Spezialabteilung: So kämpft die Staatsanwaltschaft gegen Zwangsprostitution
München - In Westeuropa und Bayern werden oft junge Frauen aus dem EU-Ausland angelockt und zum Sex gezwungen. Ausgebeutete Frauen sind meist unter 21. Sie stammen häufig aus Osteuropa, aus Ländern wie Bulgarien, Rumänien, auch Ungarn – oder auch aus Nigeria. Die Zahlen steigen, die Dunkelziffer ist hoch.
Dreiste Lügen: Loverboys werben ihre Opfer an
Den Frauen wird ein besseres Leben in Westeuropa versprochen, doch sie werden massiv getäuscht. Und zwar von skrupellosen, sogenannten Loverboys oder von gewaltbereiten Mitgliedern der organisierten Kriminalität, die falsche Job-Hoffnungen wecken. Loverboys werben ihre Opfer oft über die Lüge an, ein gemeinsames Leben aufbauen zu wollen.
Eisenreich: "Schlimme Schicksale, verursacht von Männern"
Das Bayerische Justizministerium hat daher innerhalb der Staatsanwaltschaft eine neue Spezialabteilung gegründet – gegen Menschenhandel, Zuhälterei und Zwangsprostitution, um diese menschenverachtende Masche stärker zu bekämpfen. Die neue Abteilung "XVII b" ist schon seit Oktober 2020 aktiv und wurde am Montag offiziell vorgestellt, vom Bayerischen Justizminister Georg Eisenreich.
"Der Schutz von Frauen und Mädchen ist mir ein großes Anliegen", sagte Eisenreich am Montag in den Räumen der Staatsanwaltschaft I an der Linprunstraße. Es seien "schlimme Schicksale, verursacht von Männern", die man nun noch besser ermitteln könne.
Simon: "Die jungen Frauen werden gezwungen, sich zu prostituieren"
Oberstaatsanwältin Anne Simon leitet diese neue Abteilung und kennt das Profil der Straftäter. Seit Jahren bekämpft sie kriminelle Strukturen, die hinter Menschenhandel stecken. "Durch List, Gewalt und Drohungen nutzen viele Täter die Notlage ihrer Opfer aus", sagt sie. Die jungen Frauen würden gezwungen, sich zu prostituieren. Ihre Einnahmen müssen sie abgeben, so Simon.
Dabei spiele es keine eine Rolle, ob die Frauen das alles bewusst oder teilweise freiwillig sowie naiv mitmachten. Entscheidend für die Strafbarkeit sei, ob die Zuhälterei etwa "dirigierend" passiere. Dirigierend sei, wenn der Zuhälter bestimme, dass eine Frau einen Mindestbetrag erwirtschaften müsse oder wie oft sie sich prostituieren müsse.
Fachberatungsstelle "Jadwiga" unterstützt
Anne Simon ist eine Fachexpertin. Sie arbeitete bereits an der Reform der Gesetze gegen Menschenhandel mit. In der neuen Abteilung hat sie fünf Mitstreiter: zwei weitere Staatsanwälte, zwei Gruppenleiterinnen sowie eine Abteilungsleiterin. Simon arbeitet auch eng mit Opferorganisationen zusammen, wie etwa der Fachberatungsstelle "Jadwiga".
Deren Münchner Leiterin ist Monika Cissek-Evans. Ihre Organisation hilft nicht nur Frauen, die bereits Opfer von Zwangsprostitution geworden sind, sie versucht auch zu verhindern, dass es überhaupt dazu kommt. Jadwiga schult etwa KVR-Mitarbeiter. Da gebe es durchaus Auffälligkeiten. "Es ist ein zu großer Zufall, wenn sich eine 18-Jährige in Anwesenheit ihres Freundes genau zu ihrem Geburtstag als Prostituierte bei der Stadt registrieren lassen möchte", sagt sie. Hier seien die KVR-Mitarbeiter geschult, solche Vorgänge bei der Polizei zu melden.
Auch Aufklärungskampagnen helfen, so Cissek-Evans. Als Beispiel bringt sie ein bekanntes Sportereignis: "Zur WM 2006 haben wir eine große Kampagne organisiert. Da meldeten sich viele Freier bei der Polizei und sagten, dass da irgendetwas nicht gestimmt habe", sagt Cissek-Evans.
Auch Freier können künftig bestraft werden. Nach einer bundesweit beschlossenen Gesetzesänderung, die noch nicht in Kraft getreten ist, ist es strafbar, falls ein Freier billigend in Kauf nimmt, mit einer ganz offensichtlich Zwangsprostituierten Sex zu haben.
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