Siko-Einsatzleister: "Da steigt erstmal das Adrenalin"

Werner Feiler ist Einsatzleiter von rund 4000 Polizisten auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Im AZ-Interview erzählt er von heiklen Momenten in den bisherigen Konferenzen und weshalb er dennoch ruhig schlafen kann.
von  Interview: Nina Job
Werner Feiler ist Polizeivizepräsident in München.
Werner Feiler ist Polizeivizepräsident in München. © Job

Werner Feiler ist Einsatzleiter von rund 4.000 Polizisten auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Im AZ-Interview erzählt er von heiklen Momenten in den bisherigen Konferenzen und weshalb er dennoch ruhig schlafen kann.

München - 680 Gäste auf der Sicherheitskonferenz, darunter mehrere Dutzend, die rund um die Uhr beschützt werden müssen. Werner Feiler leitet den Einsatz mit 4.000 Polizisten.

AZ: Herr Feiler, die 53. Sicherheitskonferenz ist für Sie die 30. Anfangs waren Sie als Einsatzbeamter dabei, im Führungsstab sind Sie seit 1991. Gab es in den Jahren mal ein Ereignis, bei dem Sie in "Schnappatmung" geraten sind?
WERNER FEILER: Ja, das war 2004 oder 2005. Da hatten wir einen Schusswaffengebrauch im Bayerischen Hof. Ich war Leiter des Führungsstabes. Da hab’ ich schon für einen Moment sehr flach geatmet und die Hände wurden feucht.

Gott sei Dank kam sehr schnell die Information, dass sich bei einem ausländischen Polizeibeamten, der als Personenschützer im Hotel war, ein Schuss gelöst hatte. Der Schuss ging auf den Boden, Fliesensplitter sprangen ab. Der Mann hatte einen Streifschuss am Bein.

Ist Panik ausgebrochen?
Zum Glück nicht! Ich bewundere all die Kollegen und Personenschützer im Hotel, die in dieser Situation nicht ebenfalls die Waffe gezogen und geschossen haben. Da gehört schon sehr viel Disziplin und Erfahrung dazu.

Die Münchner Sicherheitskonferenz im AZ-Newsblog

Früher wurde nicht die halbe Altstadt gesperrt.
Anfangs hieß die Veranstaltung ja noch Wehrkundetagung, sie fand im Seitenflügel des Bayerischen Hofs, im Saal Montgelas, statt. Parallel fanden im Hotel Faschingsbälle und andere Veranstaltungen statt. Die Polizei war an dem Wochenende mit vielleicht 50 Beamten im Einsatz. Es gab kleinere Demonstrationen in der Nähe des Bayerischen Hofs mit 15 bis 30 Teilnehmern. Im Lauf der Jahre wurde alles immer größer. Immer mehr Gäste kamen und immer mehr Personen, die wir schützen müssen. An diesem Wochenende erwarten wir 680 Gäste. Außerhalb vom Tagungsort müssen wir in elf weiteren Hotels Schutzmaßnahmen treffen. 4.000 Beamte sind im Einsatz.

Ab wann wurde die Siko so groß?
Eine neue Dimension bekam die Sicherheitskonferenz 2002 – unmittelbar nach dem G8-Gipfel in Genua, bei dem es massive gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten gab. Hunderte Menschen wurden verletzt, ein Demonstrant wurde von einem Carabinieri erschossen. Kurz vor der Sicherheitskonferenz in München tauchten dann anonyme Drohungen im Internet auf, "Feuer und Flamme für diese Stadt", "Genua nach München holen", und so weiter. Das war eine brenzlige Situation, die schwer einzuschätzen war. Aus Angst verbarrikadierten Geschäftsinhaber in der Innenstadt ihre Schaufenster mit Holz. Es waren gespenstische Bilder. In jenem Jahr wurde erstmals ein Sicherheitsbereich um den Bayerischen Hof geschaffen.

Zurück zu 2017: Wie viele Gäste bekommen Personenschutz durch bayerische Polizisten?
Wir haben etwa 60 Gäste, die wir mit intensiven Schutzmaßnahmen betreuen. Dafür haben wir 170 eigens dafür ausgebildete Kräfte aus ganz Bayern zusammengezogen. Sie sind rund um die Uhr an diesen Schutzpersonen dran, sobald diese den Bayerischen Hof verlassen. Im Hotel selbst sind andere Kräfte zuständig.

Dazu kommen Fahr- und Lotsendienste ...
Ja, wir holen die Gäste ab und fahren sie in die Stadt, zu Veranstaltungsorten, zu ihrem Hotel und bringen sie auch wieder zum Flughafen.

Für welche Gäste werden die Straßen komplett gesperrt? Für Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht, oder?
Absperrungen sind ein großer Aufwand und bedeuten große Einschränkungen für die Bevölkerung. Es wird immer wieder kurzzeitige Sperrungen geben. Freie Fahrt bekommt nach unseren Gefährdungsbewertungen nur der Vize-Präsident der USA, Mike Pence. Wenn er kommt, wird die gesamte Strecke gesperrt.

Bilder aus München - Abgedunkelte Limousinen, Polizei, Absperrungen: Siko überall

Wie groß ist die Gefährdung durch Terroristen?
Wir klären die Gefährdungslage ständig intensiv mit den bayerischen Behörden und den Bundesbehörden ab. Über die abstrakte Gefährdungslage hinaus gibt es keine konkreten Hinweise, dass die Veranstaltung oder einzelne Teilnehmer gefährdet sind. Wir werden aber an den Absperrungen um den Bayerischen Hof in diesem Jahr erstmals Pflanzkübel aufstellen lassen.

... um zu verhindern, dass ein Laster eine Kontrollstelle durchbricht?
Das können auch Autos sein.

Rechnen Sie mit mehr Protesten oder mit gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Demonstrationen?
Die Anzahl der Veranstaltungen hat sich gesteigert. Inzwischen sind 36 Versammlungen und Veranstaltungen angemeldet, aber nicht alle sind für uns kräftemäßig relevant. Man nutzt die Gelegenheit, seinen Protest kundzutun, wenn viele Staatsgäste hier sind, darunter sind auch Gruppierungen aus Bangladesch oder Afghanistan. Wir müssen immer beurteilen, wer demonstriert. Es wird sicherlich zu hitzigen Diskussionen kommen, aber wir versuchen rechtzeitig da zu sein, um erforderlichenfalls die Gemüter zu dämpfen.

Haben Sie auch mal was Lustiges erlebt während einer Siko?
Eigentlich nicht, Sonderwünsche aber schon. Einmal wollte ein Staatsgast an der Isar Rad fahren. Ein amerikanischer Vize-Präsident – oder war‘s ein Verteidigungsminister? – wollte im Englischen Garten joggen. Da muss man schauen, welcher Kollege in Joggingkleidung ihn begleiten kann. Hillary Clinton, damals amerikanische Außenministerin, wollte zu Fuß durch die Stadt bummeln. Da steigt erstmal kurz das Adrenalin. Dann holt man kurz Luft und organisiert‘s. 

Als Polizeivizepräsident und Einsatzleiter lastet auf Ihnen die Verantwortung für den gesamten Einsatz. Schlafen Sie gut in diesen Tagen?
Ich kann immer gut schlafen. In Belastungssituationen reichen mir auch nur wenige Stunden.

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Sind Sie nicht gestresst?
Es ist eine hohe körperliche Anspannung, das kann ich nicht leugnen. Aber von Stress sind meine Kollegen und ich noch entfernt. Stress ist für mich, wenn etwas passiert und Sie keine Konzepte haben und Angst bekommen – um die eigene Person und um andere Personen. Da kommt ein Anflug von Hilflosigkeit. Aber wir haben hervorragende Kollegen, entsprechende Konzepte und sehr viel Erfahrung. Wir sind gut aufgestellt und werden diesen Einsatz genauso gut bewältigen wie die letzten Jahre.

Was werden Sie am Sonntagabend machen?
Tief durchatmen. Kurz zurückblicken und mich freuen, dass es wieder gut geklappt hat. Am Montag halte ich in Villingen-Schwenningen einen Vortrag über die Amok-Lage am OEZ. Und kommende Woche gibt es bereits das dritte Gespräch zum Sicherheitskonzept für das Oktoberfest.

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