziel: die Förderung nachhaltiger Verkehrsmittel des Umweltverbundes – also des ÖPNV, des Fuß- und des Radverkehrs. Indem man die Radinfrastruktur ausbaut, möchte man mehr Verkehrssicherheit für Radler und Fußgänger schaffen und so den Anteil des Radverkehrs steigern.

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Zusätzlich gilt: Werden Radwege neu oder umgebaut, geschieht dies möglichst nach den Zielen des Radentscheids, den der Stadtrat 2019 übernommen hat. Was an der St.-Magnus-Straße passiert, ist genauso ein radentscheidkonformer Umbau. Die Straße gilt als wichtige Verbindung auf der beschilderten Fahrradhauptroute Marienplatz - Harlaching. Auf der Internetseite des Mobilitätsreferats heißt es, die rund 550 Meter lange Straße würde "intensiv von Radfahrern genutzt", daher werden die vorhandenen zu schmalen Radwege verbreitert.

In einem Jahr soll der Umbau an der St.-Magnus-Straße fertig sein.
In einem Jahr soll der Umbau an der St.-Magnus-Straße fertig sein. © Daniel von Loeper

Konkret bedeutet das: Auf der gesamten St.-Magnus-Straße wird ein zur Fahrbahn baulich abgegrenzter Radweg mit 2,50 Metern Breite gebaut, der zwischen den Parkplätzen und den Baumgräben verlaufen wird. Zusätzlich zum Längsparkstreifen entsteht ein Sicherheitstrennstreifen, um Radfahrer vor sich öffnenden Autotüren zu schützen.

Die bisherigen Radwege werden den Gehwegen zugeschlagen. Die Einmündungen und Kreuzungsbereiche werden übersichtlicher, die Querungszeiten kürzer, so das MOR. Zudem entstehen Abstellplätze für bis zu 54 Fahrräder, 35 Autoparkplätze entfallen. Im Oktober 2021 habe der Stadtrat diese Maßnahme beschlossen.

Die Stadt München erklärt, was wirklich sichere Radwege ausmacht

Ist dieser Aufwand wirklich nötig? Das Mobilitätsreferat erläutert auf AZ-Anfrage näher, was wirklich sichere Radwege auszeichnet: Zum einen eine ausreichende Breite, um entspannt nebeneinander zu fahren. So können schnellere Radler mit genug Sicherheitsabstand Langsamere überholen. Zu anderen die bauliche Trennung von Rad- und Autoverkehr, sowie Fußgängern. So kommen sich Radler, Autos und Fußgänger nicht in die Quere und der Radweg kann nicht zugeparkt werden.

An Kreuzungen und Einmündungen werden Radwege zudem nah an der Fahrbahn geführt, damit Radler und Autofahrer einander gut sehen können. Rotmarkierte Furten markieren Gefahrenbereiche, Radwege werden farblich und markierungstechnisch so gestaltet, dass sie eindeutig erkennbar sind und eine klare Führung der Verkehrsteilnehmer begünstigen. An Ampeln bekommt der Radverkehr im besten Fall separate Signale, "um Konflikte mit abbiegenden Autos auszuschließen", so das Referat.

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Diese neuen Radwege würden außerdem der Entwicklung Rechnung tragen, "dass immer mehr Menschen ganz unterschiedliche Fahrräder mit starken Geschwindigkeitsunterschieden, wie Lastenfahrräder, Pedelecs, Anhänger oder Rennräder nutzen". Zudem gebe es immer mehr Wirtschaftsverkehr mit elektrischen Kleinfahrzeugen, und E-Scooter würden die Radverkehrsinfrastruktur nutzen.

Radler auf die Straße? Das ist keine Alternative

Das Referat betont, "gerade für Kinder, Senioren und ungeübte Radfahrer bieten die neuen Radwege eine große Verbesserung gegenüber den alten, schmalen und zum Teil baufälligen Ausführungen."

Gerade mit Blick auf diese will das MOR die Radler auch nicht auf die Straße verweisen: Für sie "ist die Nutzung der Fahrbahn im Mischverkehr keine Alternative, da viel zu gefährlich." Auf den Fahrbahnen herrsche Tempo 50 und viele Autofahrer hielten sich nicht an den gesetzlichen Überholabstand von mindestens 1,5 Metern zum Radverkehr. Zudem sei die Reaktion einiger Autofahrer gegenüber Radlern bei einer möglichen Aufhebung der Benutzungspflicht schwer vorauszusehen.

Baumfällungen in der St.-Magnus-Straße werden doch nicht nötig

Was die Baumfällung angeht, gibt das Referat Entwarnung: Im Stadtratsbeschluss zur Umgestaltung der St.-Magnus-Straße sei man noch von drei zu fällenden Bäumen ausgegangen, dies konnte auf einen Baum reduziert werden. Dieser werde unabhängig von der Radwegeplanung, sondern wegen eines fehlenden Rettungswegs, der nun eingerichtet wird, gefällt. Dem stünden zudem 26 Neupflanzungen gegenüber.

An der St.-Magnus-Straße wird weiter gewerkelt. Nach dem Abschnitt zwischen Nauplia- und Noldinstraße ist ab 2024 der Bereich zwischen Noldin- und Grünwalder Straße dran. Mitte Dezember 2024 soll dann alles fertig sein.

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  • Radler22 am 06.11.2023 21:53 Uhr / Bewertung:

    Schön, dass hier mal Klartext geredet wird: "...bauliche Trennung von Rad- und Autoverkehr, sowie Fußgängern. So kommen sich Radler, Autos und Fußgänger nicht in die Quere...An Kreuzungen werden Radwege zudem nah an der Fahrbahn geführt, damit Radler und Autofahrer einander gut sehen können...viele Autofahrer hielten sich nicht an den gesetzlichen Überholabstand zum Radverkehr. Zudem sei die Reaktion einiger Autofahrer bei einer Aufhebung der Benutzungspflicht schwer vorauszusehen."

    Übersetzt: "Radwege sind u.a. wegen der schlechteren Sichtbeziehungen gefährlicher als die Fahrbahn. Damit die Radfahrer wenigstens plötzlich auftauchen können, werden sie an den in der Stadt so häufigen Kreuzungen wieder an die Fahrbahn geführt. Dieser Wechsel ist v.a. für Kinder und Ältere viel besser zu bewältigen als gleichmäßiges Fahren auf der Fahrbahn. Die Sicherheit durch Durchsetzung der Gesetze zu erhöhen, ist leider keine Option. Und gefühlte Sicherheit ist viel besser als echte Sicherheit!"

  • doket am 06.11.2023 13:11 Uhr / Bewertung:

    Auf der St.-Magnus-Straße fahren täglich 12.000 Kfz einschließlich der Lkw. Das ist problemlos auf einer Spur pro Richtung abwickelbar. Auf der Naupliastraße ums Eck fahren mehr als doppelt so viele, ohne dass es dort ansatzweise zu Stauungen kommt. Also wo, wenn nicht dort sollte es denn möglich sein vernünftige Radwege zu bauen. Keiner wird dort gestört. Fußgänger bekommen mehr Platz, Radfahrer auch. Alle gewinnen und die Autofahrer bekommen keine Einbußen

  • wore am 06.11.2023 18:12 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von doket

    12.000. So viele Fahrzeuge auf der St.-Magnus-Straße (ob so viele darauf überhaupt passen), habe ich bisher nur einmal dort gesehen als vor Jahren im McGraw-Graben unter der Chiembau-Straße ein Bus ausgebrannt ist und deswegen der gesamte Verkehr im Südosten von München für viele Stunden total zum Erliegen kam.

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