Olympia in München? Stadt und Verbände sehen Bewerbung für Spiele skeptisch

Die European Championships haben klar gezeigt: München kann sportliche Mega-Events! Mit Blick auf eine neuerliche Bewerbung für Olympische Spiele reagieren Stadt und Verbände aber eher skeptisch.
Florian Kinast |
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Egal, ob unterm weltberühmten Zeltdach oder zentral in der Stadt am Königsplatz beim Beachvolleyball und Klettern: Die European Championships ziehen die Münchner Massen an.
Egal, ob unterm weltberühmten Zeltdach oder zentral in der Stadt am Königsplatz beim Beachvolleyball und Klettern: Die European Championships ziehen die Münchner Massen an. © Philipp Guelland / Munich2022

München - Am Mittwochabend saß auch Felix Neureuther im Olympiastadion, Haupttribüne, Block Z, Reihe 43. Es war zwar nicht so laut wie am Vortag bei der doppelgoldigen Gänsehautstunde von Niklas Kaul und Gina Lückenkemper. Und doch war Neureuther begeistert. "Die Stimmung in München ist mitreißend", meinte er, "was hier an Top-Leistungen geboten wird und wie grandios die Menschen mitgehen, gewaltig."

Blick auf den Königsplatz bei den European Championships.
Blick auf den Königsplatz bei den European Championships. © Matthias Balk / Munich2022

Am Sonntagabend um 21.22 Uhr fällt mit der 4x100-Meter-Staffel der Frauen die letzte der 177 Entscheidungen bei den European Championships, damit endet ein Fest, das mit der Atmosphäre rundherum vielleicht noch besser war als während der wunderbaren WM 2006. München hatte sein neues Sommermärchen.

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Vorbehalte gegen erneute Olympia-Bewerbung

Doch was bleibt? Es wäre naheliegend, den Erfolg als Schub für eine erneute Olympia-Bewerbung zu sehen. Doch bei den Entscheidungsträgern herrschen Vorbehalte.

Einerseits, weil man sich mit auch am Widerstand der Bevölkerung gescheiterten Bewerbungen wie für München 2022 bereits die Finger verbrannte. Andererseits, weil Olympische Spiele eben vom IOC veranstaltet werden.

Und das IOC mit seinen Auflagen und Knebelverträgen vorschreibt, was wie zu laufen hat.

IOC-Boss Thomas Bach.
IOC-Boss Thomas Bach. © picture alliance/dpa/KEYSTONE

Nur als Beispiel, in München konnte man vom Olympiaberg entspannt den Triathleten zuschauen, spazierte danach 100 Meter über die Wiese zu den BMX-Bikern und ging für die Verpflegung zur temporären Almhütte einer Oberland-Brauerei. Bei OIympia sind die Wege reglementierter, der Blick von außen ist eingeschränkt durch Sichtschutzzäune, es gibt strenge Korridore, und wer Durst hat, muss sich mit den Getränken der IOC-Sponsoren begnügen. Eine ungetrübt lockere Party, wie sie München in diesen Tagen erlebte, wäre kaum vorstellbar.

Sportbürgermeisterin Verena Dietl.
Sportbürgermeisterin Verena Dietl. © IMAGO/foto2press

So ist man auch im Rathaus noch vorsichtig. "Wir haben gezeigt, dass wir große Sportevents stemmen können", sagt Sportbürgermeisterin Verena Dietl (SPD) der AZ. "Wir hätten es im Kreuz, uns als potenzielle Bewerberstadt zu positionieren. Ich glaube aber auch, dass sich das IOC dazu öffnen und verändern muss." Ähnlich sieht es Olympiapark-Chefin Marion Schöne. "Der nächste Schritt mit einer Olympia-Bewerbung kommt für uns nur in Frage, wenn wir als Host City mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung und Mitbestimmung haben als das bisher der Fall ist."

Olympiapark-Chefin Schöne.
Olympiapark-Chefin Schöne. © IMAGO/foto2press

 "An der Bevölkerung vorbei kann und wird es keine Bewerbung geben"

Ein Faktor sind auch die Finanzen. Das Sportfest in München kostet 130 Millionen Euro, die Sommerspiele 2024 in Paris elf Milliarden. Die grotesken Winterspiele im Februar in Peking verschlangen laut Schätzungen sogar bis zu 40 Milliarden, weil man neue Sprungschanzen und Eiskanäle in die Landschaft betonierte und Berghänge freisprengte. In Peking starteten 2.900 Sportler in 109 Entscheidungen. In München jetzt waren es 4.700 in 177.

Zurückhaltend ist man auch beim Deutschen Olympischen Sportbund. "Wir sollten nicht den Fehler machen, aus den European Championships eine Legitimation für eine neue Bewerbung zu ziehen", heißt es auf Anfrage der AZ. Bei einer Mitgliederversammlung im Dezember wolle man einen Fahrplan erstellen, nach dem man mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erst die Gründe für und gegen eine Bewerbung ausloten will. "Eines ist klar", heißt es im DOSB-Statement, "an der Bevölkerung vorbei kann und wird es keine Bewerbung geben."

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Eine zentrale Frage wäre dann: Spiele im Sommer oder im Winter? Aus Gesprächen mit Verantwortlichen ist herauszuhören, dass gerade bei der Argumentation der Nachhaltigkeit die Legitimation von Winterspielen in Zeiten des Klimawandels schwer zu vermitteln sei.

Um für ein großes Sportfest zu brennen, braucht es kein Olympisches Feuer

Und wenn Sommer? Nach Brisbane 2032 wäre der früheste Termin 2036, doch dieses Datum ist umstritten wegen des Jubiläums von Hitlers Propagandaspielen 1936 in Berlin. Olympiapark-Chefin Marion Schöne: "Aus dem Bauch heraus sage ich, man sollte es nicht machen. Die Jahreszahl 1936 und das 100-jährige Jubiläum wäre zu sehr beladen. Ich würde davon abraten." Es ist noch ein langer und komplizierter Weg, bis das Olympische Feuer wieder in Deutschland brennen könnte.

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Auch Felix Neureuther sieht eine Bewerbung unter den gegebenen Umständen skeptisch. "Wir müssen keine Milliarden ausgeben, um der Gesellschaft fantastischen Sport zu zeigen und zu feiern", sagte Neureuther am Mittwoch, dann ging es um die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass sich das IOC reformiere. Neureuther saß schweigend da, schüttelte den Kopf.

Ex-Ski-Star Felix Neureuther.
Ex-Ski-Star Felix Neureuther. © picture alliance/dpa

Vielleicht darf München in einigen Jahren wieder eine Mehrfach-EM veranstalten oder ein Großereignis im ähnlichen Format. Die Münchner haben gezeigt: Um für ein großes Sportfest zu brennen, braucht es kein Olympisches Feuer.

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  • Heinrich H. am 19.08.2022 14:59 Uhr / Bewertung:

    ......lassen wie es doch lieber bei dem Format European Championships, ist kostengünstiger und Interessanter und wahrscheinlich bleibt auch mehr über...!!!!

  • Dr. Right am 19.08.2022 11:49 Uhr / Bewertung:

    Die European Championships scheinen den olympischen Gedanken besser zu leben als die unter der Marke "Olympische Spiele" vertriebene Veranstaltung. Das finde ich besser und ist vermutlich auch stressfreier als mit dem IOC, weil nicht hinter jedem Baum zwei Juristen stehen. Warum sich also den Stress mit dem IOC antun?

  • Falco am 19.08.2022 11:27 Uhr / Bewertung:

    Reine Träumerei von Teilen der Politik. Das haben wir eben nicht mehr im Kreuz. In einem Land, in dem es bei noch so sinnvollen Vorhaben immer jemanden gibt, der dagegen ist. In einem Land, das große Projekte nicht mehr zeit- und kostengerecht auf die Beine stellen kann (2. Stammstrecke, Bahnhöfe, Flughafen...) In einem Land, in dem mehr Bedenkenträger als Visionäre leben. Wo mehr Angst als Neugier und Mut herrscht. Dort geht das eben nicht (mehr).
    Heute unvorstellbar: 1968 hat man im heutigen Olympiapark angefangen zu graben. 1972 waren die Spiele.

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