"Schlag ins Gesicht": Entsetzen nach Ladenschluss-Entscheidung in München
Am Sonntag hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) noch betont, dass noch nichts entschieden sei. Doch am Dienstag passierten die neuen Ladenschlussregeln den Stadtrat, (fast) genau so, wie es Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller (Grüne) vorgeschlagen hatte. Nur ein ganz kleines neues Zugeständnis an die aufgebrachten Gewerkschaften gab es. Die Neuregelungen sollen nun schon nach einem Jahr wieder auf den Prüfstand kommen, nicht erst nach zwei.
Am Dienstag fix beschlossen: Das sind die neuen Regeln
Mehr Shoppingnächte: Wie berichtet schlug Hanna Sammüller vier (statt der gesetzlich möglichen acht) lange Einkaufsnächte vor. Der Stadtrat hat jetzt entschieden, dass an diesen Tagen bis Mitternacht eingekauft werden darf: Es ist der erste Freitag im April, der Freitag vor den Herbstferien, der Black Friday und der dritte Adventssamstag. Darüber hinaus haben Geschäfte die Möglichkeit, bis zu viermal im Jahr individuell bis Mitternacht zu öffnen. Solche Aktionen müssen nur noch vorab dem KVR gemeldet werden.
Die Souvenir-Standl in der Altstadt dürfen künftig auch 40 Mal im Jahr sonntags und an Feiertagen öffnen, mit einigen Ausnahmen, etwa dem Ersten und Zweiten Weihnachtsfeiertag, Karfreitag oder Allerheiligen.
OB Dieter Reiter hatte vorab betont, dass Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit "nicht zuletzt durch die starke Online-Konkurrenz" für den Einzelhandel zunehmend entscheidend seien, aber auch auf Arbeitnehmerrechte gepocht. Ganz ähnlich argumentierte am Dienstag auch seine SPD. "Uns ist sehr wichtig, dass die zusätzlichen Öffnungszeiten nicht zulasten der Beschäftigten gehen", sagte Stadträtin Lena Odell. Deshalb habe man die Evaluierung bereits nach einem Jahr durchgesetzt.
Ganz unterschiedlicher Meinung: Das sagen Grüne und CSU
Ziemlich zufrieden klingen hingegen die Grünen. Stadtrat Christian Smolka sagte am Dienstag: "Wir freuen uns, dass das Kreisverwaltungsreferat unsere Forderung für liberale Öffnungszeiten umgesetzt hat." Es handele sich um einen guten Kompromiss. "Händler*innen und Gewerkschaften hatten in dieser Sache sehr unterschiedliche Interessen, das haben wir in Einklang gebracht." Man stärke die lokalen Geschäfte in der Altstadt, aber auch in den Stadtvierteln.
Evelyne Menges: "Dass München diesen Spielraum nicht nutzt, ist bedauerlich"
Die CSU-Fraktion kritisierte hingegen die "zögerliche Umsetzung der neuen Gesetzgebung". Die CSU hatte im Ausschuss gefordert, alle acht möglichen langen Verkaufsnächte auszuschöpfen, dafür aber keine Mehrheit gefunden. "Dass München als bayerische Hauptstadt und Shopping-Hochburg diesen Spielraum nicht nutzt, ist bedauerlich", sagte Stadträtin Evelyne Menges. "Die Menschen leben und arbeiten heutzutage sehr flexibel, können jederzeit online shoppen – an diese Lebenswelt müssen sich die Geschäfte vor Ort anpassen dürfen, wenn sie es wollen."

Gewerkschaft Verdi: "Ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten"
Die Gewerkschaft Verdi macht deutlich, dass man sich entgegen anderweitig lautender Aussagen "explizit gegen eine Ausweitung der Verordnung ausgesprochen" habe, von einem Kompromiss könne daher keine Rede sein. "Die Arbeitsbedingungen einer Branche, die bereits heute durch Rekordstände bei Krankenquote und Personalengpässen gekennzeichnet ist, werden durch die Entscheidung zusätzlich massiv verschlechtert", heißt es in der entsprechenden Mitteilung: "Es ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten."
Verdi-Handelsexperte Datz kritisiert "Sonntagsreden" von SPD und Grünen
Eine knappe Woche vor Weihnachten verteile der Münchner Stadtrat damit ein Geschenk, auf das die Handelsbeschäftigten gerne verzichtet hätten. "In Sonntagsreden sprechen sich insbesondere SPD und die Grünen gerne für Frauenrechte aus, wenn man sie aber aktiv schützen könnte, stellt man wirtschaftliche Interessen doch in den Vordergrund", kritisiert Verdi-Handelsexperte Dominik Datz das Abstimmungsverhalten über Arbeitsbedingungen für eine Branche, die zu 70 Prozent aus weiblichen Beschäftigten bestehe.
Für die Gewerkschaft steht fest, dass die Verordnung allein zu Lasten der Beschäftigten geht, sie vermisst entsprechende Kompensationsmaßnahmen. Zudem zeigen bereits veröffentlichte Stellungnahmen aus dem Rathaus ihrer Meinung nach deutlich, dass sich die Entscheider "scheinbar nicht eine Sekunde mit den Ausführungen der Gewerkschaften auseinandergesetzt haben".
Neue Ladenschluss-Verordnung: Verdi kündigt rechtliche Schritte an
Auch wirtschaftlich mache der Vorstoß keinen Sinn, verweist Verdi auf Analysen, die zeigten, dass eine Ausweitung von Ladenöffnungszeiten in erster Linie zu einer Umverteilung der Umsätze, kaum aber zu einer Generierung neuer Umsätze führe. Dominik Datz: "Für ein paar Euro mehr Umsatz müssen nun tausende Betroffene die Rechnung zahlen." Für Verdi steht die Verordnung auch juristisch auf wackligen Beinen, daher kündigt die Gewerkschaft an, dass sie "den Rechtsweg beschreiten" werde.

