Zoff um Verkehr in der Münchner Altstadt: "Die Bürger wollen Auto fahren"
"Wir verwirklichen die weitgehend autofreie Altstadt (kein Autoverkehr für Private außer Anwohnende und Mobilitätseingeschränkte - Ausnahmen für Busse, Taxis, Geschäfts-, Liefer- und Baustellenverkehr)
sukzessive bis 2025."
So haben es Grüne und SPD in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt. Jetzt neigt sich das Jahr 2025 dem Ende entgegen, die Legislatur ist auch schon fast vorbei. Autofrei ist die Altstadt nicht geworden und sie wird es auch so schnell nicht.
Das ist die traurige Nachricht für all jene Wähler, die sich von Grünen und SPD eine radikalere Umgestaltung des öffentlichen Raumes gewünscht haben. Gemeinsam haben beide Fraktionen nun im Stadtrat das Konzept "Altstadt für alle" verabschiedet. Grundsätzlich ist das Ziel immer noch, den Verkehr in der Altstadt zu reduzieren – auch wenn das Wort "autofrei" in dem Beschluss-Text nicht mehr vorkommt.
Wohl keine neue Fußgängerzone
Allerdings ist das Ganze eben nicht mehr als ein Konzept, das die Stadt übrigens seit mehr als zwei Jahren und mit einer intensiven Bürgerbeteiligung erarbeitet hat. Herausgekommen ist ein "Handlungsbaukasten", wie es in der Behördensprache der Beschlussvorlage heißt. Auf gut Deutsch: Es sind Vorschläge für Viertel der Altstadt – und der Stadtrat entscheidet über jede bauliche oder verkehrliche Maßnahme noch einmal neu. Eine weitere Fußgängerzone wird der Stadtrat in dieser Legislatur also wohl kaum mehr einweihen.
Pläne zur autofreien Münchner Innenstadt geplatzt? Wer noch in der Altstadt parken darf
Die grundsätzliche Idee des Konzepts ist, dass eines Tages nur noch Anwohner, Wirtschaftsverkehr, Menschen mit einer Behinderung und Taxis am Straßenrand in der Altstadt parken. Besucher, die zum Einkaufen in die Altstadt fahren, sollen ins Parkhaus. Dort sind laut Mobilitätsreferat durchschnittlich 1100 Stellplätze frei. Das sind fast so viele, wie es momentan an regulären Stellplätzen gibt (nämlich rund 1480), für die Besucher momentan einen Parkschein ziehen müssen. Die übrigen rund 500 Parkplätze in der Altstadt sind für Taxis, Menschen mit einer Behinderung, Lieferverkehr, Hotels, Carsharing und Touristenbusse reserviert.
Auch in Zukunft soll es in bestimmten Straßen möglich bleiben, für zehn Minuten anzuhalten, um zum Beispiel, etwas auszuladen oder jemanden zu einer Praxis zu bringen. Ursprünglich waren drei Minuten vorgesehen. Die SPD setzte die Verlängerung durch.
Tempo 30 auf der Maximilianstraße
Außerdem sollen sich die Straßentypologien ändern. Zum Beispiel soll die Maximilianstraße eine sogenannte Stadtstraße werden. Stadtstraßen dienen als Zufahrt zu Parkgaragen. Die Geschwindigkeit ist auf 30 km/h begrenzt. Noch darf man auf der Maximilianstraße tatsächlich 50 fahren.
Auch Tempo-20-Zonen sollen in den "Altstadtstraßen" eingeführt werden. Hier sollen eigentlich bloß noch Anwohner und Wirtschaftsverkehr durchfahren. Die Möglichkeit, jemanden kurz beim Arzt abzusetzen oder etwas abzuholen, soll aber bleiben.
Fußgängerzonen sind vorgesehen – etwa in der Westenriederstraße bis zum Isartor. Beschlossen ist das aber noch nicht. Denn der Stadtrat wird sich die Teilbereiche noch mal einzeln ansehen.
Hier geht die Umgestaltung los
Los gehen soll es im Graggenauer Viertel, wo unter anderem auch das Tal und die Maximilianstraße liegen. Grundsätzlich lautet die Idee: Mehr Grün, mehr Platz für Fußgänger. Das Baureferat soll die Umgestaltung planen, Anwohner, Verbände, Bezirksausschuss etc. miteinbeziehen.
SPD-Stadtrat Andreas Schuster verglich den Prozess, die Altstadt umzugestalten, mit einem Marathonlauf. "Das Endziel ist noch ein gutes Stück weg. Wir sind jetzt aber bei einer guten Zwischenstation", sagte er. Theoretisch bekomme man vieles, was man in der Altstadt kaufen kann, auch online. Um so wichtiger ist aus seiner Sicht deshalb, den Einkauf mit einem positiven Erlebnis zu verbinden.
Besucher sollen ins Parkhaus
Grünen-Stadtrat Florian Roth argumentierte, dass sich für Anwohner und den Lieferverkehr die Situation sogar verbessern werde, wenn die übrigen Besucher ins Parkhaus müssen und gar nicht mehr auf die Idee kommen, in den Straßen nach einem Parkplatz zu suchen.
Die Chefin des Bezirksausschusses, Andrea Stadler-Bachmaier (Grüne), erinnerte daran, dass in ihrem Gremium alle Fraktionen das Konzept "Altstadt für alle" unterstützen.
CSU: "Die Bürger wollen Auto fahren"
CSU, Freie Wähler und FDP im Stadtrat ließen sich davon nicht beeindrucken. CSUlerin Veronika Mirlach betonte: "Die Bürger wollen Auto fahren. Wenn sie nicht mehr in die Altstadt fahren können, wird sie zur Schlafstadt." Wenn dann müsste die Stadt mehr Parkhäuser oder Tiefgaragen bauen. Und: Seit die Sendlinger Straße eine Fußgängerzone ist, habe sie an Vielfalt verloren.
Wer von einer Altstadt ohne Autos träumt, wo "alle fünf Meter ein Baum und Bänkchen steht", macht aus ihrer Sicht dieses "florierende Herz" kaputt. Auch Fritz Roth von der FDP plädierte für den Erhalt der Parkplätze in der Altstadt – weil der Einzelhandel auf diese Kunden angewiesen seien.
Nur, was wollen die Menschen wirklich? Bürgermeister Dominik Krause, der OB-Kandidat der Grünen, zitierte aus einer Studie, die der CSU-OB-Kandidat Clemens Baumgärtner in Auftrag gegeben hat, als er noch Wirtschaftsreferent war. 900 Menschen wurden gefragt, wie die Münchner Innenstadt zukünftig sein: Ganz oben auf der Liste: ÖPNV-freundlich, fußgängerfreundlich, begrünt. "Autofreundlich" kam auf Platz 22, die letzte Stelle.

