Münchner Suchtberater über Söder-Reaktion auf Cannabis-Pläne: "Bedeutet nichts Gutes für Bayern"
München - Wenn Siegfried Gift auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und dessen Kritik an den Plänen der Bundesregierung in Sachen Legalisierung von Cannabis angesprochen wird, dann erinnert er sich sofort an dessen Aversion gegen Drogenkonsumräume.
Suchtberater Gift über Söder-Reaktion auf Cannabis-Pläne: "Bedeutet nichts Gutes für Bayern"
"Bei den aktuellen Entwürfen geht ja ein Gestaltungsauftrag an die Bundesländer, und wenn man sieht, wie Söder auf die Ideen aus Berlin reagiert, bedeutet das nichts Gutes für Bayern", sagte der Diplom-Sozialpädagoge im Gespräch mit der AZ. Er weiß, wovon er spricht: Seit 25 Jahren ist er in der Suchtberatung tätig, leitet die Abteilung Jugend, Sucht und Familienhilfen bei der Münchner Initiative Condrobs e.V.
Markus Söder: "Drogenlegalisierung ist einfach der falsche Weg"
Während Drogenkonsumräume, landläufig auch Fixerstuben genannt, in Großstädten vieler Bundesländer längst etabliert sind, lehnt die bayerische Staatsregierung sie weiter strikt ab. Ähnliches zeichnet sich nun auch beim Thema Cannabis ab, findet Gift.
"Die Ampel ist grundlegend auf dem Irrweg. Drogenlegalisierung ist einfach der falsche Weg", wetterte Söder am Mittwoch auf Twitter, nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) in Berlin überarbeitete Pläne der Ampel-Koalition für eine Cannabis-Legalisierung präsentiert hatten.
Bundesregierung will Anbau und Abgabe in Cannabis-Clubs ermöglichen
Erlauben will die Ampel demnach künftig den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis – daraus ließen sich Dutzende Joints drehen. Legal sein soll auch der Eigenanbau von maximal drei Pflanzen. Außerdem will die Bundesregierung den Anbau und die Abgabe der Droge in Cannabis-Clubs ermöglichen, die zudem "sieben Samen oder fünf Stecklinge" für den Eigenanbau abgeben dürften, wie Lauterbach erläuterte.
Die ursprünglich geplanten Cannabis-Fachgeschäfte, in denen Rausch-Produkte frei an Erwachsene verkauft werden könnten, wie in einigen US-Bundesstaaten, kommen dagegen erst einmal nicht, weil das auf Widerstand bei der EU in Brüssel gestoßen war.
Gift: "Die Entkriminalisierung des Konsums ist das Wichtigste"
Siegfried Gift begrüßt die Ansätze der Bundesregierung. "Die Entkriminalisierung des Konsums ist das Wichtigste, Probleme resultieren gerade bei Jugendlichen vor allem aus der polizeilichen Verfolgung heraus", betonte der 57-Jährige. "Es ist gut, dass die Bundesregierung an den Jugendschutz denkt und versucht, eine legale Abgabe zu ermöglichen."
Gift: "Wir sind in Deutschland mit den Plänen auf einem guten Weg"
Entscheidend sei, dass man nicht die gleichen Fehler mache wie in den Niederlanden, wo die Weitergabe von Cannabis "nicht über von der Mafia abgekoppelte Wege" geschehen sei und man so nicht sicher sein konnte, was in der Droge wirklich an Substanzen drinstecke. "Wir sind in Deutschland mit den Plänen auf einem guten Weg."
In Kommunen mehrerer Bundesländer sollen den Regierungsplänen zufolge in Modellprojekten "kommerzielle Lieferketten" ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf in Fachgeschäften. Die Projekte sollen wissenschaftlich begleitet, auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt sein.
Suchtberater Gift: "Jugendliche sind im Antwortverhalten oft ein bisschen naiver"
Wie der Münchner Suchtmediziner Tobias Rüther – er leitet die sogenannte Tabakambulanz an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im LMU Klinikum – sieht Siegfried Gift ein großes Risiko gerade bei den Jugendlichen. Das Gehirn wächst bis zum 23. Lebensjahr und vernetzt sich bei Drogenkonsum schlechter.
"Grundsätzlich zieht sich die Sucht-Problematik sowohl bei Cannabis- und Alkoholkonsum durch alle Generationen durch", betont Gift. "Aber Jugendliche sind im Antwortverhalten oft ein bisschen naiver, probieren einfach sehr gerne aus."
Gifts Wunsch: "Werbung für Alkohol verbieten"
Und wie ist das unmittelbar nach dem Oktoberfest? Werden dann vermehrt Jugendliche bei der Suchtberatung vorstellig? "Das würde ich so pauschal nicht sagen", antwortet Gift, "Volksfeste gibt es ja überall im Land, das sind saisonale Peaks. Zudem sind wir mit unseren Mitarbeitern ja proaktiv während der Wiesn unterwegs und sprechen die Jugendlichen dort direkt an."
Als "Zeiträume für Alkoholexzesse" macht der Suchtberater tatsächlich eher Silvester oder auch Schulabschlussfeiern aus: "Da kommt es schnell auch mal zu Alkoholvergiftungen, dann rufen auch mal die Eltern durch."
Gifts Wunsch in diesem Zusammenhang: "Man müsste die präventiven Teile der Cannabis-Pläne auch auf den Umgang mit Alkohol übertragen und so schnell wie möglich zum Beispiel Werbung für Alkohol verbieten."
Condrobs e.V. ist ein überkonfessioneller Träger mit vielfältigen sozialen Hilfsangeboten in ganz Bayern und hilft benachteiligten Menschen und ihren Angehörigen. Das Angebot umfasst innovative Projekte und Einrichtungen der Prävention, Sucht- und Wohnungslosenhilfe, Kinder- und Jugendhilfe sowie Migrationsarbeit. Weitere Informationen unter www.condrobs.de